Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 428 / November 2022

Geldsegen für Investoren

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) will die Wohnungsbauförderung an die Bedürfnisse privater Bauherren anpassen

Von Philipp Möller

Um künftig mehr private Unternehmen für den sozialen Wohnungsbau zu gewinnen, werden die Konditionen der Wohnungsbauförderung renditeträchtiger gestaltet. Dennoch ist eine stärkere Beteiligung privater Investoren am geförderten Neubau fraglich.

Seit 2014 bietet das Land Berlin wieder ein Förderprogramm für den Neubau von Sozialwohnungen an. Darin werden zinslose Baudarlehen und Zuschüsse für Bauherren bereitgestellt, die im Gegenzug temporär mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen erstellen sollen. Seit 2014 wurden die Förderbedingungen immer wieder angepasst. Bisher wurden seitdem insgesamt 16.080 neue Wohnungen gefördert, davon sind laut dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) rund 8.300 Wohnungen bezugsfertig. Der Wiedereinstieg in die Wohnungsbauförderung verlangsamte das Absinken des Bestands, jedoch fallen allein in den kommenden vier Jahren etwa 20.000 Sozialwohnungen aus der Bindung. Derzeit stehen rund 97.000 Sozialwohnungen 969.000 Berliner Haushalten mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) gegenüber. 

Bereits 2017 beschloss die rot-rot-grüne Koalition, jährlich 5.000 neue Wohnungen zu fördern.  Tatsächlich wurden in den vergangenen 5 Jahren durchschnittlich nur 2.540 Sozialwohnungen pro Jahr bewilligt. 2021 brach der geförderte Wohnungsbau schließlich massiv ein. Die Zahl der Genehmigungen lag 2021 nur noch bei einem Drittel der Genehmigungen des Jahres 2020. Die Fertigstellungen sanken von 2.279 Wohneinheiten auf 1.212. Zur Begründung verwies die Wohnungswirtschaft auf „unwirtschaftliche“ Bedingungen der Wohnungsbauförderrichtlinie von 2019 (WFB 2019), welche angesichts der hohen Bau- und Grundstückskosten nicht lukrativ genug sei, um im geförderten Segment zu investieren. 

Tatsächlich stiegen die Baukosten laut Baukostenindex innerhalb des vergangenen Jahres um 14,5% und die Bodenwerte für unbebaute Grundstücke für den Geschosswohnungsbau explodierten laut Gutachterausschuss um bis zu 25%. Hinzu kommt, dass die zinslosen Förderkredite angesichts des niedrigen Zinsniveaus der letzten Jahre kaum Vorteile brachten, da Bauherren auch auf normale Baukredite kaum Zinsen zahlen mussten. Aus Verwertungsperspektive war es daher schlicht attraktiver, freifinanzierte Mietwohnungen und Eigentumsobjekte mit hohen Renditen zu bauen als 30 Jahre lang gebundene Sozialwohnungen.

Attraktivere Konditionen für Investoren

In der Folge des privaten Investitionsstreiks errichteten nahezu ausnahmslos die landeseigenen Wohnungsunternehmen neue Sozialwohnungen. 88,3% der geförderten Wohnungen wurden seit 2014 von den Städtischen gebaut. Die öffentlichen Unternehmen sind durch die politischen Vorgaben der Kooperationsvereinbarung dazu verpflichtet, bei Neubauten 50% geförderte Wohnungen zu errichten. Dabei hat der Neubau von Sozialwohnungen durch städtische Wohnungsbaugesellschaften einen entscheidenden Vorteil: Die geförderten Wohnungen sind auch nach Auslaufen des Förderungszeitraums belegungs- und mietpreisgebunden, solange der Senat seine Wohnungsbaugesellschaften entsprechend steuert. 

Derzeit müssen die Landeseigenen bei Neuvermietungen 63% der Wohnungen an Haushalte in den WBS-Einkommensgrenzen vergeben, unabhängig davon, ob die Wohnung gefördert wird oder nicht. Auch die Mieten sind bei den Landeseigenen weit umfassender reguliert als bei anderen Wohnungsunternehmen. Im Gegensatz dazu können private Investoren ehemalige Sozialwohnungen nach dem Auslaufen des Förderzeitraums maximal verwerten. Im Koalitionsvertrag der neuen rot-grün-roten Koalition blieb das Ziel von 5.000 Förderbewilligungen pro Jahr erhalten. Zudem wurde eine Überarbeitung der Förderkonditionen und eine Aktivierung des zweiten Förderwegs der Wohnungsbauförderung vereinbart. Dieser zielt auf die untere Mittelschicht mit Einkommen von bis zu 180% der WBS-Einkommensgrenzen. Ganz im Sinne seines investorenfreundlichen Rollbacks in der Wohnungspolitik setzt Bausenator Andreas Geisel (SPD) auf private Akteure, um den geförderten Wohnungsbau auszuweiten. Um den geförderten Wohnungsbau für das Kapital attraktiver zu gestalten, stockte die Koalition das Förderprogramm im neuen Haushalt von bislang jährlich 500 Millionen auf 740 Millionen Euro deutlich auf. Künftig sollen die Fördersummen im Rahmen einer jährlichen Evaluation an die Entwicklung der Baukosten angepasst werden. Zum Start dieser Dynamisierung wurden die zinslosen Baudarlehen in der WFB 2022 gegenüber der alten Förderrichtlinie nahezu verdoppelt. Zum ersten Mal wurde auch für den zweiten Förderweg ein Tilgungsverzicht in Höhe von 25% des ausgezahlten Darlehens eingeführt. Das heißt, Bauherren kriegen ein Viertel der Förderdarlehen vom Land erlassen. Beim Fördermodell I sind es sogar 35%. 

