Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 408 /

Wechsel der Verwertungsstrategie

Samwer-Brüder setzen auf Umwandlung in Eigentumswohnungen

Von Jutta Blume            

                           

Am 21. Januar erhielten die Mieter/innen von 12 Häusern im Block Framstraße, Pannierstraße, Pflügerstraße und Nansenstraße Post vom Bezirksamt Neukölln. Der jeweilige Eigentümer des Hauses hätte einen Antrag auf Umwandlung der Mietwohnungen in Eigentumswohnungen gestellt. Diese Umwandlung wurde zum 17. Februar genehmigt, verbunden mit der Verpflichtung der Eigentümer innerhalb der ersten 7 Jahre die Wohnungen nur an die Mieter/innen zu verkaufen.   

                             
Die Häuser liegen im Milieuschutzgebiet Reuterplatz. In Milieuschutzgebieten muss eine Aufteilung in Einzeleigentum genehmigt werden, wenn den Mieter/innen für sieben Jahre das Vorkaufsrecht für ihre Wohnungen eingeräumt wird. Machen die Mieter/innen nicht davon Gebrauch, sind sie darüber hinaus für weitere fünf Jahre vor Eigenbedarfskündigungen geschützt. Trotzdem scheint sich die Umwandlung in Eigentumswohnungen auch in Milieuschutzgebieten zu einer beliebten Verwertungsstrategie zu entwickeln. In den Milieuschutzgebieten Neuköllns wurden nach Angaben des Bezirksamts im Jahr 2019 insgesamt 1.176 Wohnungen in Einzeleigentum umgewandelt, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Jahr 2018 mit 1.362 Umwandlungen darstellt. Es ist aber denkbar, dass die Zahl der Umwandlungen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Mietendeckels wieder steigen wird, da eine Verwertung auf dem Mietmarkt in den kommenden Jahren nur geringe Renditen verspricht. „Im Jahr 2018 wurden in Berlin 12.784 Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Davon entfielen allein auf die sozialen Erhaltungsgebiete 5.204 Wohnungen bzw. 41 Prozent“, teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am 4. Februar mit. Die bestehende Umwandlungsverordnung, die für eine Dauer von fünf Jahren bis Mitte März 2020 gilt, hat der Senat Anfang Februar auf weitere fünf Jahre verlängert. Obwohl Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher davon spricht, dass die Bezirke in die Lage versetzt würden, „den Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den vorhandenen und zukünftigen sozialen Erhaltungsgebieten wirksam weiter zu verfolgen“, sind dem mit der Genehmigungspflicht bei Gewährung des Vorkaufsrechts an die Mieter/innen doch Grenzen gesetzt.     

                                        
Appelle und Mieterorganisation    
„Formal können wir eigentlich gar nichts machen“, erklärt der Pressereferent in der Abteilung Stadtentwicklung des Bezirksamts Neukölln, Christopher Dathe. Fast wöchentlich würden sich von Umwandlung betroffene Hausgemeinschaften an den Bezirk wenden. Diesem bleibe aber nur, den Kontakt zu den Eingentümern zu suchen und an sie zu appellieren, beispielsweise wenn es Betrebungen der Mieter/innen gebe, die Häuser gemeinschaftlich zu erwerben.    Im aktuellen Fall trifft die Umwandlung eine seit einigen Jahren organisierte Mieterschaft. Von den 300 Mieter/innen des Blocks sind 80 bis 100 im Verein „Unser Block bleibt“ zusammengeschlossen. Dieser entstand, als 2016 bekannt wurde, dass ein Firmengeflecht der Samwer-Brüder dabei war, die Eigentumsanteile an dem Häuserblock zu übernehmen (MieterEcho 383/ September 2016). Zu dem Zeitpunkt hatten sich die Samwer-Brüder über die Immobilienfirma Dr. Hintze & Co in zwei Drittel der Erbschaftsanteile eingekauft. Eine dritte Erbin wollte nicht an die von Dr. Hintze & Co vertretenen Unternehmen verkaufen. Nach ihrem Tod wurde 2016 eine Teilungsversteigerung angestrebt, zu der es letztlich nicht kam. Stattdessen wurden Häuser und Grundstücke unter den zerstrittenen Parteien aufgeteilt. Heute gehen die Mieter/innen aber davon aus, dass auch das letzte Drittel an die von Hintze & Co vertretenen Firmen übertragen worden ist. Das geht aus aktuellen Einsichtnahmen der Mieter/innen ins Grundbuch hervor. Die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer treten an keiner Stelle direkt als Eigentümer auf, sondern stehen laut Recherchen der Mieter/innen hinter der Verus GmbH aus München, die sich wiederum zusammen mit der CAD Investment GmbH und der Lido Investment GmbH zu Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbRs) zusammengeschlossen hat, denen jeweils einzelne Häuser gehören.                                

Überhöhte Mietforderungen        
Da die Hausverwaltungen es versäumten, Vollmachten der Eigentümer vorzulegen, waren erste Mieterhöhungsverlangen teilweise unwirksam. Doch auch weitere Mieterhöhungsverlangen waren fehlerhaft. Wohnungen seien nicht mietspiegelgerecht eingestuft worden, so der Verein. Von Mieter/innen selbst durchgeführte und finanzierte Modernisierungen seien als positive Merkmale einberechnet worden, was nicht zulässig ist.            
Die Strategie der Vermieter bestand jedoch in erster Linie darin, die Neuvermietungsmieten in die Höhe zu treiben, was vor allem mit „umfassender Modernisierung“ begründet wurde. Bei Erstbezug nach „umfassender Modernisierung“ gelten die Bestimmungen der Mietpreisbremse nicht, die Wohnung wird einem Neubau gleichgestellt. Einer Mietpartei gelang es nun in zweiter Instanz, diese Strategie der Vermieter auszuhebeln, was auch in Zukunft beispielhaft wirken könnte. In diesem Fall wurden zum einen Modernisierungs- und Instandhaltungskosten auseinandergerechnet, zum anderen wurde bei den Modernisierungskosten differenziert in solche, die der Miete aufgeschlagen werden dürfen, und solche, die auf „unnötige Modernisierungen“ entfallen und daher nicht aufschlagsfähig sind. Das Berufungsgericht entschied, dass die Nettokaltmiete für die betreffende Wohnung rund 400 Euro niedriger liegen und der bisher überzahlte Anteil zurückerstattet werden müsse.                 
Da die Strategie der teuren Neuvermietung nach diesem Urteil und bei einer gut vernetzten Mieterschaft nicht mehr aufzugehen droht, könnte die Umwandlung nun ein neuer Verwertungsversuch sein. Die Mieter/innen wollen sich rechtlich informieren und dann eine gemeinsame politische Strategie entwickeln. „Wir treffen uns regelmäßig einmal pro Monat, egal ob etwas anliegt oder nicht“, erzählt Vereinsmitglied Andrea Schmidt*. Im Bedarfsfall müssten sich die Mieter/innen so nicht erst organisieren. Diskutiert wurde auch der Umgang mit einer möglichen Neubebauung im Zentrum des Blocks, dort wo es ursprünglich Künstlerateliers gegeben hatte. „Wir haben uns entschieden, uns nicht gegen eine Wohnbebauung auszusprechen, aber möchten über die Art der Bebauung mitreden“, sagt Schmidt. Im Jahr 2019 waren Mieter/innen auf Entwürfe unter dem Namen „Framblock Residential“ gestoßen. Laut Schmidt seien diese nicht genehmigungsfähig gewesen und daher vom Tisch.                      

*Name von der Redaktion geändert
Weitere Informationen:
https://unserblockbleibt.wordpress.com/


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