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MieterEcho 427 / Oktober 2022

Hilfen auch für profitable Unternehmen?

Gasumlage und -preise lassen Heizkosten extrem ansteigen

Von Bernd Müller

Mit der Gasumlage sollen Energiekonzerne auf Kosten der Gasverbraucher/innen vor der Insolvenz bewahrt werden, so der eigentliche Plan von Bundeswirtschaftsminister 
Robert Habeck (Grüne). Für Streit in der Regierungskoalition und für Unmut in der Bevölkerung sorgte allerdings der Umstand, dass auch profitable Konzerne Gelder erhalten können.

Von Oktober 2022 bis Ende März 2024 sollen Verbraucher/innen knapp 2,4 Cent je Kilowattstunde (kWh) an ihren Energieversorger zahlen – zusätzlich zu den ohnehin steigenden Gaspreisen – und obendrauf kommt noch die Mehrwertsteuer. Die Höhe der Gasumlage kann zudem alle drei Monate angepasst werden. Die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch soll hingegen von 19 auf 7% gesenkt werden. Rund 34 Milliarden Euro will die Bundesregierung auf diesem Wege einsammeln und an Energiekonzerne verteilen.

Sie sollen damit für Mehrkosten „entschädigt“ werden, die sie bislang nicht an ihre Kund/innen weiterreichen können. Weil weniger Erdgas aus Russland geliefert wird, müssen sie Ersatz am Gasmarkt zu hohen Preisen einkaufen, um ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen zu können. Das reißt tiefe Löcher in ihre Bilanzen. Uniper fährt nach Informationen der Wirtschaftswoche einen Verlust von 100 Millionen Euro ein – pro Tag.

Um die Pleite abzuwenden, sollen nun die Verbraucher/innen zahlen. Für eine Musterfamilie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh betragen die Mehrkosten damit rund 480 Euro im Jahr. Hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer. Bei einem Zwei-Personenhaushalt ist grob mit der Hälfte zu rechnen. Letztlich können die Kosten für die Haushalte auch höher oder niedriger ausfallen; je nachdem, wie groß die Wohnfläche ist und in welchem Sanierungszustand die Wohnung ist.

Kritik löste zuletzt aus, dass nicht nur Unternehmen Geld aus dem Topf bekommen sollen, die kurz vor der Pleite stehen, sondern auch profitable Firmen. Daraufhin erklärte Habeck, die entsprechende Verordnung überarbeiten zu wollen. Trittbrettfahrer sollten vom Trittbrett geschubst werden, so Habeck.

Nach den neuen Plänen sollen nur noch Firmen unterstützt werden, die für die Versorgungssicherheit in Deutschland „relevant“ sind. Dann müsste das Gasgeschäft jener Firmen eine relevante Größe haben. Als drittes Kriterium nannte Habeck, dass Firmen, die über die Gasumlage gestützt werden, keine Boni und keine Dividenden auszahlen dürfen. Außerdem müssten die betreffenden Firmen alle Bücher offenlegen. Allein das könne schon reichen, „um diese Unternehmen auszusortieren“, hofft Habeck.

Noch ist allerdings nicht ausgemacht, dass es tatsächlich gelingt, viele Unternehmen auszuschließen. Je mehr es sein sollen, desto höher werden die Vorgaben des Beihilferechts – und Klagen von Konzernen dürften dann auch wahrscheinlicher werden.

Verbraucher/innen  sollten allerdings keine Hoffnung haben, dass nach der Reform die Gasumlage wesentlich niedriger werden könnte. Denn rund 90% der geschätzten Summe gehen nach Informationen des Handelsblatts an drei Konzerne: Uniper, Sefe (ehemals Gazprom Germania) und die EnBW-Tochter VNG. Allein Uniper könnte über die Umlage rund 23 Milliarden Euro von den Verbraucher/innen extra beziehen.

Druck von Ratingagenturen

Wie die Idee für die Gasumlage aufgekommen ist, hat das Online-Magazin Business Insider kürzlich berichtet: Nicht die Beamt/innen im Bundeswirtschaftsministerium hatten sie, sondern Ratingagenturen. Hinter den Kulissen hätten sie im Juli gedroht, die Kreditwürdigkeit des Energiekonzerns Uniper herabzustufen. Das hätte wohl nicht nur das Aus für den Konzern bedeutet, sondern auch zahlreiche Stadtwerke in die Insolvenz getrieben, die von Uniper beliefert werden.

„Die Agenturen hatten damals gefordert, dass wir an die Eigentümerstruktur und an die Verbraucher ran gehen“, sagte laut Bericht eine namentlich nicht genannte Person, die die Verordnung mit ausgearbeitet haben soll. 

Im Ministerium hatte man zuvor andere Pläne: Man wollte die Mehrkosten der Ersatzbeschaffung direkt an die Kund/innen weitergeben, wie es im Paragrafen 24 des Energiesicherungsgesetzes vorgesehen ist. Gegenüber diesem Ansinnen hatten allerdings Konkurrenten von Uniper schon Ende Juni Bedenken geäußert. Deren Chefs sollen darauf verwiesen haben, dass sie dann – anders als Uniper – bei vielen Millionen Kund/innen  individuelle Preisanpassungen vornehmen müssen. Das Ergebnis davon wären Milliardenkosten, so die Argumentation.

