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MieterEcho 426 / August 2022

Spekulation statt Sozialwohnungen

Der Hafenplatz in Kreuzberg – Musterbeispiel für Investorenmonopoly

Von Gaby Gottwald

Direkt hinter dem Potsdamer Platz verlottern ehemalige Sozialwohnungen am Hafenplatz, deren Bindungen Ende 2017 ausliefen. Die Grundstücke Hafenplatz 6-7/Köthener Straße 28-32 wurden 2016 von der Grundstücksgesellschaft Hafenplatz Berlin mbH gekauft, die der Artprojekt Gruppe gehörte. Es sollte ein grünes Quartier mit einer Mischung aus Gewerbe, bezahlbarem Wohnen und Kultur entstehen. Artprojekt begann mit einem Entmietungsprogramm, obwohl noch gar keine Baugenehmigung vorlag. Noch im März 2022 waren rund 80 behördliche Verfahren wegen widerrechtlichem Leerstand anhängig.

Am 11. September 2019 präsentierte Artprojekt im Bau-Ausschuss der BVV Friedrichshain-Kreuzberg einen Projektentwurf, der einen gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Ort versprach. Vorgesehen war ein Joint-Venture mit der landeseigenen Gewobag, die rund ein Drittel der Fläche erhalten sollte und fast 60% der Wohnungen. Ein Vertrag mit der Gewobag läge bereits vor. Am 23. September 2020 erließ das Bezirksamt einen Bauvorbescheid, der zwei Jahre Gültigkeit hat und eine Voraussetzung für einen späteren Bauantrag ist. Ein Bebauungsplan wurde nicht erstellt. Man wollte einen schnellen Baubeginn ermöglichen.

Auch sechs Jahre nach dem Grundstückskauf gibt es aber keinen Start für ein „vitales und lebenswertes Quartier mit Gemeinwohlanteil“ (Artprojekt). Doch hinter den Kulissen war man nicht untätig. Im Sommer 2020 wurde das Grundstück weiter gereicht – vermutlich über einen Share Deal, bei dem keine Grunderwerbssteuer anfällt. Die neue Eigentümerin ist die Hedera Bauwert GmbH zu 89,1%. Deren Eigentümer, Ioannis Moraitis, ist in Kreuzberg nicht unbekannt. In 2015 sorgte er für das Aus des Gemüseladens Bizim Bakkal in der Wrangelstraße 77 und legte damit unfreiwillig den Grundstein zur erfolgreichen Initiative Bizim Kiez, die er seit Jahren beklagt. 

Die Grundstücksgesellschaft Hafenplatz Berlin GmbH wurde Anfang 2021 zur Gamma Invest Berlin GmbH. Ihr Eigentümer Moraitis ist auch ihr Geschäftsführer. Die Entwicklungsgesellschaft „Quartier am Hafenplatz“ gehört zu 75% Artprojekt Real Estate. Sie führen seit Jahren die Kommunikation und die Verhandlungen über das Bauprojekt. 2021 wurde Moraitis dort ebenfalls Geschäftsführer. 

Verträge nicht offengelegt

Moraitis ist nun Eigentümer eines beachtliches Filetgrundstücks, für das er zudem einen Bauvorbescheid hat, der Gold wert sein dürfte. Der Bodenrichtwert hat sich seit dem Ankauf von Artprojekt in 2016 in etwa verfünffacht. Ausgewiesen sind aktuell 8.000 Euro/qm im Kerngebiet und 4.500 Euro/qm im Wohngebiet.

Der linke Abgeordnete Niklas Schenker fragt Ende März 2022 den Senat, welche vertraglichen Regelungen 2019 zwischen der Eigentümerin und der Gewobag getroffen worden seien. Man reibt sich die Augen über die Antwort: Das sei vertraulich! Aber es gäbe eine neue Projektidee und Gespräche zwischen Gewobag, Eigentümerin und Bezirk würden absehbar aufgenommen. „Die Projektidee geht, abweichend von dem ausgestellten Bauvorbescheid, von einer deutlich verdichteten Bebauung aus.“ Man ahnte es schon: höhere Bodenpreise, höhere Verwertung durch mehr Baumasse.

Da offensichtlich die alten vertraglichen Vereinbarungen mit der Gewobag den neuen Eigentümer nicht binden, wird der Staat direkt die Verwertungsspirale bezahlen. Was der Senat wohl nicht im Auge hat: Mehr Baumasse erfordert laut Bezirksamt zwingend einen Bebauungsplan. Zudem gibt es eine städtebauliche Erhaltungssatzung für das Gebiet, die Grenzen für kreative Bauverdichtung setzt.

Was wird passieren? In absehbarer Zeit wahrscheinlich nichts – außer, dass die Bodenrichtwerte weiter steigen. Man wird den Bezirk unter Druck setzen, denn die Baumasse muss steigen, da sonst die Rendite nicht stimmt. Das Joint Venture mit der Gewobag ist der Köder, denn es geht ja vermeintlich vorrangig um den Bau von Sozialwohnungen. Scheitert der Plan, wird das Grundstück mit grundsätzlicher Baugenehmigung mit Gewinn weiterverkauft. Bezahlbares Wohnen am Hafenplatz? 

War es jemals ein Plan oder vielmehr ein ganz normaler Fall von Bodenspekulation?  

 

Gaby Gottwald ist Sprecherin für Stadtentwicklung für Die Linke in der BVV Friedrichshain Kreuzberg.


MieterEcho 426 / August 2022