Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 420 / September 2021

Für Transparenz und Rekommunalisierung

Der Berliner Wassertisch initiierte 2007 eines der wenigen letztendlich erfolgreichen Volksbegehren


Von Carl Waßmuth

Im September wird in Berlin wieder ein Volksentscheid durchgeführt: „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ tritt in die Fußstapfen des erfolgreichen Volksentscheids zum Berliner Wasser vor zehn Jahren. Was können Bürgerinitiativen mit direkter Demokratie erreichen?

Der 1999 besiegelte Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe war die zum damaligen Zeitpunkt größte Privatisierung in Europa. Dennoch wurde sie von der rot-schwarzen Koalition durchgepeitscht, nur zwei Abgeordnete der Regierungsfraktionen stimmten bei der Grundsatzentscheidung dagegen. Auflagen des Landesverfassungsgerichts wurden von der rot-roten Folgeregierung in einer geheimen Änderungsvereinbarung umgesetzt, Wirtschaftssenator Harald Wolf von den Linken „heilte“ so eine für ungültig erklärte Renditeregelung. Die Wasserpreise stiegen damit ab 2004 enorm. Daraufhin gründete sich der Berliner Wassertisch und startete im Juni 2007 ein Volksbegehren zur Offenlegung der skandalösen Verträge mit dem Titel „Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“. Der rot-rote Senat wehrte sich heftig. Zunächst wurde das Begehren für unzulässig erklärt, der Wassertisch musste vor dem Landesverfassungsgericht erstreiten, weiter Unterschriften sammeln zu dürfen. Dann legte der Senat die Abstimmung abseits eines Wahltermins auf einen Sonntag im Februar – bei dem strengen Quorum von  25% eine hohe Hürde, bei Minusgraden und Glätte könnten viele zu Hause bleiben. Zusätzlich warben SPD und Linke in einem Schreiben an alle Haushalte, dagegen zu stimmen, dass die Verträge offengelegt werden. Es fruchtete alles nichts: Das Quorum wurde erreicht, und mit 98,2% war die Mehrheit am 13. Februar 2011 überwältigend. 

Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg war die Fokussierung auf Transparenz: Geheimhaltung macht misstrauisch. Folgerichtig benannte die frisch gegründete Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand ihre Begleitkampagne „Wollt ihr wissen“. Es stimmten 666.235 Menschen für die Offenlegung, das waren mehr Stimmen, als die Parteien der Regierungskoalition bei der vorigen Wahl bekommen hatten. Dieser Impuls war so stark, dass auf einmal die Rekommunalisierung diskutiert wurde. 

Druck nach dem Volksentscheid

Dazu musste der Druck auch nach dem gewonnenen Volksentscheid aufrechterhalten werden: So verliehen Wassertisch-Aktive der treibenden Kraft am Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe, Annette Fugmann-Heesing (SPD), den Titel „MissWirtschaft“, zogen mit einem selbstgemalten Porträt der ehemaligen Finanzsenatorin durch deren Wahlkreis und klärten über Fugmann-Heesings Rolle bei der Wasserprivatisierung auf. Mit Erfolg: Fugmann-Heesing verfehlte die Wiederwahl. Und auch Die Linke verlor bei der nächsten Wahl ihre Regierungsbeteiligung. 

Der Wassertisch gründete weitere Gremien wie das Klärwerk und den Wasserrat, verabschiedete eine Wassercharta und startetet die Kampagne „Veolia Adieu“. Vor allem aber forderten die Aktiven zu prüfen, ob der Wasser-Privatisierungsvertrag der Verfassung genügt. 

Diese Prüfung wollte Rot-Rot vermeiden. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) kaufte lieber für 1,2 Milliarden Euro die privatisierten Anteile zurück.  Aber er lastete die Kosten über einen Schattenkredit den Wasserkund/innen auf – ein goldener Handschlag, mit dem RWE und Veolia bis 2030 entgangene Gewinne vergütet wurden. Die Rückzahlung inklusive Zinsen läuft bis 2043 und ist faktisch eine sozial extrem ungerechte Wassersteuer.

Der Volksentscheid war ein wichtiger Schritt, aber er reichte nicht aus. Rückkauf, Berlin als Blue Community (für stadtweite kostenlosen Trinkwasserbrunnen), eine bessere Investitionspolitik – für all das musste ganz klassisch gekämpft werden, durch Aufklärung, Kundgebungen und Druck vor Wahlen. Und es geht weiter: Ab dem 1. Januar 2022 wollen die Wasserbetriebe Gebühren statt Preise erheben. Daraus folgt ein völlig anderes Kontrollsystem, ob die Höhe der Entgelte angemessen ist. Dazu kommen die Herausforderungen des Klimawandels mit den Themen Regenwasser zum Straßenbaum und Schwammstadt Berlin. Um all dem zu begegnen, braucht es echte und dauerhafte Bürgerbeteiligung. 

 

Carl Waßmuth ist Bauingenieur und Vorstands- mitglied des Vereins Gemeingut in BürgerInnen-
hand (GiB). Der Verein tritt für die Bewahrung und umfassende Demokratisierung aller öffentlichen Institutionen ein, insbesondere der Daseinsvorsorge.


MieterEcho 420 / September 2021

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