Die Idee zur Gasumlage sei dann von den Ratingagenturen und aus dem Umfeld von Uniper gekommen. Dann setzten sich Beamte aus dem Bundeswirtschafts- und des Bundesfinanzministerium an einen Tisch mit Vertreter/innen von Uniper und arbeiteten die rechtlichen Details aus. Sogar zwei Chefs von anderen Energiekonzernen sollen persönlich mitgewirkt haben. Am Ende waren dann die Ratingagenturen zufrieden. Nur einige Fehler hatte man in der Hektik übersehen.

Dass auch profitable Unternehmen die Verbraucher/innen über die Umlage schröpfen können, ist einer davon. Ihn will der Bundeswirtschaftsminister nun beheben lassen. Doch das ist nicht das einzige Schlupfloch, über das es Konzernen möglich wäre, Extraprofite zu machen. Das Handelsblatt wies in einem aktuellen Bericht auf einen weiteren Konstruktionsfehler hin, über den Trickserei möglich wäre.

Firmen könnten demnach höhere Kosten in Rechnung stellen, als sie tatsächlich haben. Denn es sei nicht klar geregelt, ob die Konzerne einen Nachweis darüber erbringen müssen, wann sie das Gas eingekauft haben.

Das spielt insofern eine wichtige Rolle, da die Entschädigung, die sie aus der Gasumlage beziehen, anhand tagesaktueller Preise des jeweiligen Monats errechnet wird. Für Oktober geht man von einem Preisniveau von 300 Euro pro Megawattstunde (MWh) aus – doch das ist nicht unbedingt der Preis, den die Importeure bezahlt hätten.

Als klar gewesen sei, dass sie aus Russland kein Erdgas mehr bekämen, hätten sich einige Importeure Ersatz beschafft – zu deutlich niedrigeren Preisen. Bei einigen soll die Preisspanne zwischen 130 und 180 Euro pro MWh gelegen haben; andere hätten sogar noch günstiger eingekauft. Wenn sie im Oktober nicht nachweisen müssen, dass sie das Erdgas tatsächlich erst im Oktober gekauft haben, dann wäre es ihnen möglich, auch ihre früheren Einkäufe abzurechnen. Je höher der aktuelle Monatspreis ist, desto höher wäre ihr Extraprofit.

„Das wäre dann ein doppelter Gewinn“, sagen laut Handelsblatt mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen. Bestätigt wird das durch eine auf Energierecht spezialisierte Anwältin, die erklärte, an dieser Stelle sei die Verordnung tatsächlich nicht klar formuliert. Ein so wichtiger Aspekt müsste es aber sein, schließlich gehe es um Milliarden von Euro der Verbraucher/innen.

Mehrkosten durch steigende Gaspreise

Die Mehrkosten für die Haushalte beschränken sich aber nicht auf die Gasumlage. Je nachdem zu welchen Preisen die Stadtwerke Erdgas einkaufen können, ergeben sich mitunter deutlich höhere Kostensteigerungen.

Ein Beispiel aus Cottbus, hier bereiten die Stadtwerke ihre Kund/innen auf Mehrkosten von über 4.000 Euro im kommenden Jahr vor. Auf Anfrage erklärte eine Sprecherin, die Einkaufspreise hätten bis Mitte 2021 bei rund 2,1 Cent je Kilowattstunde gelegen. Für das Jahr 2023 gingen sie dagegen in Richtung 20 Cent je kWh. Bei einem angenommenen Verbrauch von 15.000 kWh ergäben sich damit Mehrkosten – inklusive aller Steuern und Abgaben – von 4.100 Euro. Bei einem Jahresverbrauch von 10.000 kWh seien es 2.737 Euro.

Die Kosten für die Haushalte werden maßgeblich davon beeinflusst, in welchem energetischen Zustand sich ihre Häuser befinden. Das Forschungsinstitut für Wärmeforschung (FIW) München hat das in einer aktuellen Studie verdeutlicht, je nach Preisniveau für Raumwärme und Modernisierungszustand.

Bei Energiekosten von 20 Cent je Kilowattstunde belaufen sich die jährlichen Heizkosten in einem sehr gut gedämmten Haus (KFW 55) bei einer Wohnfläche von 160 Quadratmetern auf 1.120 Euro. Ist das Haus dagegen nicht gedämmt, müssten die Bewohner/innen 9.600 Euro für die Heizkosten aufbringen. Steigen die Energiepreise auf 25 Cent je kWh, wird die Differenz noch größer: In dem KFW55-Haus müsste man dann 1.400 Euro pro Jahr berappen; in einem ungedämmten Haus wären es schon 12.000 Euro.

Ähnlich verhält es sich mit Mietwohnungen. In den Effizienzklassen F, G oder H steigen die Heizkosten in diesem Jahr um bis zu 3.375 Euro bei einer Wohnfläche von 90 Quadratmetern. In einer ungedämmten Wohnung könnten die Heizkosten damit auf über 5.600 Euro steigen.

 

Bernd Müller ist Umweltingenieur und arbeitet seit zehn Jahren als freier Journalist. Er schreibt für junge Welt, Telepolis und andere Zeitungen über wirtschaftliche und soziale Themen sowie zu Umwelt- und Klimaschutz.


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