Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 423 / April 2022

Mietendeckel, aber richtig!

Nach dem Scheitern des Berliner Gesetzes bedarf es einer bundesweiten Regelung

Von Andrej Holm

Ein Jahr nach dem Aus für den Mietendeckel in Berlin haben die Mietpreise wieder deutlich angezogen. Waren die Angebotsmieten auf den Online-Portalen in der Zeit des Berliner Mietendeckels leicht rückläufig, haben sie inzwischen die früheren Steigerungsraten übertroffen und liegen zurzeit im Durchschnitt bei fast 12 Euro/qm. Hohe Neuvermietungsmieten erschweren nicht nur die Wohnungssuche, sondern üben immer auch Druck auf die Bestandsmieten aus.     


Zugleich wächst die Verdrängungsgefahr, weil Vermieter/innen mit Abschluss eines neuen Mietvertrages deutlich höhere Erträge erzielen können. Mit dieser Konstellation ist die soziale Wohnversorgung akut gefährdet, weil schon jetzt fast die Hälfte der Haushalte in Berlin mehr als 30% des Einkommens für die Miete ausgeben müssen. Für eine kurzfristig wirksame Lösung könnte ein Mietendeckel sorgen – dieser jedoch müsste auf der Bundesebene beschlossen werden.

Das im Februar 2020 beschlossene Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) – der Berliner Mietendeckel – umfasste drei wesentliche Regelungsbereiche: ein weitgehendes Einfrieren der Bestandsmieten, die Kappung der Neuvermietungsmieten sowie eine Absenkung von überhöhten Mieten. Alle drei Instrumente waren grundsätzlich geeignet, den jahrelangen Mietanstieg in der Stadt einzudämmen und den Bestand an leistbaren Wohnungen auszubauen. Unabhängig von der wohnungspolitischen Wirksamkeit wurde der Berliner Mietendeckel im April 2021 durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig erklärt. Begründet wurde das Aus für den Mietendeckel nicht mit einer Absage an die im Gesetz festgelegten Regelungsinhalte, sondern mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz für das Land Berlin. Die Richter/innen in Karlsruhe argumentierten, dass alle Fragen zur Mietgestaltung auf der Bundesebene bereits abschließend geregelt seien. Die bundesweite Initiative Mietenstopp, die Linksfraktion im Bundestag und auch das Land Berlin über eine Bundesratsinitiative hingegen fordern einen bundesweiten Mietendeckel. In der Diskussion stehen dabei eine sogenannte Öffnungsklausel, die den Bundesländern eigenständige Regelungen per Gesetz einräumen, und eine bundesweite Regelung, bei der die Mechanismen eines Mietendeckels direkt in Bundesgesetzen festgelegt werden sollen. Da sich die Situationen der Wohnversorgung regional stark unterscheiden, müsste ein bundesweites Mietendeckelgesetz gebietsspezifische Variationsmöglichkeiten beinhalten. Bereits bei den Kappungsgrenzen und auch bei der Mietpreisbremse unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Gebieten mit ausgeglichenen und angespannten Wohnungsmärkten. 

Gebiete mit Wohnungsnotlagen

In einer mit dem Juristen Benjamin Raabe erarbeiteten Studie haben wir vorgeschlagen, darüber hinaus die Kategorie „Gebiete mit Wohnungsnotlagen“ einzuführen, um dort weitergehende Mieterschutzinstrumente zur Anwendung zu bringen. In den so vorgeschlagenen drei Gebietstypen sollen jeweils unterschiedliche Regelungen für die Begrenzung von Mietsteigerungen im Bestand, die Wiedervermietungsmieten und die höchstzulässigen Mieten gelten. Als ausgeglichene Wohnungsmärkte gelten Städte und Regionen, in denen die mittleren Angebotsmieten maximal 15% über den Bestandsmieten liegen, in denen die Fluktuationsreserve – das sind kurzfristige Leerstände, die Mieterwechsel ermöglichen – mehr als 3% beträgt und die durch rückläufige oder stagnierende Bevölkerungszahlen gekennzeichnet sind.

Angespannte Wohnungsmärkte sind Städte und Regionen mit steigenden Bevölkerungszahlen, Angebotsmieten, die mehr als 15% über den Bestandsmieten liegen und einer Leerstandsquote unter 3%. Als Gebiete mit Wohnungsnotlagen gelten Städte und Regionen, in denen sowohl die Bestands- als auch die Angebotsmieten überdurchschnittliche Steigerungen aufweisen, die Lücken zwischen Bestands- und Neuvermietungsmieten überdurchschnittlich hoch sind, oder die mittlere Mietkostenbelastung mehr als 30% des Haushaltseinkommen beträgt. 

Um insbesondere die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines bundesweiten Mietendeckels zu gewährleisten, baut der Vorschlag im Wesentlichen auf der Anwendung und Modifikation von bereits geltenden oder frühergenutzten Regelungen auf.

