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MieterEcho 411 /

Wem gehört die Stadt?

Neue Studie identifiziert bisher wenig bekannte, große Immobilienunternehmen in Berlin

Von Rainer Balcerowiak

In einigen Monaten können die wahlberechtigten Berliner/innen per Unterschrift ihre Unterstützung für ein Volksbegehren bekunden, mit dem die Vergesellschaftung von großen Immobilienunternehmen auf den Weg gebracht werden soll. Doch vollkommen unklar ist derzeit, was da genau vergesellschaftet werden soll. Im Text des Volksbegehrens wird nur allgemein von Unternehmen gesprochen, die „vergesellschaftungsreif“ sind. Das lässt Spielraum für Interpretationen.

 

Anfangs operierte die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ mit einer Liste, auf der insgesamt zehn Firmen verzeichnet waren, die den Schwellenwert von 3.000 Wohnungen überschreiten. An dieser Liste orientierte sich auch der Berliner Senat bei seiner ersten Kostenschätzung für das Volksbegehren. Dort aufgeführt waren neben den bekannten Branchengrößen Deutsche Wohnen, Vonovia. ADO, Covivio und Akelius auch TAG Immobilien, Grand City Properties, BGP Group, Hilfswerk Siedlung GmbH und die Deutsche Vermögens- und Immobilienverwaltung. Insgesamt ging es laut Senat um einen Bestand von 242.800 Wohnungen mit einem geschätzten Marktwert von 36,1 Milliarden Euro. Ausgespart blieben von vornherein die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften, obwohl es sich dabei um Wirtschaftsunternehmen in Form von Aktiengesellschaften und GmbH handelt. Auch Genossenschaften sollten von der Vergesellschaftung verschont bleiben.

Schnell wurde klar, dass dies nur eine lückenhafte Aufstellung der in Berlin operierenden Immobilieninvestoren war. Als „vergesellschaftungsreif“ wurde in einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zunächst Pears Global Real Estate mit einem geschätzten Bestand von rund 6.000 Wohnungen identifiziert. Geschätzt, weil es sich dabei um ein verschachteltes, schwer durchschaubares Firmengeflecht mit Holdings und Tochterfirmen in verschiedenen Teilen der Welt handelt.

Noch schwieriger wird es bei den Wohnungsunternehmen, die hauptsächlich als Hausverwaltungen und nicht als Eigentümer auftreten und wo die tatsächlich Verfügungsberechtigten nicht ohne Weiteres zu ermitteln sind.

 

Studie soll Klarheit bringen

Derzeit operiert die Initiative nicht mit einer Aufstellung der „vergesellschaftungsreifen“ Unternehmen. Eine solche soll aber im Rahmen der weiteren Kampagne im Zusammenhang mit Eckpunkten für einen möglichen Gesetzentwurf erarbeitet werden. Auch bei den Kriterien gibt es noch Unklarheiten.

Abhilfe könnte der dritte Teil eines Studienprojekts der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ schaffen, der im Herbst veröffentlicht werden soll. Nötig sei eine intensive Analyse internationaler Verflechtungen und der institutionellen Investoren, die auf der Suche nach Anlageobjekten für die privatwirtschaftliche Rentenvorsorge am Wohnungsmarkt aktiv sind, so Studienleiter Christoph Trautvetter.

Die neue Studie identifiziert eine Reihe weiterer Eigentümer mit mehr als 1.000, teilweise auch mehr als 3.000 Berliner Wohnungen – vom US-amerikanischen Private Equity Unternehmen Blackstone über den Investmentfonds Phoenix Spree aus Jersey bis hin zur Familienstiftung Becker & Kries oder den Erben von Harry Gerlach. Neben der Analyse der Eigentümerstruktur auf dem Berliner Immobilienmarkt vergleicht die Studie die Geschäftspraktiken der verschiedenen Eigentümer und Eigentümergruppen – einschließlich der Genossenschaften und der landeseigenen Unternehmen – anhand von fünf Kriterien (Renditeversprechen und Erfolgsbeteiligung der Manager; Planungshorizont und Investitionen; Mieten und Instandhaltung; Transparenz der Finanzkennzahlen, Steuern und Rechenschaftspflicht; Eigentümertransparenz, Mitbestimmung und gesellschaftliche Verantwortung). Nicht zuletzt für die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ sind hier spannende Erkenntnisse und Ergebnisse zu erwarten.

 

Die bisherigen Publikationen der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Rahmen des Projekts „Wem gehört die Stadt?“: https://www.rosalux.de/dossiers/wohnen-ist-ein-menschenrecht/wem-gehoert-die-stadt


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