Unser Wohnraum als Geldwäschesalon
Der deutsche Immobilienmarkt ist ein Tummelplatz für Investoren aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität
Von Konrad Duffy
Immobilien dürfen kein Spekulationsobjekt sein, und erst recht kein Waschsalon für kriminelle Profite. Doch genau das ist längst Alltag in Deutschland. Geldwäsche muss endlich entschiedener unterbunden werden.
Wir alle benötigen ein Dach über dem Kopf. Die Wohnraumversorgung aller Teile der Bevölkerung ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Daseinsvorsorge. Entsprechend notwendig ist es, den Immobilienmarkt zu kontrollieren und zu regulieren. Doch der Immobiliensektor in Deutschland ist seit Jahren auch ein Sammelbecken für Profite aus kriminellen Geschäften. Von geschätzt 100 Milliarden Euro, die jährlich in Deutschland „gewaschen“, also in den legalen Wirtschaftskreislauf eingespeist werden, fließen rund 20 bis 30 Milliarden Euro in den Immobiliensektor. Diese erheblichen Mittel treiben die Spekulation an und die Mieten in die Höhe. Zudem befördern diese illegalen Gelder auch den Leerstand von Immobilien; ein angesichts des dramatischen Wohnungsmangels unhaltbarer Zustand. Ferner werden kriminelle Strukturen durch diese Verankerung im Immobiliensektor erheblich gestärkt. Es gibt also dringenden Handlungsbedarf, zumal es vergleichsweise einfache Lösungsansätze für dieses Problem gibt.
Kaum Kontrollen bei Notaren
Immobilien eignen sich ideal, um illegale Gelder in den legalen Geldkreislauf zu schleusen. In Deutschland gibt es keine Bargeldobergrenze für den Erwerb von Immobilien. Es können also auch sehr hohe Beträge über einen Immobilienkauf leicht und nahezu spurenlos gewaschen werden.
Dabei gibt es für Immobiliengeschäfte durchaus gesetzliche Vorgaben, die Geldwäsche verhindern sollen, doch deren Einhaltung wird nicht konsequent überwacht. Bei einem Immobilienkauf sind in der Regel Notare und Immobilienmakler involviert. Nach dem geltenden Geldwäschegesetz gibt es einige Berufsstände, denen besondere Sorgfaltspflichten zufallen. Sie müssen z.B. die Identität der Käufer und die Herkunft von Finanzmitteln prüfen. Bei Banken und Finanzdienstleistern wird die Einhaltung der Bestimmungen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geprüft. Für den Nicht-Finanzsektor, zu dem unter anderem Notare, Rechtsanwälte und Immobilienmakler gehören, gibt es keine zentrale Aufsichtsbehörde auf Bundesebene. Auffällig ist, dass es aus diesem Bereich kaum Meldungen gibt – nur zwei Prozent aller Meldungen kommen aus dem Nicht-Finanzsektor. Es liegt also die Vermutung nahe, dass es manche Verpflichteten nicht allzu ernst mit ihrer Meldepflicht nehmen, wohl auch, weil selten Konsequenzen durch die dezentralen Aufsichtsbehörden drohen.
Das Problem ist aber nicht nur die unzureichende Aufsicht, sondern auch der Umgang mit Verdachtsmeldungen, wenn diese denn schon mal erfolgen. Dafür ist in Deutschland die Financial Intelligence Unit (FIU) zuständig, die auch unter der Bezeichnung Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen bekannt ist und seit 2017 als eigenständige Abteilung beim Zollkriminalamt angesiedelt ist. Sie soll die Hinweise prüfen und gegebenenfalls an Strafverfolgungsbehörden weitergeben. Damit sollte die Geldwäschebekämpfung vor einiger Zeit zentralisiert und effektiver gestaltet werden. Doch die FIU selbst ist eine von Skandalen geplagte Behörde: Tausenden Hinweisen wurde zu spät nachgegangen, es gab gravierende IT-Probleme und einen extremen Personalmangel. Rahmenbedingungen, die es Geldwäschern sehr leicht machen.
Ein Rechercheprojekt des Berliner Tagesspiegels zeigte zudem, dass tausende Wohnungsbestände in Berlin auf Stiftungen und juristische Personen (Firmen) eingetragen sind, deren Anteilseigner auf den Bahamas oder vergleichbaren Standorten registriert sind. So wird ermöglicht, dass nicht nachvollzogen werden kann, woher die Mittel für die Immobilien kommen und wer wirklich der Eigentümer ist. Um dem entgegenzutreten wurde 2016 ein Projekt gestartet, um für diesen Zweck eine zentrale Datenbank der Grundbücher einzuführen, auf die alle Strafverfolgungsbehörden Zugriff haben. Die Datenbank sollte bis zum November 2019 fertiggestellt werden. Anfang 2020 hieß es dann, es dauere weitere 4 Jahre. Von Dringlichkeit also weiterhin keine Spur.