Realistischer Mietspiegel durch neue Referenzmiete: Ein zentrales Instrument zur Begrenzung von Mietsteigerungen ist an die bisherigen Kappungen der Bestandsmieten angelehnt. In den Gebieten mit ausgeglichenen Wohnungsmärkten ist eine Beibehaltung der bisherigen Kappungsgrenze von 20% vorgesehen. In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten könnte die Mieterhöhung auf die Inflationsrate abgesenkt werden und in den Gebieten mit Wohnungsnotlagen werden Mieterhöhungen komplett ausgesetzt. Neu geregelt werden soll dabei auch die sogenannte Referenzmiete, die als ortsübliche Vergleichsmiete das Maximum der Mieten definiert: Statt der komplizierten und regelmäßig umstrittenen Orientierung an Mieterhöhungen der letzten Jahre soll hier die echte Durchschnittsmiete für die entsprechenden Mietspiegelfelder gelten. Die Einbeziehung von älteren und unveränderten Mietverträgen wird dabei zu einer Absenkung der Referenzmiete führen. Im Fall von Berlin würden mit der Anwendung dieser Regelungen Mieterhöhungen so lange ausgeschlossen bleiben, bis sich die Situation der Wohnungsnotlage entspannt hat.

Neuvermietungslimit durch Mietpreisbremse: Ein zweites Element des Vorschlags für einen bundesweiten Mietendeckel ist die effektive Begrenzung von Wiedervermietungsmieten. In Anlehnung an die seit 2015 bestehende Mietpreisbremse sollen künftig drei Stufen gelten. In Gebieten mit ausgeglichenen Wohnungsmärkten sollen die Wiedervermietungsmieten auch künftig frei vereinbart werden können. In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten gilt die bisherige Kappung der Mietpreisbremse von maximal 10% über der Referenzmiete. In Gebieten mit Wohnungsnotlagen dürfen Wiedervermietungen die Referenzmiete nicht überschreiten. Außer für Neubauten sollen keine Ausnahmen gelten, um die Handhabung und auch die Durchsetzung des Neuvermietungslimits zu vereinfachen. Als Orientierung für die maximale Neuvermietungsmiete wird auch hier die echte Durchschnittsmiete herangezogen. Im Fall von Berlin würde diese Regelung bedeuten, dass Neuvermietungen maximal zu den jeweiligen Durchschnittsmieten der verschiedenen Mietspiegelfelder erfolgen dürfen, solange sich die Wohnungsnotlage nicht aufgelöst hat.

Leistbarkeit durch höchstzulässige Mieten: Ein drittes Element des bundesweiten Mietendeckels besteht in der Aktivierung des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes (WiStG), der überhöhte Mietzahlungsforderungen ausschließen soll. Für eine wirksame Anwendung des gesetzlichen Instrumentariums müsste im Gesetz die Einschränkung auf Fälle aufgehoben werden, bei denen die „Ausnutzung“ einer Marktlage vorliegt. Eine erleichterte Handhabung würde die höchstzulässigen Mieten grundsätzlich bei 20% über der jeweiligen Referenzmiete festlegen. Alle darüber liegenden Mieten müssten entsprechend abgesenkt werden. Für die Gebiete mit Wohnungsnotlagen soll die höchstzulässige Miete sich abweichend an der leistbaren Miete orientieren, die um maximal 20% überschritten werden darf. Der Referenzwert der Leistbarkeit berechnet sich im Vorschlag aus dem Median der Haushaltseinkommen und der mittleren Wohnfläche in der jeweiligen Stadt. In Berlin liegt diese mittlere Leistbarkeitsgrenze bei 6,03 Euro/qm, so dass alle Mietpreise abgesenkt werden müssten, die die höchstzulässige Miete von 7,24 Euro/qm (nettokalt) überschreiten.

Bundesweiter Druck nötig

Eine Simulation der Anwendung der vorgeschlagenen Regelungen für die 50 größten Städte in Deutschland belegt deren Wirksamkeit. Weit über 1 Million Haushalte, die unter den aktuellen Bedingungen mehr als 30% ihres Einkommens zahlen müssen, würden durch den Schutz vor Mieterhöhungen, die Begrenzung der Neuvermietungsmieten und die Absenkung überhöhter Mieten eine leistbare Mietkostenbelastung erhalten. Um diesen Effekt mit der Zahlung von Wohngeld zu erreichen, müssten pro Jahr allein in den untersuchten Großstädten über 5 Milliarden Euro ausgezahlt werden. 

Gerade weil ein wirksamer Mietendeckel die Interessen der Mieter/innen bedient, wird er auf erheblichen Widerstand der Immobilienbranche treffen. Bundespolitische Mehrheiten in dieser Frage werden nur erreicht, wenn es einen ebenfalls bundesweiten Druck von Mieterinitiativen, Verbänden und politischen Organisationen gibt.

 

Zum Weiterlesen:
Holm, Andrej; Raabe, Benjamin 2021: Bundesweiter Mietendeckel. Regelungsmöglichkeiten und Beitrag für eine soziale Wohnraumversorgung. Studie im Auftrag der Fraktion Die Linke im Bundestag und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin: RLS
rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Studie_bundesweiter_Mietendeckelerfassung.pdf


MieterEcho 423 / April 2022

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