„Wohnraum darf keine Ware sein“
Das Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn mobilisiert zur großen Mietendemo am 11. September in Berlin
Interview mit Kim Meyer
MieterEcho: Was ist das Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn, seit wann gibt es dieses?
Kim Meyer: Das Bündnis ist ein Zusammenschluss aus zahlreichen Mieteninitiativen, kämpfenden Hausgemeinschaften, mietenpolitischen Gruppen und Mieter/innen, die die Situation auf dem Wohnungsmarkt so nicht mehr hinnehmen wollen und sich gemeinsam organisieren. Das Bündnis hat sich 2017 gegründet, um eine große, gemeinsame Mietendemonstration zu organisieren. Das haben wir 2018 mit unserer ersten Demonstration mit über 25.000 Mieter/innen geschafft. Aber wir unterstützen uns auch gegenseitig in unseren Kämpfen um Wohnraum und gegen Verdrängung und organisieren viele unterschiedliche Proteste und Aktionen gegen Immobilienspekulation in Berlin.
Wie kam es zu der Gründung?
Die Idee entstand in der Kiezversammlung Kreuzberg, um unsere Schlagkraft im Kampf gegen Verdrängung und hohe Mieten zu erhöhen. Damals nahmen hunderte Leute an den Versammlungen teil und die Motivation war sehr groß, eine gemeinsame Demonstration zu organisieren. Mittlerweile ist unser Bündnis zu einem eingespielten, dauerhaften Zusammenhang geworden.
Was haben Sie bisher gemacht?
Die meisten Berliner/innen erinnern sich wahrscheinlich an die großen Mietendemonstrationen von 2018 und 2019 mit über 25.000 bzw. 40.000 Menschen. Es waren sehr starke, bunte, laute und widerständige Demonstrationen. Wir organisieren aber auch kleinere Kundgebungen, unterstützen Hausgemeinschaften, die sich gegen ihren Hausverkauf wehren, oder gehen auch spontan auf die Straße, wie nach der Verkündung des Urteils gegen den Mietendeckel, als wir innerhalb weniger Stunden 25.000 Berliner Mieter/innen mobilisieren konnten.
Was sind Ihre Forderungen?
Der gemeinsame Grundsatz ist, dass Wohnraum keine Ware sein darf. Konkret fordern wir unter anderem das Verbot von Zwangsräumungen und Eigenbedarfskündigungen, den Schutz von Kleingewerbe und die Enteignung großer Wohnungskonzerne, wobei wir eine entschädigungslose Enteignung für angemessen halten, weil genau diese Konzerne mit unseren Mieten seit Jahrzehnten fette Gewinne erzielen.
Die Berliner MieterGemeinschaft fordert seit Jahren einen kommunalen Wohnungsbau mit günstigen Mieten, der dauerhaft in öffentlicher Hand verbleibt. Wie stehen Sie dazu?
Kommunaler Neubau allein kann das Problem nicht lösen. Wir brauchen vor allem Lösungen für den Schutz des Bestandes. Der ist durch unsere Miete bereits mehrfach abbezahlt und somit wesentlich günstiger als Neubau. Außerdem können wir ja nicht alle umziehen. Wohin denn und warum auch? Neubau ist oft sehr teuer und steht dann lange leer. Das Problem ist also grundsätzlicher und liegt nicht primär am Wohnungsmangel, sondern an der Spekulation mit Wohnraum. Solange Wohnen nicht als unser aller Grundbedürfnis anerkannt und geschützt wird, werden immer weiter steigende Mieten und Verdrängung unsere Realität sein. Deswegen unterstützen wir grundsätzlich alle Modelle einer gemeinwohlorientierten Verwaltung von Wohnraum. Dazu gehören Genossenschaften und Modelle der Selbstverwaltung, beispielsweise das Mietshäusersyndikat, und natürlich auch kommunaler Neubau, sofern er streng gemeinwohlorientiert konzipiert ist.
Was planen Sie als nächstes und wie kann man bei Ihnen mitmachen?
Wir vernetzen uns seit einigen Jahren bundesweit. Für den 11. September planen wir mit Mitstreiter/innen aus anderen Städten sowie Verbänden und Gewerkschaften eine große Mietendemonstration in Berlin. Wir als Mietenwahnsinnbündnis fordern einen bundesweiten Mietendeckel und die Enteignung großer Wohnungskonzerne. Wer Lust hat, uns in der Vorbereitung zu unterstützen, ist herzlich zu unseren wöchentlichen Treffen in den „Kiezanker 36“ eingeladen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Andreas Hüttner.
Wöchentliches Treffen: Jeden Dienstag, 19 Uhr, Kiezanker 36 (im Garten), Cuvrystraße 13/14, 10997 Berlin, Website: www.mietenwahnsinn.info, E-Mail: mail@mietenwahnsinn.info
MieterEcho 419 / August 2021