Einerseits verschleppt Deutschland also die Schaffung von Instrumenten, mit denen in Grundbüchern eingetragene Immobilienbesitzer, die die eigentlich wirtschaftlich Berechtigten geheim halten, ermittelt und verfolgt werden könnten. Andererseits setzt Deutschland keine Bargeldobergrenze für Immobiliengeschäfte und etabliert keine zentrale Aufsichtsbehörde, um die Einhaltung des Geldwäschegesetzes zu sichern. In dem Zusammenhang ist die etwas zugespitzte Aussage des italienischen Staatsanwalts Nicola Gratteri zu verstehen: „In Deutschland kann jemand mit Geldkoffern aufkreuzen – und niemanden interessiert es, ob der das Geld mit Kokain, menschlichen Organen oder Sklaven verdient hat“. Gratteri arbeitet an einem der größten Mafiaprozesse Italiens. Kritik an Deutschlands Umgang mit illegalen Geldern ist schon lange aus Italien zu hören. Es sei für die Mafia zu leicht, Geld in Deutschland zu waschen. Die Untätigkeit hierzulande hat also auch desaströse Folgen für die Rechtsstaatlichkeit weit über unsere Grenzen hinaus.
In den letzten Jahren gab es zumindest zwei positive Schritte auf diesem Gebiet. Im Sommer 2017 wurde die strafrechtliche Vermögensabschöpfung reformiert, die Beweislast wurde quasi umgekehrt. Das bedeutet, bei ungeklärten Vermögenswerten muss der Besitzer die legale Herkunft des Geldes belegen. Dadurch wurde es leichter, illegal erstandene Vermögen einzuziehen. Ein Jahr später beschlagnahmte das Land Berlin 77 Immobilien im Wert von rund 9 Millionen Euro, die Akteuren der Organisierten Kriminalität gehörten. Doch das sind nur Nadelstiche. Dieses Mittel muss weiterhin rigoros angewandt werden, um den Immobiliensektor weniger attraktiv für Kriminelle zu machen.
Mehr Aufsicht und Transparenz
Ebenfalls in Berlin wurde Anfang 2020 eine Task-Force Geldwäsche geschaffen, um die Arbeit der Notare zu prüfen. Denn aus Ermittlungen ergab sich die Erkenntnis, dass Notare Immobiliengeschäfte der Organisierten Kriminalität regelmäßig absegneten, ohne Verdachtsmeldungen an die dafür zuständige FIU abzugeben. Solche gezielten Überprüfungen sollten eigentlich die Regel und keine Ausnahmen sein. Die Bürgerbewegung Finanzwende fordert deshalb, eine zentrale Aufsichtsbehörde auf Bundesebene zu etablieren, die die Einhaltung des Geldwäschegesetzes im Nicht-Finanzsektor beaufsichtigt. Es kann nicht sein, dass die Organisierte Kriminalität auf ein globales Netzwerk zurückgreifen kann, während ein kleines Bundesland wie z.B. Bremen alleine die Einhaltung der Bestimmungen prüfen soll. Leidtragende dieser ineffizienten Strukturen sind letztendlich wir alle. Denn so können weiterhin über 20 Milliarden Euro illegale Gelder in den Immobiliensektor fließen und die Spekulation anheizen. Täter aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität kümmert es vergleichsweise wenig, wenn eine Immobilie teurer als marktüblich ist. Ihnen geht es vor allem darum, große Mengen an Geld in legale Sektoren einzuspeisen.
Doch die Etablierung einer zentralen Aufsichtsbehörde für den Nicht-Finanzsektor reicht keinesfalls aus. Es muss schnellstmöglich ein vollumfängliches, leicht einsehbares und transparentes Immobilienregister eingeführt werden. Als Übergangsschritt, bis ein solches etabliert ist, sollen alle Grundstückseigentümer verpflichtet werden, alle Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten, einschließlich der Mittelherkunft für den Erwerb des Grundstücks, der Aufsichtsbehörde FIU zu melden. Werden diese Angaben nicht offengelegt, muss es zu einer obligatorischen administrativen Beschlagnahme des Grundstücks kommen. Immobilien, bei denen sich der wahre Eigentümer hinter Off-Shore-Strukturen versteckt oder die Finanzmittel aus illegalen Quellen stammen, könnten auf diese Weise dem Gemeinwohl zur Verfügung gestellt werden.
Das würde dafür sorgen, dass der materielle Einfluss der Organisierten Kriminalität auf den Immobilienmarkt eingedämmt wird und könnte eine Entspannung des überhitzten Marktes befördern. Immobilien, die mit illegalen Geldern erworben wurden, könnten dann wieder ihre gesellschaftliche Funktion erfüllen: Bezahlbaren Wohnraum für Bürger/innen bereitzustellen.
Konrad Duffy ist Referent für Finanzkriminalität bei der Bürgerbewegung Finanzwende.
MieterEcho 415 / März 2021