Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 422 / Februar 2022

Handschrift der FDP

Die Mietenregulierung ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung kein Thema

Von Rainer Balcerowiak

Die Wohnungspolitik hat nicht nur in Berlin, sondern auch beim Wahlkampf für den neuen Bundestag eine wichtige Rolle gespielt. Im Wahlkampf haben SPD, Grüne und Die Linke in ihren Programmen ein Umsteuern in der Wohnungspolitik und auch weitergehende Mietenregulierungen skizziert. Zwei dieser drei Parteien sind jetzt auch in der neuen Bundesregierung vertreten, doch der mieten- und wohnungspolitische Teil des Koalitionsvertrages trägt ziemlich deutlich die Handschrift des dritten Partners – der FDP, die stets als radikale Lobbypartei der Immobilienwirtschaft positioniert war und ist. 

Besonders in Groß- und vielen Mittelstädten sowie den entsprechenden Ballungsräumen hat vor allem der Mangel an bezahlbaren Wohnungen und die weitgehend ungebremste Mietenexplosion zu großen sozialen Verwerfungen geführt. Die von der alten Bundesregierung auf den Weg gebrachten, halbherzigen Regulierungen haben kaum Wirkung gezeigt, das betrifft besonders die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen. Der Wohnungsneubau im bezahlbaren Segment blieb weit hinter den Ankündigungen zurück. Zudem haben zwei höchstrichterliche Urteile zum Berliner Mietendeckel und zum kommunalen Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten die Eingriffsmöglichkeiten der Länder und der Kommunen weiter eingeschränkt. 

Mietpreisstopp nicht in Sicht

Hatten SPD und Grüne im Wahlkampf noch eine Verschärfung der Mietpreisbremse gefordert, ist nun davon im Koalitionsvertrag keine Rede mehr. Auch ein nur zeitlich befristeter Mietenstopp oder Mietendeckel in Gebieten mit angespannter Wohnungsmarktlage ist kein Thema mehr. Vielmehr einigten sich die Koalitionäre darauf, „die geltenden Mieterschutzregelungen zu evaluieren und zu verlängern“. Als kleine Fortschritte aus Sicht von Mieter/innen können lediglich die vereinbarte Absenkung der Kappungsgrenze für Kaltmietenerhöhungen von 15 auf 11% in drei Jahren und die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für Mietspiegel gewertet werden. Diese sollen künftig auf Mietverträgen der letzten sieben Jahre basieren. Doch diese Trippelschritte können die erheblichen Mehrkosten, die auf viele Mieter/innen durch die Umlagen von energetischen Modernisierungen und die erhöhten Preise für CO2-Emissionen zukommen, nicht mal ansatzweise kompensieren.

Konsequenzen aus den beiden erwähnten Urteilen, die in Form von Gesetzesänderungen gezogen werden müssten, sind ebenfalls nicht zu erwarten. Der an der fehlenden Länderkompetenz gescheiterte Berliner „Mietendeckel“ wird mit keinem Wort erwähnt. Derart durchgreifende Regulierungen wird es vor allem mit der FDP nicht geben, obwohl – etwa durch eine Ermächtigungsklausel für die Länder im Baugesetzbuch – durchaus verfassungskonforme Wege existieren. Und zur gerichtlichen Aushebelung des Vorkaufsrechts der Kommunen heißt es lediglich: „Wir werden prüfen, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt“. Das heißt von Politsprech ins Deutsche übersetzt: Wir beerdigen die Angelegenheit.

Herzstück des wohnungspolitischen Teils des Koalitionsvertrags ist der Neubau. Die Ziele klingen zunächst einigermaßen ambitioniert. „Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Dafür werden wir die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau fortführen und die Mittel erhöhen.“ Allerdings fehlt jegliche Unterfütterung mit konkreten Zahlen, zumal bereits die letzte Bundesregierung mit ihren vollmundigen Neubauankündigungen grandios gescheitert ist, besonders im Bereich der geförderten, bezahlbaren Wohnungen. Außerdem soll ein Teil dieser Fördermittel für die „soziale Eigenheimförderung“ verwendet werden. Wie sich die 100.000 geförderten Wohnungen zwischen Sozialwohnungen und Eigenheimen aufteilen, lässt der Koalitionsvertrag offen. In der letzten Legislaturperiode wurden Eigenheime dreimal stärker gefördert als Sozialwohnungen.

