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MieterEcho 427 / Oktober 2022

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

die Ernennung von Petra Kahlfeldt im Dezember letzten Jahres zur Nachfolgerin von Regula Lüscher als Senatsbaudirektorin löste in der Berliner Fachwelt empörte Überraschung aus. Die Zeitschrift ARCH+ bezeichnete sie als eine Kampfansage an eine soziale und ökologische Stadtpolitik. Von der Architektenkammer Berlin und dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) Berlin wurde zuvor eine Findungs- und Auswahlkommission vorgeschlagen, ohne Erfolg. Frau Kahlfeldt hatte als Architektin Villen für eine zahlungskräftige Bauherrenschaft mit mäßigem Geschmack errichtet. Uwe Rada beschrieb in der taz die Ergebnisse ihres Wirkens: „Ein Säulchen da, ein Ziergiebelchen dort, dazu noch ein Simschen – und fertig ist die Kahlfeldt-Villa.“ Von größerer Bedeutung für ihre Wahl war aber ihre Nähe zu dem privatisierungswütigen ehemaligen Senatsbaudirektor Hans Stimmann, zu deren Vertrauten sie seinerzeit gehört hatte, sowie ihr gutes Verhältnis zu den Kreisen um die Planungsgruppe Stadtkern. Dort kämpft man seit Jahren für die Wiedererrichtung des historischen Zentrums zum Zwecke der Eigentumsübertragung kleinteiliger Parzellen mitten in Berlin an ein betuchtes Bürgertum.

Die ARCH+ war im Dezember der Meinung:

„Petra Kahlfeldt steht nicht für:
- eine am Gemeinwohl orientierte soziale Stadt
- nachhaltige, klimagerechte Stadtentwicklung
- die Gestaltung der Mobilitätswende
- ökologisches Bauen
- bezahlbaren und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau
- partizipative Planungsprozesse
- eine Offenheit für die Diversität einer Metropole
- internationale Vernetzung.“

Wie sehr Frau Kahlfeldt dieser Einschätzung gerecht wird, zeigen schmerzhaft die aktuellen Vorgänge um die Neugestaltung des Molkenmarkts. Von der Jury wurden zwei Planungsentwürfe ausgewählt. Die Entscheidung sollte im September fallen. Beide Entwürfe entsprachen weitgehend den sozialen und ökologischen Vorgaben, doch offenbar nicht den Wünschen von Frau Kahlfeldt. Kurzerhand verwandelte sie die Entscheidung der Jury in eine unverbindliche Empfehlung und behält sich offenbar vor, die Gestaltung in Eigenregie durchzuführen.

Ihr MieterEcho


MieterEcho 427 / Oktober 2022