Wichtiges Signal gegen Wohnungsspekulation
Bezirksamt Mitte will durch alle Instanzen gegen geplanten Abriss in der Habersaathstraße vorgehen
Von Rainer Balcerowiak
In der Auseinandersetzung um das Haus in der Habersaathstraße 46 in Berlin-Mitte gibt es eine überraschende Entwicklung. Das Bezirksamt Mitte scheint nunmehr fest entschlossen zu sein, die juristische Auseinandersetzung um die vom Besitzer verlangte Abrissgenehmigung durch alle Instanzen zu führen.
Dafür gebe es auch Rückendeckung vom Berliner Senat, da es sich um einen Präzedenzfall von gesamtstädtischer Bedeutung handele, erklärte Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe (SPD) am 28. Januar in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte. Es gehe darum, bezahlbaren Wohnraum im Bestand unter allen Umständen zu erhalten. Wenn Abrissgenehmigungen nicht zu verhindern seien, müsse bei einem Ersatzneubau ein entsprechender Anteil von Wohnungen mit sozial verträglichen Mieten garantiert werden. Die von ihm und der Bezirksstadträtin für Bürgerdienste, Ramona Reiser (Linke) geführten Verhandlungen mit dem Besitzer hätten zu keinen akzeptablen Ergebnissen geführt. Der im Vergleichsverfahren vom Eigentümer angebotene Anteil preisgünstiger Wohnungen in einem Neubau sei vollkommen unzureichend. In dem Haus gibt es über 100 Wohnungen, nach systematischer Entmietung sind aber nur noch zehn regulär mit unbefristeten Verträgen vermietet. Versuche, die Wiedervermietung auf Grundlage des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes zu erzwingen, verliefen bislang im Sande. Eine Besetzung des Hauses durch Obdachlosengruppen wurde von der Polizei am 29. Oktober schnell beendet. Auch die zwischenzeitlich diskutierte Beschlagnahme des Hauses wurde vom Bezirksamt wegen mangelnder rechtlicher Grundlage verworfen.
Das Zweckentfremdungsrecht sieht eigentlich vor, dass bei Abriss und Neubau eine adäquate Anzahl von Wohnungen anschließend für maximal 7,92 Euro/qm nettokalt vermietet werden müssen. Diese Vorgabe wurde vom Verwaltungsgericht in einem anderen Fall jedoch gekippt. Darauf stützt sich der Hausbesitzer und verweigert entsprechende Festlegungen. Die BVV verabschiedete nach der Debatte mit 39 Ja- und 11 Neinstimmen bei 2 Enthaltungen einen von Linken und Grünen eingebrachten Antrag mit dem Titel „Keine faulen Kompromisse in der Habersaathstraße“, mit dem das jetzt zu erwartende Vorgehen des Bezirks unterstützt wird.
Langes Zögern der SPD
Ursprünglich wollte die SPD nicht zustimmen. Doch offensichtlich will sich die Partei angesichts der dramatischen Wohnungsmarktlage nicht die Blöße geben, allzu willfährig vor Spekulanten einzuknicken. Und tatsächlich hat der Bezirk dem Verwaltungsgericht am 1. Februar, dem Tag des Fristablaufs, mitgeteilt, dass er den Vergleich nicht akzeptieren wird. Das Gericht muss jetzt ein Urteil fällen, Beobachter gehen davon aus, dass der Anspruch des Eigentümers auf Abriss und Neubau bestätigt wird. Dagegen würde der Bezirk dann wohl in die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht gehen. Auch das Verwaltungsverfahren gegen den Eigentümer wegen der 85 leerstehenden Wohnungen geht jetzt weiter. Bei Annahme des Vergleichs wäre es beendet gewesen.Sven Dietrich, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linken in der BVV Mitte, äußerte sich gegenüber dem MieterEcho erfreut über den Kurswechsel des Bezirksamts. Dies sei zum einen „Ergebnis des politischen Drucks, den wir zusammen mit Teilen der Grünen im Bezirk aufgebaut haben“. Aber auch das Beharrungsvermögen und der anhaltende Widerstand der verbliebenen Mieter/innen des Hauses habe eine wichtige Rolle gespielt. Ob es angesichts der Verhärtung der juristischen Fronten noch zu der vom Eigentümer ursprünglich angebotenen Zwischennutzung der leerstehenden Wohnungen durch einen Träger der Wohnungslosenhilfe kommt, ist derzeit allerdings eher unwahrscheinlich.
Daniel Diekmann, einer der verbliebenen Bewohner/innen, äußerte sich gegenüber dem MieterEcho erfreut über die Entwicklung. „Wir sind jedenfalls fest entschlossen, weiter für den Erhalt unserer Wohnungen zu kämpfen“, so Diekmann. Noch sei nichts gewonnen, doch der jetzt vom Bezirksamt eingeschlagene Weg sei eine Ermutigung.
MieterEcho 415 / März 2021