Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 407 / Januar 2020

Zwischen Bangen und Hoffen

Neukölln: Die traditionsreiche Kiezkneipe Syndikat hat trotz Räumungsurteil noch nicht aufgegeben

Von Rainer Balcerowiak          

Noch fließt das Bier im Syndikat in Strömen. Jeden Tag, ab 19 Uhr mit „Open End“ . Fast 35 Jahre besteht die linke Kollektiv-Kneipe in der Weisestraße, die sich für viele Anwohner/innen schnell zu einer Art zweitem Wohnzimmer entwickelte. Mittlerweile kommen auch Tourist/innen, die nicht selten eine der vielen zweckentfremdeten Wohnungen in dem Quartier über Airbnb mieten. „Aber es ist nach wie vor in erster Linie ein Kiez-Treffpunkt, und das soll auch so bleiben“ , sagt Christian, der seit 12 Jahren zum Kollektiv gehört.  

Doch dem Syndikat droht die Räumung. Ein entsprechendes Urteil fällte das Berliner Landgericht am 26. November 2019. Hintergrund ist die im Juli 2018 ausgesprochene Kündigung zum Ende des Jahres durch den neuen Hausbesitzer. Zwar gab es anfangs noch das Angebot, einen neuen Mietvertrag abzuschließen, doch als das Kollektiv darauf eingehen wollte, ging der Besitzer auf Tauchstation und ist seitdem nicht mehr erreichbar. Das Syndikat verweigerte die verlangte Schlüsselübergabe und macht seitdem weiter wie bisher – und zahlt auch die vereinbarte Miete auf das von der Hausverwaltung angegebene Konto.            


Das Haus gehört seit 2018 „Firman Properties“, einer Briefkastenfirma mit Sitz in Luxemburg, wie erste Nachforschungen ergaben. Schnell gab es Hinweise, dass Firman Properties Teil eines umfangreichen Firmengeflechts ist, das den einer britischen Milliardärsfamilie entstammenden Gebrüdern Pears gehört. Bei einer Recherchereise nach London habe man versucht, mit Unternehmensvertreter/innen direkt Kontakt aufzunehmen, „aber wir wurden überall abgewimmelt“, berichtet Christian. Eine zusammen mit Londoner Aktivist/innen organisierte kleine Demonstration vor der Firmenzentrale endete mit Platzverweisen. Ein Mitarbeiter, dessen Name und Funktion nicht bekannt ist, habe immerhin mit ihnen geredet und darauf verwiesen, „dass in Berlin ja alles so billig sei und wir uns ja was anderes suchen können“.   

                                 
Globales Firmengeflecht        
In Berlin gibt es eine im Handelsregister eingetragene Tochterfirma mit dem Namen „Pears Global Real Estate Germany GmbH“, die zeitweilig sogar damit warb, bereits über 3.500 Wohnungen in der Stadt zu besitzen. Weitere Recherchen führten zu einem global agierenden Netz von Einzelgesellschaften, von denen mindestens 76 auch in Berlin aktiv sind. Inzwischen gehen die Gruppen, die sich mit diesem Imperium beschäftigt haben, sogar von wesentlich mehr Wohnungen aus, die Pears zuzurechnen sind. Doch die Internetseite ist inzwischen abgeschaltet und in der Niederlassung am Kurfürstendamm ist niemand bereit, Auskünfte zu erteilen.     


Von Kündigungen oder drastischen Mieterhöhungen durch Pears-Firmen waren auch andere Gewerbetreibende betroffen, einige konnten dies allerdings abwehren, da es gültige Verträge gab. Doch für das Syndikat stehen die Chancen, die Räumung auf juristischem Weg noch verhindern zu können, nicht sonderlich gut, räumt Christian ein. Denn ein zum Ende der vereinbarten Laufzeit fristgerecht gekündigter Vertrag bietet Gewerbemieter/innen kaum Möglichkeiten.         


Inzwischen liegt dem Syndikat die schriftliche Begründung des Räumungsurteils vor. Die ist zwar nicht sehr ermutigend, dennoch hat das Kollektiv beschlossen, Berufung einzulegen und  auf der juristischen Ebene weiterhin alle Mittel auszuschöpfen. Aber es liegt im Ermessen des Gerichts, ob es eine Aussetzung der Vollstreckbarkeit des Räumungstitels bis zum Abschluss des Verfahrens geben wird.


An Solidarität mangelt es jedenfalls nicht, sagt Christian. Auch das Bezirksamt unterstütze das Kollektiv. Doch offensichtlich gibt es von Seiten der Besitzer keinerlei Interesse an einer gütlichen Einigung. Falls das Syndikat irgendwann tatsächlich geräumt wird, dann war‘s das wohl mit dem „zweiten Wohnzimmer“ in diesem Kiez. Natürlich hätten sie sich auch umgeguckt, aber in der näheren Umgebung gebe es „keine Chance, was Vergleichbares neu aufzuziehen“, bewertet Christian die Situation. Und deswegen wolle man „alles tun, um hier zu bleiben“.


MieterEcho 407 / Januar 2020

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