Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 421 / Dezember 2021

Von Malmö in die Welt

Das Wohnungsunternehmen Heimstaden auf Expansionskurs in Europa

Von Defne Kadioglu

Bei der Übernahme von Akelius in Deutschland scheint Heimstaden auf zukünftige Wertsteigerungen zu setzen. Auf große finanzielle Rücklagen kann sich das Unternehmen hingegen nicht stützen. In Schweden bleibt der Protest gegen hohe Mieten bei Heimstaden noch verhalten, aber könnte bald zunehmen.

Heimstadens Firmengeschichte beginnt in der südschwedischen Hansestadt Malmö. Das 1998 von norwegischen Investoren gegründete Unternehmen startete dort mit 2.260 Wohnungen. 2005 wurde Heimstaden dann von der norwegischen Firma Fredensborg AS akquiriert. Vorstand ist der Finanzier Ivar Tollefsen. Der exzen-trische Milliardär ist auch bekannt durch seine Antarktisexpeditionen und leitet sein Imperium inzwischen mit mehreren Tochterunternehmen gemeinsam mit seinem Sohn. Kurz nach dem Wechsel zu Fredensborg expandierte der Konzern – allerdings zunächst nur nach Stockholm. 2013 wurde Heimstaden Bostad gegründet (wortwörtlich: Heimstaden Residenz). Dieses Unternehmen ist im gemeinsamen Besitz von Fredensborg und drei schwedischen Pensionsfonds. Vor allem der Pensionsfonds Alecta stellt einen großen Teil des Kapitals für Heimstaden zur Verfügung.  

In den letzten Jahren expandierte Heimstaden weiter nach Europa, 2018 auch nach Deutschland. Heimstaden besitzt inzwischen etwa 116.000 Wohnungen in zehn nord- und zentraleuropäischen Ländern. Die letzte Akquisition von Heimstaden – die Übernahme von 599 Immobilien mit knapp 29.000 Mieter/innen von dem Schwedischen Wohnungsunternehmen Akelius – verdient allerdings besondere Aufmerksamkeit. 

Mega-Deal auf dünnem Eis

9,1 Milliarden Euro hat der skandinavische Konzern für den deutschen, schwedischen und dänischen Häuserbestand des börsennotierten Unternehmens Akelius hingeblättert. Akelius selbst hatte das Portfolio zuvor auf nur etwa 7,5 Milliarden Euro geschätzt. Heimstaden hat somit einen erstaunlich hohen Preis gezahlt. Angesichts dieses saftigen Angebots stellt sich die Frage, wie der skandinavische Konzern das Ganze gegenfinanzieren will.

Nach der Akquisition wird Heimstadens Gesamtwert nun mit knapp 27,5 Milliarden Euro angegeben. Das ist eine Wertsteigerung um ein Drittel. Allerdings verheißt ein Blick in die Geschäftsberichte des Konzerns nichts Gutes: Heimstaden- und Akelius-Immobilien sind vor allem in größeren Städten und in zentralen Lagen bzw. Bezirken mit erkennbarem Aufwärtstrend und einsetzender Gentrifizierung vorzufinden. Das Problem ist, dass Heimstaden sich stark – wie es im Wirtschaftsjargon heißt – auf „unrealisierte Wertsteigerungen“ verlässt. Der Jargon täuscht, denn eigentlich ist die Sache ganz einfach: Realisiertes Kapital ist das Kapital, das ein Wohnungskonzern durch einen tatsächlichen Verkauf des Bestandes oder etwa durch Mieteinnahmen erhalten würde. Unrealisierte Wertsteigerungen sind in diesem Fall marktabhängige Steigerungen des Bestandswerts. Das geht dann zum Beispiel auch ganz ohne Modernisierungen, wenn etwa eine Lage in der Stadt durch neue Verkehrsanbindungen attraktiver wird. An sich ist das nicht ungewöhnlich: So funktioniert die Finanzialisierung, denn selbstverständlich wären ohne diese Form von Spekulation und antizipiertem Gewinn diese Mega-Deals gar nicht zu machen. Allerdings scheint die Gegenfinanzierung bei Heimstaden eher unklar zu sein. Dies zeigt die Analyse eines renommierten schwedischen Ökonomen. Am 30. September 2021 beschreibt Per Lindvall auf der Website der Wirtschaftszeitung Realtid den Zahlungsstrom des Konzerns als „unbeeindruckend“. Demnach ist der angestiegene Portfoliowert Heimstadens – nun etwa auf dem Niveau des Portfolios der Deutsche Wohnen – eine Frage der Kalkulation und abhängig davon, wie man die Finanzen des Konzerns bewertet. Im Rückschluss bedeutet das, dass der Konzern sich nach dem Akelius-Deal vermutlich auf relativ dünnem Eis bewegt und sich zurzeit vor allem auf antizipierte Gewinne und nicht so sehr auf finanzielle Rücklagen verlässt.