Auch die Einstiegsmieten werden angehoben, um die Rentabilität des Programms zu steigern. Im ersten Fördersegment steigen sie zunächst nur moderat von 6,50 Euro/qm auf 6,60 Euro/qm, werden aber künftig jährlich um 10 Cent angehoben. Im Fördermodell II ziehen die Einstiegsmieten deutlicher von 8,20 Euro/qm auf 9 Euro/qm an. Der Fokus der Förderung liegt vorerst weiter auf dem ersten Förderweg für Haushalte mit Einkommen bis zu 140% der WBS-Einkommensgrenzen. 80% der bereitgestellten Mittel sind dafür vorgesehen. Jedoch möchte die SPD mittelfristig einen deutlich größeren Anteil für den zweiten Förderweg bereitstellen. Ganz im Sinne der Investorengewinnung wurde der Bindungszeitraum trotz der großen Geldgeschenke nicht verlängert, obwohl das im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Neben besseren Förderkonditionen pocht die private Wohnungswirtschaft auf die Bereitstellung öffentlicher Grundstücke, um sich beim sozialen Wohnungsbau zu engagieren. Aktuell schließt zwar der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken eine Privatisierung von Liegenschaften aus, jedoch zeigte sich Geisel bereits in anderen Fragen sehr kreativ bei der Auslegung der Vereinbarung, wenn es um Leckerbissen für das Immobilienkapital ging.

Sozialer Wohnungsbau am Scheideweg

Die neue Richtlinie gilt vorerst nur ein Jahr, parallel soll eine Arbeitsgruppe mit Vertreter/innen der Senatsverwaltung und der Immobilienwirtschaft weitere Vorschläge für eine attraktivere Wohnungsbauförderung erarbeiten. Mario Hilgenfeld vom BBU machte in einer Anhörung zum sozialen Wohnungsbau im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses deutlich, dass die Wohnungswirtschaft sich am liebsten vollkommen von der Wohnungsbauförderung in der jetzigen Form verabschieden würde und stattdessen Kombinationen aus Subjekt- und Objektförderung anstrebt. 

Für die Unternehmen wäre das ein gutes Geschäft. Sie müssten nicht mehr billige Sozialwohnungen errichten, die sie erst nach Auslaufen der Bindung profitabel verwerten können. Stattdessen könnten sie künftig direkt teure Wohnungen bauen und bekämen anschließend, je nach Einkommen der Mieter/innen, weitere Zuschüsse vom Staat, um die Mieten weiter herunterzusubventionieren. Vorbild dafür ist das Wohngeld, das die Wohnungswirtschaft schon lange als bessere Alternative zum ungeliebten sozialen Wohnungsbau propagiert. Die Chancen für noch investorenfreundlichere Modelle im sozialen Wohnungsbau stehen derweil nicht schlecht. Eine ähnliche Förderung, wie sie der BBU nun vorschlägt, gab es bereits kurzzeitig 2015 für den zweiten Förderweg 2015, während der ersten Amtszeit von Andreas Geisel als Stadtentwicklungssenator. Jedoch könnte Geisels Traum vom sozialen Wohnungsbau von privater Hand nicht nur wegen der möglichen Wiederholungswahl bald schon wieder ausgeträumt sein. Angesichts des extrem volatilen Marktumfeldes erweist sich die private Wohnungswirtschaft derzeit als wenig verlässlich. So zieht sich Vonovia, die sich der Politik in der Vergangenheit als Partner beim sozialen Wohnungsbau anbot, weitgehend aus dem Neubau zurück. Insgesamt steht der private Wohnungsbau aufgrund steigender Zinsen, hoher Baukosten und Material- und Fachkräfteknappheiten vor einem starken Einbruch in den kommenden Jahren. Ein Gradmesser für die Bereitschaft der Privaten, sich stärker beim sozialen Wohnungsbau zu engagieren, wird der Mittelabfluss aus der neuen Förderrichtlinie im kommenden Jahr sein. Angesichts des enormen Fördermittelaufwands pro temporär gebundener Wohnung wird die Debatte um Alternativen zur Förderung von Privaten spätestens dann wieder an Fahrt gewinnen.  


MieterEcho 428 / November 2022

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