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MieterEcho 418 / Juni 2021

Steuergeschenke für Immobilieninvestoren

Durch Share Deals entgehen Ländern und Kommunen pro Jahr eine Milliarde Euro – die Novellierung des Gesetzes wird daran wenig ändern

Von Sara Feiner Solís

Wenn Otto Normalbürger und Lebenspartner/in ein
 Haus, eine Eigentumswohnung oder ein Grundstück kaufen, müssen sie Grunderwerbsteuer bezahlen. Diese Steuer beträgt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5% und wird auf den Kaufpreis aufgeschlagen. In Berlin liegt die Grunderwerbsteuer bei 6%. Bei einer Berliner Wohnung für 300.000 Euro wären das zusätzliche 18.000 Euro. Das ist ganz schön viel für Otto und seine Familie.   

Wenn es nicht um den Kauf einer einzelnen Wohnung geht, sondern um einen ganzen Häuserblock, dann ist der Steuerbetrag entsprechend höher: Es geht dann um riesige Summen. Immobilieninvestoren wie Wohnungsunternehmen, Fonds oder Banken können aber legale Schlupflöcher finden, um die Grunderwerbsteuer zu umgehen. Somit entgehen den Ländern und Kommunen bundesweit jährlich rund eine Milliarde Euro an Steuereinnahmen. In Berlin sind es etwa 100 Millionen Euro jährlich – das wären etliche Schulen und Krankenhäuser oder auch kommunale Wohnungen. Doch wie genau drücken sich die Investoren vor der Steuer? Durch sogenannte „Share Deals”. Share Deals bezeichnen Geschäfte, bei denen Anteile an einer immobilienbesitzenden Firma gekauft werden, ohne dass die Immobilie selbst gekauft wird. Die Immobilie wird dafür in eine Unternehmenshülle gesteckt. Diese Unternehmenshülle hat oft weder Beschäftigte noch ein konkretes Geschäftsmodell. Wenn nun der Käufer Anteile an diesem Unternehmen erwirbt, dann wechselt der Eigentümer der Immobilie im Grundbuch nicht. Es ist dieselbe Firma, die laut Grundbuch die Immobilie besitzt. Was sich geändert hat, sind die Eigentümer, die Anteile an dieser Firma besitzen. Die Käufer müssen dann keine Grunderwerbsteuer bezahlen. Selbst wenn der Käufer die überwiegende Mehrheit der Anteile, also knapp 95% der Anteile, kauft.  Oft wird ein anderer Partner involviert, der die restlichen 5% behält. Dieses Modell wird in Berlin beispielsweise von Akelius und mit ihr eng verbundenen Unternehmen in Zypern gerne benutzt.

Nur eine kosmetische Korrektur

So ersparen sich Immobilieninvestoren enorm viel Geld. Der Kauf und Verkauf von Immobilien (genauer gesagt, Anteilen an Immobilien) wird somit profitabler. Das fördert Spekulation und trägt dazu bei, dass Miet- und Kaufpreise in die Höhe schießen. Dass dieses Schlupfloch immer noch existiert, liegt in der Verantwortung des Staates.

Kürzlich hat der Bundestag eine Reform der Grunderwerbsteuer verabschiedet. Allerdings löst diese Reform das Problem nicht. Es wurde im Kern lediglich die Grenze an Anteilen verschoben, ab denen man von der Steuerzahlung befreit ist. Zuvor konnte der Käufer die Grunderwerbsteuer umgehen, wenn er unter 95% der Anteile kaufte. Nun wird diese Grenze auf 90% gesenkt. Das macht Share Deals allenfalls ein wenig unattraktiver, ist aber für große Investoren nicht abschreckend genug. Effektive Wirkung hätte eine solche Grenze erst ab einer Schwelle von 50%. Denn erst ein Anteil von mehr als 50% an einem Unternehmen begründet eine beherrschende Stellung.

Außerdem können Immobilieninvestoren mit Share Deals Regulierungen wie das kommunale Vorkaufsrecht umgehen, was zu weiterer sozialer Verdrängung führt. Denn bisher erfährt der Bezirk oft gar nicht von den Share Deals, weil, wie oben erläutert, keine Änderung im Grundbuch stattfindet. Hoffnungen macht deswegen die Initiative des Berliner Senats, wonach Anteilskäufe anzeigepflichtig werden sollen, damit der Bezirk das Vorkaufsrecht überhaupt nutzen kann.

Die legale Steuervermeidung mittels Share Deals ist ungerecht, weil der normale Bürger deftig bezahlt, während große Investoren oft überhaupt keine Grunderwerbsteuern bezahlen und somit maximalen Gewinn aus Immobilientransaktionen erlangen. Der Staat fördert somit, dass sich Spekulation lohnt. Dieser Ungerechtigkeit muss ein Ende gesetzt werden, da diese Spekulation dazu führt, dass Wohnungspreise und Mieten für viele noch unerschwinglicher werden. 

 

Sara Feiner Solís ist Ökonomin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestagsbüro von Fabio De Masi (Die Linke).


MieterEcho 418 / Juni 2021