Heimstadens Strategie ist Teil eines generellen Trends im Bereich der Wohnungsfinanzialisierung: Immer häufiger agieren private Wohnungsunternehmen auf der Basis von immer größer werdenden Krediten und Schuldenbergen. Möglich ist dies auch, weil in vielen Ländern Wohnungsunternehmen bei der Kreditaufnahme eben nicht wie Privatpersonen reguliert werden. Was die Mieter/innen von diesem möglichen Finanzierungsproblemen Heimstadens zu spüren bekommen könnten, ist unklar und kann nur spekuliert werden. Eine Möglichkeit wäre, dass Heimstaden einen größeren Teil des eigenen Portfolios modernisiert, um Mieterhöhungen zu legitimieren. Eine andere Möglichkeit wäre die langfristige Vernachlässigung von Instandhaltung.

Fliegen unter dem Radar 

Neben Kreditschulden und Zahlungsströmen liegt ein weiteres Risiko für Heimstaden in der zunehmenden europäischen und globalen Diskussion um die Privatisierung und Finanzialisierung von Mietwohnungen. Wie das schwedische Mietermagazin Hem & Hyra (Haus & Miete) am 19. Juni 2019 auf seiner Website berichtet, haben Mietervereine in den nördlicheren Regionen Schwedens bereits Probleme gemeldet. Demnach sei Heimstaden verantwortlich für stark steigende Mieten im spärlich bewohnten Norrland. In Schweden handeln kommunale und private Eigentümer die Mieten jährlich mit den jeweiligen Mietervereinen aus. Dies führt meist zu relativ moderaten Steigerungen. Allerdings wollte sich Heimstaden offenbar in einem Fall mit dem regionalen Mieterverein partout nicht einig werden, sodass der Konzern am Ende die Miete selbst bestimmen konnte. Es ging dabei um modernisierte Wohnungen und heftige Mietsteigerungen.

Angesichts dieser aggressiven Verhandlungsstrategie ist es eher verwunderlich, dass es Heimstaden, abgesehen von einzelnen Berichten, bisher kaum in die schwedischen Schlagzeilen schaffte. Während Vonovias schwedische Ableger Hembla und Victoria Park (inzwischen vereint als Victoriahem) immer häufiger kritisiert werden und auch schon Nachbarschaftsproteste inspiriert haben, wird in Schweden (noch) relativ wenig über Heimstaden debattiert. Das hat mehrere Gründe: Zum einen hat Heimstaden, anders als Vonovia und ähnlich wie zuvor Akelius, Wohnungen in verschiedenen, oft zentralen, Teilen der Stadt. Das Kaufverhalten des Konzerns in Städten wie Malmö oder Stockholm ist also ähnlich wie in Berlin. Da der Bestand über die Metropolen und größeren Städte verstreut ist, ist es allerdings auch schwieriger eine kollektive Mobilisierung zu generieren. Bei der Vonovia ist das anders: Der Bochumer Konzern hat sich in Schweden vor allem in die von der Arbeiterklasse bewohnten städtischen Vororte eingekauft und besitzt damit größere, zusammenhängende Immobilien in bestimmten Nachbarschaften. Das gibt dem Konzern aus dem Ruhrpott zwar viel politischen und wirtschaftlichen Handlungsspielraum, macht es allerdings auch einfacher für Mieter/innen, gemeinsame Ziele zu setzen.  

Zielgruppe junge Leute

Zudem verfolgt Heimstaden nach eigenen Aussagen eine Diversifizierungsstrategie: nicht jede Wohnung wird umgehend modernisiert. Manche bleiben zu günstigeren Preisen auf dem Markt. Auch das bricht potenziellen Widerstand. Dazu kommt, dass gerade viele junge Leute in Schweden große Schwierigkeiten haben Mietwohnungen zu finden. Es gibt eine Warteliste, die sich häufig über mehrere Jahre erstreckt. Nach meiner persönlichen Kommunikation mit Mieter/innen aus Malmö ist es aber anscheinend einfacher und schneller an bereits modernisierte Wohnungen von Heimstaden zu kommen – wenn man sie sich denn leisten kann. Das bedeutet, dass es vor allem das urbane, junge und relativ gut situierte Milieu ist, das sich zurzeit überhaupt bei Heimstaden einmieten kann. 

In Berlin gelingt der Protest allerdings trotzdem, was uns zum letzten Grund bringt: in Schweden sind Mieterproteste, im Vergleich zu Deutschland, insgesamt noch relativ verhalten. Obwohl der Wohnungsmarkt schon lange recht international ist und die ersten kommunalen Bestände schon in den 1990ern veräußert wurden, werden erst in den letzten Jahren Themen wie Finanzialisierung und Privatisierung von einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Das Vertrauen der Schwed/innen in den Staat ist hoch und demnach kommt es vielen Schwed/innen womöglich auch gar nicht in den Sinn, dass dieser womöglich nicht in ihrem Interesse handelt. Allerdings gibt es bei den Skandinavier/innen ein Umdenken, welches sehr wahrscheinlich auch Heimstaden im Norden bald unter vermehrten Druck setzen wird. 

 

Defne Kadioglu ist Sozialwissenschaftlerin und seit 2019 Postdoktorantin am Institut für Stadtforschung der Universität Malmö.


MieterEcho 421 / Dezember 2021

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