Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 412 / Oktober 2020

Vorkauf gerichtlich gekippt

Das Land Berlin verliert im Fall von drei Häusern in Schöneberg erneut gegen die Bima

Von Elisabeth Voß

Im Februar 2015 hatte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg das Vorkaufsrecht für drei HКuser in der Großgörschen-/KatzlerstraІe im Milieuschutzgebiet Bautzener StraІe ausgeübt. Sie waren von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) für 7,8 Mio. Euro an die Formica GbR/Bernhard Grote verkauft worden, die sich weigerte, die vom Bezirk geforderte Abwendungserklärung zu unterzeichnen. Das Kammergericht Berlin erklärte den Vorkauf nun für unzulässig.

Der Bezirk hatte das Vorkaufsrecht zugunsten der städtischen Gewobag ausgeübt. Diese war nicht bereit, den von der Bima geforderten Kaufpreis zu zahlen, weil der aus den Mieten nicht refinanzierbar gewesen wäre. Der Bezirk ermittelte den zu zahlenden Verkehrswert auf Basis des Ertragswerts in Höhe von 6,35 Millionen Euro und berief sich dabei auf die Zulässigkeit nach § 28 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB), „wenn der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet“. Die Bima klagte und bekam beim Gerichtsprozess vor dem Berliner Landgericht am 23. März 2017 Recht, der Vorkaufsbescheid wurde aufgehoben. Der Bezirk, vertreten durch das Land Berlin, ging dagegen in die Berufung, die am 12. Juni 2020 vor dem Berliner Kammergericht verhandelt wurde, das Urteil wurde den Parteien Ende August zugestellt.

Der Bezirk begründete die Ausübung des Vorkaufsrechts mit dem Wohl der Allgemeinheit nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Aufgrund des überhöhten Kaufpreises und der Weigerung der Erwerberin, eine Abwendungserklärung abzugeben, sei eine Beeinträchtigung der sozialen Erhaltungsziele zu befürchten. Er argumentierte, bei der Ausübung des Vorkaufsrechts, dies zugunsten der Gewobag zu tun, und den Kaufpreis herabzusetzen, habe es sich um drei teilbare Verwaltungsakte gehandelt. Man sei gegebenenfalls auch bereit, mehr zu bezahlen oder die Gebäude selbst zu erwerben.

Das Gericht räumte ein, dass die Herabsetzung des Kaufpreises eine selbstständige Regelung sein könne, der Vorkauf sei jedoch allein zugunsten der Gewobag erfolgt und nicht zum Eigenerwerb. Nach Aktenlage sei die Gewobag nicht bereit gewesen, gegebenenfalls einen höheren Kaufpreis zu zahlen, im Gegenteil habe sie dies ausdrücklich abgelehnt. Es läge auch keine termingerecht abgeschlossene Vereinbarung mit der Gewobag vor, mit der diese sich bereit erklärt hätte, die Ziele des Milieuschutzes einzuhalten. Für eine solche sei die Schriftform zwingend, Telefonate der damaligen Baustadträtin Sibyll Klotz (B90/Grüne) mit der Vorständin der Gewobag seien nicht ausreichend.

Ohrfeige für das Mietenbündnis

Das Argument des Landes, die Gewobag als landeseigenes Unternehmen sei ohnehin weisungsgebunden, ließ das Gericht nicht gelten. Vorstand und Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft trügen die wirtschaftliche Verantwortung und übten „ihre Kompetenzen auch eigenverantwortlich und autonom“ aus. Das Berliner Mietenbündnis enthielte nur freiwillige Verpflichtungen zur Beschränkung von Mieterhöhungen und keinen Verzicht auf die Bildung von Wohnungseigentum. Das Kammergericht wies die Berufung zurück und entschied, dass eine Revision nicht zuzulassen sei. Dagegen legte das Land Berlin beim Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Das gesellschaftliche Problem der profitablen Verwertung von Wohnraum lässt sich grundsätzlich nicht mit juristischen Mitteln und auch nicht mit dem Vorkaufsrecht lösen. Dieser Einzelfall zeigt jedoch erneut, dass die Bima als öffentliche Einrichtung keineswegs öffentliche Interessen vertritt. Auch die privatrechtliche Verfasstheit der Gewobag als Aktiengesellschaft schirmt diese gegen politische Steuerung im Interesse der Mieter/innen ab.
Für die betroffenen Mieter/innen geht das Bangen nun weiter. Auch der Integrationsverein Harmonie in der Katzlerstraße 11 bleibt gefährdet, denn der neue Eigentümer hatte ihm gekündigt. Die Entscheidung in der Räumungsklage wurde im Juli 2016 vom Landgericht bis zur Entscheidung im Verfahren Bima gegen Land Berlin ausgesetzt (MieterEcho 383/ September 2016).


MieterEcho 412 / Oktober 2020

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