Offensichtlich ist auch, dass das alte, aus wohnungspolitischer Sicht gescheiterte Fördersystem für den sozialen Wohnungsbau nicht angetastet werden soll. „Im alten Fördersystem zu verharren bedeutet jedoch, das Problem auslaufender Bindungen auch zukünftig fortzusetzen. Eine Möglichkeit zur Änderung des Fördersystems hätte darin bestanden, die Fördergelder für den sozialen Wohnungsbau nur noch gemeinnützigen Wohnungsunternehmen zu geben. Jedoch ist davon im Koalitionsvertrag keine Rede“, bewertet Caren Lay, Sprecherin des Linksfraktion im Bundestag für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik, die Pläne. Scheinbar ein Zugeständnis der FDP ist die vereinbarte „Prüfung“ der Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, was von der wirtschaftsliberalen Partei bislang kategorisch abgelehnt wurde. Doch auch das ist für Lay eine Mogelpackung. „Aufhorchen lässt die Ankündigung, die ‚etablierte Wohnungswirtschaft‘ durch die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit nicht zu benachteiligen. Dabei wäre eine Bevorteilung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, etwa bei der Vergabe der Gelder des sozialen Wohnungsbaus und von Grundstücken, ein wichtiger Anreiz, damit Wohnungsunternehmen sich unter den Schirm der Gemeinnützigkeit stellen. Zudem ist weder eine Begrenzung auf die Kostenmiete noch die Höhe der Gewinndeckelung im Rahmen der Wohngemeinnützigkeit Teil des Koalitionsvertrags. Beides waren jedoch die Kernbestandteile der alten Gemeinnützigkeit. Es bleibt zu befürchten, dass die neue Wohngemeinnützigkeit eine wirkungslose Randerscheinung in der Wohnungspolitik bleiben wird“, so Lay.

Sprechblasen statt Maßnahmen

Weitere, nicht weiter spezifizierte Förderprogramme soll es „für studentisches Wohnen, für junges Wohnen und Wohnen für Auszubildende“ geben. Subsumiert werden diese weitgehend substanzlosen Ankündigungen, die zudem unter dem allgemeinen „Finanzierungsvorbehalt“ stehen, in einer fulminanten Sprechblase: „Wir werden eine Bau- und Investitionsoffensive starten, die die Voraussetzungen schafft schnell und günstig zusätzlichen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten, und dadurch sowohl der Bau- und Immobilienwirtschaft langfristige Planungsperspektive als auch den Mieterinnen und Mietern Sicherheit gibt. (...) Wir werden ein ‚Bündnis bezahlbarer Wohnraum‘ mit allen wichtigen Akteuren schließen. Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik (…) erzeugen“. Sehr konkret ist dagegen ein Geschenk an die Immobilienwirtschaft: Die Steuerabschreibung bei Neubauten wird von zwei auf drei Prozent pro Jahr angehoben. In der letzten Legislaturperiode hatten sich SPD und Grüne noch vehement dagegen ausgesprochen.

Interessant ist auch, was alles nicht im Koalitionsvertrag steht. Das betrifft zum einen den Mieterschutz. Es sind keinerlei konkrete Einschränkungen bei Eigenbedarfskündigungen und keine Maßnahmen gegen Zwangsräumungen aufgeführt. Doch das wäre eine der Grundvoraussetzungen, um den Plan zur „Überwindung der Wohnungslosigkeit“ umsetzen zu können. 

Das Gewerbemietrecht, dessen Funktion als Verdrängungstreiber in Innenstädten hinlänglich bekannt ist, bleibt im Koalitionsvertrag gänzlich unerwähnt. Und als „völlig unzureichend“ bewertet Lay den Vertrag auch in Sachen Bodenpolitik: „Er enthält keinerlei Maßnahmen gegen die Bodenpreisexplosion. Spekulative Gewinne oder generelle Bodenwertzuwächse sollen nicht der Allgemeinheit zugeführt werden, sondern verbleiben in privater Hand. Auch weitere wichtige Forderungen, wie zum Beispiel einen Bodenfonds, die Erleichterung von Erbpacht oder wenigstens eine Enquetekommission zur Bodenpolitik werden im Koalitionsvertrag gänzlich außen vor gelassen.“ Zudem konnten sich die Ampelparteien nicht über eine Streichung der Spekulationsfrist bei privaten Immobilienverkäufen einigen. Hier bleibt der Verkauf nach zehn Jahren steuerfrei.

Angesichts der Regierungskonstellation war allerdings auch kaum etwas anderes zu erwarten. Im Bundestag sitzt mit den Linken nur noch eine deutlich gerupfte Oppositionspartei, die Forderungen der Mieterbewegung teilweise vertritt. Umso mehr kommt es in den kommenden Jahren auf den außerparlamentarischen Widerstand an.      

 


MieterEcho 422 / Februar 2022

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