Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 408 /

Wildwest in den Bezirken

Unterschiedliches Vorgehen der Bezirke gegen Zweckentfremdung lässt für den Mietendeckel nichts Gutes ahnen

Von Philipp Möller                                   

Die Umsetzung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes ist Aufgabe der bezirklichen Wohnungsämter, die den Bezirksstadträt/innen für Bürgerdienste zugeordnet sind. Eine Umfrage des MieterEchos ergab: Wie aktiv die Behörden Verstöße ahnden, wie viele Bußgelder sie verhängen und einziehen, ist nicht zuletzt eine Frage der politischen Gesinnung.                 


Seit August 2018 sind Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbotsgesetz bußgeldbewehrt. Die Höhe der Bußgelder ist abhängig von der Häufigkeit der Verstöße, Dauer und Umfang der Zweckentfremdung sowie des erzielten Gewinns. Dabei können Ordnungsgelder von bis zu 500.000 Euro verhängt werden. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist dabei einsame Spitze. In 287 Fällen wurden Bußgelder in einer Gesamtsumme von 2.904.719 Euro verhängt. Davon tatsächlich kassiert hat der Bezirk 735.692 Euro. Zum Vergleich: In Spandau waren es im gleichen Zeitraum 6 Verfahren, bei denen 22.500 Euro Ordnungsgelder verhängt wurden. Für die Differenz zwischen den Bezirken gibt es verschiedene Erklärungsansätze: Friedrichshain-Kreuzberg ist ein touristischer Hotspot und unterliegt einem hohen Aufwertungsdruck, was die gewinnträchtige Verwertung von Wohnraum als Ferienapartments besonders vorantreibt. Am 23. Februar listete das Portal Inside Airbnb 5.497 Angebote im Bezirk, während es in Spandau gerade einmal 124 waren. In Neukölln waren es immerhin 3.499. Dort leitete das Bezirksamt jedoch gerade einmal 22 Verfahren ein, die nicht nur die Zweckentfremdung durch illegale Ferienvermietung sondern auch Leerstände und Abrisse ahndeten. Die Struktur des Wohnungsmarktes ist nur eine Variable in der Auflösung des Rätsels. Eine andere liefert das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg selbst: „Die Bezirke sind in der Auswahl und in der Anwendung der einzelnen Instrumente des Zweckentfremdungsverbots selbstbestimmt“, teilte die Behörde dem MieterEcho mit.                                 

Bußgelder nicht durchgesetzt        
Besonders deutlich wird das in Charlottenburg-Wilmersdorf. Kritiker/innen werfen dem zuständigen CDU-Stadtrat Arne Herz mangelnden Durchsetzungswillen vor. In 101 Verfahren verhängte seine Behörde Bußgelder in Höhe von 161.429 Euro. Tatsächlich eingenommen wurden  5.000 Euro, also nur 3% der angedrohten Summe. Ein Abschreckungseffekt ist so kaum zu erzielen. Gegen einen Bußgeldbescheid kann Einspruch eingelegt werden und das Verfahren landet vor dem Amtsgericht, welches eine Abänderung oder Aufhebung  des Bescheids verlangen kann. Dieses Prozedere ist oft sehr langwierig. In Charlottenburg-Wilmersdorf ruhen laut Bezirksamt derzeit rund 400 Verfahren aufgrund ausstehender Entscheidungen. Das von Herz geführte Bezirksamt meldet gegenüber dem MieterEcho Zweifel an der Bußgeldbewehrung an: „Allein durch das Verhängen von Bußgeld wird keine zweckfremd genutzte Wohnung dem Wohnungsmarkt wieder zugeführt. Für den Bezirk steht jedoch die Rückführung des zweckfremd genutzten Wohnraums im Vordergrund, daher werden Zwangsgelder angedroht. Erst wenn sich Verfügungsberechtigte vehement weigern, wird zusätzlich ein Bußgeld verhängt.“ Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sieht das erwartungsgemäß anders: „Wir sehen diese abschreckende Wirkung [der Bußgeldbewehrung, Anm. d. Verf.] sowohl bei Vermietern, als auch bei Mietern, die Wohnungen zweckfremd nutzen.“        
Die unterschiedlichen Verfahrensweisen werfen ihre Schatten auch auf die Umsetzung des Mietendeckels voraus. Die bezirklichen Wohnungsämter übernehmen weitreichende Aufgaben zu seiner Umsetzung. Dazu zählen die Festsetzung und Kontrolle der Mietobergrenzen und Stichtagsmieten sowie die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten bei Verstößen gegen die neuen Regularien. Die Erfahrungen mit der Umsetzung des Zweckentfremdungsverbots zeigen, dass neben Charlottenburg-Wilmersdorf ein besonderes Augenmerk auf die AfD-geführten Wohnungsämter in Reinickendorf und Marzahn-Hellersdorf gerichtet werden sollte. CDU wie AfD halten den Mietendeckel für verfassungswidrig, sodass es mit dem Willen zu seiner Durchsetzung nicht weit her sein dürfte.   


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