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MieterEcho 424 / Mai 2022

Und raus bist du

Die landeseigenen Wohnungsunternehmen ließen im letzten Jahr 314-mal zwangsräumen

Von Andreas Hüttner

Die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) haben ihre Hilfsangebote zur Abwendung von Zwangsräumungen in den letzten Jahren erfolgreich verbessert. Trotzdem wurde auch während der Corona-Pandemie weiter geräumt. Das „Bündnis Zwangsräumung verhindern“ , das sich seit 10 Jahren gegen Zwangsräumungen engagiert, fordert die komplette Einstellung der Räumungen.

20 Aktivist/innen des Bündnisses protestierten am Nachmittag des 31. März unangemeldet bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen Howoge und Stadt und Land, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Denn von 314 Zwangsräumungen der Landeseigenen im letzten Jahr entfallen allein 113 auf die Howoge und 95 auf Stadt und Land. 

Die Daten und Zahlen zu Zwangsräumungen bei den LWU entstammen der Antwort auf eine Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der Linkspartei Niklas Schenker. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stellte diese, gestützt auf Angaben der Landeseigenen, bereit. Daraus ist zu entnehmen, dass Räumungsurteile und vollstreckte Räumungen seit 2018 rückläufig sind, wenn auch mit Schwankungen. 2018 erwirkten die städtischen Wohnungsunternehmen noch 1.038 Räumungstitel. 2021 verringerte sich diese Zahl auf 826. Vollstreckte Zwangsräumungen lagen 2018 und 2019 bei je 499. Diese gingen 2020 auf 278 zurück, stiegen aber 2021 wieder auf 314 an. Niklas Schenker begrüßt den Rückgang der Räumungen grundsätzlich. Er kritisiert aber, dass jede Räumung aufgrund von Mietrückständen eine zu viel ist: „Mit dem sozialen Versorgungsauftrag der LWU ist das nicht vereinbar.“

Häufigste Ursache für Kündigungen, die dann letztendlich zur Räumung führen können, sind ausstehende Mietzahlungen. Weit seltener wird wegen „schwerwiegende(r) vertragliche(r) Pflichtverletzungen“ geräumt, wie Vermietung der Wohnung als Ferienwohnung oder nachhaltige Störung des Hausfriedens. Zur Abwendung von Zwangsräumungen bieten die LWU umfangreiche Unterstützung von Mietschuldenberatung über Ratenzahlungsvereinbarungen bis zu Konfliktmanagement. Dadurch konnten im letzten Jahr 2.067 Räumungen abgewendet werden. Diese positive Entwicklung erkennt auch Anna Lobeck vom „Bündnis Zwangsräumung verhindern“ an. Sie bemängelt aber die großen Unterschiede in der Anzahl von Räumungen bei den einzelnen Wohnungsunternehmen. So veranlasste die Howoge im letzten Jahr 113 Zwangsräumungen, die Degewo hingegen zehn, bei ungefähr gleich großem Wohnungsbestand. Anna Lobeck erklärt dies so: „Die Zahlen zeigen ganz eindeutig, dass es möglich ist, auf Zwangsräumungen zu verzichten. Es liegt an der Geschäftspolitik der einzelnen Wohnungsunternehmen.“

Verbleib vieler Mieter/innen unklar

Die Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und LWU regelt, dass nur im Fall von Kündigungen wegen Mietrückständen Ersatzwohnraum angeboten werden muss. Da dieser nur sehr selten angenommen wird, vermuten die Wohnungsunternehmen, dass sich die Betroffenen anderweitig mit Wohnraum versorgen konnten. Hierzu liegen allerdings keine Daten vor. Gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland erklärte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dass letztes Jahr nur etwa ein Drittel der Mieter/innen bei ihrer Räumung anwesend waren. Über den Grund der Abwesenheit der restlichen Mieter/innen machte sie keine Angaben. Für Niklas Schenker heißt das: „Viele Menschen verlieren ihre Wohnung, ohne dass klar ist, wo sie anschließend unterkommen.“ Er spricht deshalb von einer „verdeckten Wohnungslosigkeit“ und fordert von den Landeseigenen einen Räumungsverzicht bei Zahlungsrückständen. Anna Lobeck vom „Bündnis Zwangsräumung verhindern“ geht noch einen Schritt weiter: „Die Politik soll denen mal auf die Füße treten, dass sie Zwangsräumungen endlich komplett einstellen.“ 


MieterEcho 424 / Mai 2022