Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 420 / September 2021

Bauen und Privatisieren

Die angekündigte Wohnungspolitik von CDU und FDP würde vor allem der Immobilienwirtschaft nutzen

Von Benedict Ugarte Chacón

Besieht man sich die Programme von CDU und FDP für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September, so fällt auf, dass beide Parteien zwar dem wahlkampfprägenden Thema „Wohnen“ nicht entgehen können, sich ihre programmatischen Vorschläge jedoch zu einem guten Teil an den Interessen der Bau- und Immobilienwirtschaft orientieren. Die Programme sind dabei von der schlichten Marktlogik durchzogen, dass sich mit einer Vergrößerung des Wohnungsangebots die Lage am Wohnungsmarkt entspannen würde und dies letztlich den Mieter/innen zugutekomme. Der Schutz der Mieter/innen spielt deshalb in ihren Wahlprogrammen auch nur eine geringe Rolle.


In der nun endenden Legislaturperiode war die Mietenpolitik beider Parteien weniger durch fachlich ausgereifte Vorschläge geprägt, sondern eher durch ideologisierte Auseinandersetzungen. So ist auch ihre Klage gegen den Mietendeckel zu verstehen. Mit dem Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung wollte die rot-rot-grüne Landesregierung ab Januar 2020 unter anderem einen Mietenstopp sowie die Kappung überhöhter Mieten durchsetzen. Im März dieses Jahres entschied das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage von Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU und FDP, dass das Gesetz nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehe. Im vergangenen Jahr hatten die Abgeordnetenhaus-Fraktionen von CDU und FDP vor dem Landesverfassungsgericht ebenfalls gegen den Mietendeckel geklagt. 

Vordergründig ging es ihnen um die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Zur Begründung der Klage verlautbarte der Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Fraktion, Christian Gräff, dass der Mietendeckel keine Probleme löse, Arbeitsplätze koste und mit ihm auch keine neuen Wohnungen geschaffen würden. Dass eine vor überhöhten Mieten schützende Gesetzgebung nur legitim sei, wenn durch sie neue Wohnungen geschaffen werden, ist eine ideologische Pirouette, mit der Gräff versuchte, das gegen die Interessen von Mieter/innen gerichtete Handeln seiner Fraktion als wohlmeinenden Akt zu verkaufen. Ähnlich argumentiert die FDP Berlin in ihrem Programm zur Abgeordnetenhauswahl 2021: So müsse neben dem Mietendeckel auch die Mietpreisbremse, also die Begrenzung der Miete bei Neuvermietung, abgeschafft werden, weil durch sie keine zusätzlichen Wohnungen gebaut würden.

Verzicht auf politische Steuerung

Die CDU sieht es als ihr „wichtigstes wohnungspolitisches Ziel“, bis zum Jahr 2035 insgesamt 300.000 neue Wohnungen zu errichten. Die FDP möchte bis 2030 immerhin 200.000 Wohnungen schaffen. Zur Umsetzung beitragen soll laut CDU ein neu zu schaffendes „Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen“. Diesem sollen die landeseigenen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und private Wohnungsunternehmen angehören. Was solch ein Bündnis konkret veranstalten soll und welchen Anreiz Private haben sollten, ihm beizutreten, geht aus dem CDU-Programm zwar nicht hervor. Aber immerhin klingt es schön, wenn darauf verwiesen wird, dass die Wohnungskrise „nicht gegeneinander, sondern nur miteinander“ bewältigt werden könne. Womöglich handelt es sich um die verklausulierte Absicht, vor allem den Privaten nicht zu sehr politisch auf den Pelz zu rücken. Bei der FDP wird so eine Absicht wenigstens offen formuliert: Sie wendet sich in ihrem Programm gegen „immer schrillere dirigistische Eingriffe in den Wohnungsmarkt“. Solch einen Eingriff vermuten die sogenannten Liberalen offenbar auch beim Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum. Dieses soll nach ihren Vorstellungen ebenso abgeschafft werden wie die Milieuschutzgebiete. Letztere sieht auch die CDU kritisch, will sie aber nicht gleich beseitigen, sondern „die Kriterien zur Festsetzung“ kritisch prüfen. Für die FDP müsse die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen „weiterhin realisierbar sein, um möglichst vielen Menschen eine Eigentumsbildung zu ermöglichen“, wie es in ihrem Wahlprogramm heißt. Die Ausübung bezirklicher Vorkaufsrechte, mit denen nicht nur Häuser vor Spekulanten gerettet, sondern auch Belegungsrechte erwirkt werden konnten, will die Partei ebenfalls beenden. Denn schließlich, man ahnt es, würden dadurch keine neuen Wohnungen gebaut. 

