Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 407 / Januar 2020

Von New York lernen

Wie der lokale Widerstand das geplante Amazon-Hauptquartier via Prime-Versand zurückschickte

Von John Malamatinas

Nicht nur in Berlin waren Aktivist/innen mit der Verhinderung des Google-Campus erfolgreich gegen ein Tech-Unternehmen. In New York City wurden die Pläne von Jeff Bezos, mit einem riesigen Firmen-Campus ein zweites Hauptquartier (genannt HQ2) im Stadtteil Queens zu bauen, und in der Zwischenzeit ähnlich wie in Berlin einen Turm zu beziehen, von kontinuierlichen Protesten durchkreuzt. Im Februar 2019 gab Amazon den Rückzug bekannt.                         

Dass HQ2 besiegt wurde, liegt mit daran, dass gewählte Politiker/innen es ablehnten, sich auf der Seite des Unternehmens zu versammeln. Noch 2017 hatte Staatssenator Michael Gianaris einen Brief unterzeichnet, in dem Amazon aufgefordert wurde, nach New York zu kommen. Ein Jahr später erwies er sich als der lautstärkste Kritiker des Deals. Was hat sich geändert? Im Juni 2018 vertrieb Alexandria Ocasio-Cortez den Demokraten Joseph Crowley von seinem Kongresssitz. Ebenso wurde der Pro-Immobilien-Demokrat Martin Dilan abgelöst, unter dessen Aufsicht 20% des mietregulierten Wohnraums verloren gegangen waren.
Gleichzeitig bildete sich eine Basisbewegung aus Gewerkschaften, Anti-Gentrifizierungssaktivist/innen, Radikalen unterschiedlicher Couleur und alltäglichen New Yorker/innen. Sie befürchtete Auswirkungen wie in Seattle, wo sich das erste Hauptquartier von Amazon befindet. Die Stadt leidet mittlerweile unter enormer Obdachlosigkeit und Verdrängung. Ähnliche Erfahrungen gibt es in San Francisco wegen des Technologie-Mekkas Silicon Valley.
Das „Geheimrezept“ der Protestierenden in NYC setzte sich aus drei zentralen Bausteinen zusammen:

  • Community organizing: Nicht nur Stadtteilgruppen, auch linke Organisationen gingen nach dem Vorbild erfolgreicher Wahlkampagnen von „Tür zu Tür“. Es wurden öffentliche Treffen und Mieterversammlungen organisiert sowie Workshops zum nicht-hierarchischen organizing angeboten.
  • Themen verbinden und die Fronten multiplizieren: Sicherlich war Gentrifizierung eines der stärksten Themen der Bewegung. Für die Aktivierung weiterer Verbündeter war aber die Strategie zentral, andere Machenschaften des Imperiums anzusprechen und zu skandalisieren. Die Thematik der Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren brachte weitere (prekär) Beschäftigte und ihre Gewerkschaften ins Spiel. Amazon machte in den letzten Jahren häufig Schlagzeilen über Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden – Höhepunkt war die Bereitstellung von Gesichtserkennungs-Software an die US-Abschiebebehörde ICE. Es war daher ein Leichtes, von den zumeist migrantischen Aktivist/innen aus Queens eine Brücke zu weiteren antirassistischen Kämpfen zu schlagen. Konsens aller Akteur/innen war dabei, dass es auf keinen Fall einen Deal geben soll, sondern Amazon komplett unerwünscht ist.
  • Imageschaden und Öffentlichkeitsarbeit: Die Aktivist/innen in New York City schafften es, in großen Teilen der Nachbarschaft eine negative Stimmung gegen Amazon und die kapitalnahen Politspieler/innen zu schaffen. Die Losung war einfach: „Die Stadt New York ist eine Gewerkschaftsstadt und ein Rückzugsort“. Der Widerstand bei den öffentlichen Anhörungen von Amazon im Rathaus war so stark, dass sogar Gegenmobilisierungen von gelben Gewerkschaften aus dem Bausektor Jeff Bezos‘ nicht mehr helfen konnten.

Seitdem bekannt wurde, dass Amazon in Berlin in das Edge-Hochhaus einziehen will (vgl. S.4) hat sich unter dem Namen Berlin vs. Amazon ein Zusammenschluss aus Anwohner/innen, Künstler/innen und Aktivist/innen, die in Gruppen wie Tech Workers Coalition und Bizim Kiez, sowie Kampagnen wie Make Amazon Pay und No Google Campus aktiv waren, gegründet. Am 21. Dezember informierten sie mit einem ersten Aktionstag in der Warschauer Straße. Bis zur Eröffnung des Edge im Jahr 2023 soll kontinuierlicher Widerstand aufgebaut werden. Auch in NYC wird es wieder spannend: Anfang Dezember kündigte Amazon an, es nochmal mit einer kleiner angelegten Hauptgeschäftsstelle in Manhattan zu versuchen.     

John Malamatinas ist freier Journalist aus Berlin, Brüssel und Thessaloniki. Zur Zeit ist er neben seiner Arbeit bei der Kampagne Make Amazon Pay und dem neuen Zusammenschluss Berlin vs. Amazon aktiv.


MieterEcho 407 / Januar 2020

Schlüsselbegriffe: Amazon,New York,Protest

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