Die FDP hat weiterhin vor, landeseigene Grundstücke, die nicht für künftige Aufgaben benötigt werden, zu privatisieren, um damit angeblich Wohnraum zu schaffen. Dies wäre eine deutliche Abkehr von der Politik der jetzigen Landesregierung, solche Grundstücke gerade nicht zu veräußern, sondern zu bevorraten und im Interesse der Allgemeinheit, auch für Wohnungsbau, zu nutzen. Privatisieren möchte die FDP zudem landeseigene Wohnungsbestände, was sie in die Forderung nach einem „Konzept zur Mieterprivatisierung“ kleidet, mit dem „möglichst viele Mieterinnen und Mieter ihre Wohnung erwerben können“ sollen. Um hohen Mieten zu begegnen, möchte die CDU ein „Berliner Mietergeld“ einführen, welches Mieter/innen mit mittleren Einkommen entlasten und das bei Quadratmetermieten von acht bis 13 Euro gewährt werden soll. Nach der Vorstellung der Partei könnte damit zugleich der Mietwohnungsbau im mittleren Preissegment angeschoben werden. Auch wenn so ein Zuschuss sicherlich vielen Mieter/innen eine Entlastung bringen mag – in erster Linie geht es der CDU dabei wohl um eine umgeleitete Subvention für Investoren, denen hier ein Anreiz geboten werden soll, nicht nur hochpreisigen Wohnraum zu errichten. Bei der FDP wird eine ähnliche Maßnahme als Erweiterung des Wohngelds bezeichnet. Womöglich nicht im Interesse von Bestandsmieter/innen ist die Absicht der CDU, die Genossenschaftsförderung des Landes künftig „konsequent auf die Unterstützung von Wohnungsneubau durch Genossenschaften“ auszurichten. Dies hieße, dass eine Förderung des Bestandserwerbs durch Genossenschaften entweder erschwert oder verunmöglicht würde. Mieter/innen, die sich in dieser Form zusammenfinden, um ihr Haus vor dem Zugriff von Investoren zu retten, kämen dann wohl nicht mehr in den Genuss einer Förderung.

Lobbyistin im Untersuchungsausschuss

Zumindest die politischen Absichten der CDU scheinen beim Immobilienmilieu gut anzukommen. Sie konnte sich zum Beispiel im Jahr 2020 über Spenden in einer Gesamthöhe von 800.000 Euro des Investors Christoph Gröner bzw. eines mit ihm verbundenen Unternehmens freuen. Und wie verwoben ihre Fraktion mit der Immobilienlobby ist, konnte in den letzten Monaten im Untersuchungsausschuss zur Genossenschaft Diese eG beobachtet werden. Die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg hatten bei sechs Häusern Vorkaufsrechte zugunsten der Diese eG ausgeübt. Die betroffenen Häuser fielen also nicht Investoren in die Hände, sondern wurden von der Genossenschaft angekauft. Der oft überschätzte Landesrechnungshof monierte in seinem Jahresbericht 2020 die Praxis der Bezirke bei der Vorkaufsrechtsausübung.

CDU und FDP strickten daraus einen vermeintlichen Skandal, wobei sie vor allem den grünen Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, und den zum Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung noch als Staatssekretär wirkenden heutigen Bausenator Sebastian Scheel (Die Linke) ins Visier nahmen. Als Ausschussreferentin stellte die CDU-Fraktion ausgerechnet die Rechtsanwältin Sandra von Münster ein. Diese hatte in der Vergangenheit versucht, rechtliche Auseinandersetzungen mit Schmidt anzuzetteln, da ihr dessen Politik nicht zusagte. Auch die Diese eG geriet dabei ins Schussfeld der selbst ernannten Rechtsstaatsaktivistin. Laut ihrer Kanzlei-Webseite ist sie in den Bereichen Immobilienrecht und Wohneigentumsrecht tätig und habe, so ein Medienbericht, die Haltung vertreten, dass der Mieterschutz Formen angenommen habe, die einer Enteignung gleichkämen. Auf der Website des Lobby-Vereins „Neue Wege für Berlin“ wird sie als stellvertretende Vorsitzende geführt. Der Verein hatte 2020 eine Volksinitiative gestartet und damit die Beratung des Abgeordnetenhauses zu seinem Anliegen, das sich u. a. gegen „Enteignungen“ von Wohnungen richtete, erwirkt. Von Münster trat als Vertrauensperson der Volksinitiative vor dem Stadtentwicklungsausschuss des Parlaments auf und kritisierte die Wohnungsbaupolitik des Senats sowie den Mietendeckel. Die CDU-Fraktion holte also eine Lobbyistin in den Untersuchungsausschuss, die dadurch Zugang auch zu vertraulichen Unterlagen zu den Personen bekommen sollte, die sie in rechtliche Auseinandersetzungen verwickeln wollte. Angeblich unterhielt von Münster kein unmittelbares Mandantenverhältnis im Zusammenhang mit den Häuserankäufen durch die Diese eG.


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