Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 412 / Oktober 2020

Soziale Wohnraumversorgung im Bonsai-Format

Das geschützte Segment der landeseigenen Wohnungsunternehmen
ist wenig mehr als ein Placebo gegen Wohnungsnot

Von Rainer Balcerowiak

Seit April 2017 gilt die aktuelle Kooperationsvereinbarung des Berliner Senats mit den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU). Unter dem Titel „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung" werden allerlei hehre Ziele aufgeführt. So sollen die Möglichkeiten einkommensschwächerer Haushalte erhöht werden, trotz steigender Mieten in der inneren Stadt zu wohnen.

Neben Deckelung der Mieten bei Bestandsverträgen einkommensschwacher Haushalte sind vor allem bestimmte Kontingente bei der Neuvermietung vereinbart. So sollen 60% der jährlich zur Wiedervermietung kommenden Wohnungen an WBS-Berechtigte zur ortsüblichen Vergleichsmiete „unter Beachtung der Berliner Mischung“ vermietet werden. 25% der WBS-Wohnungen sind „besonderen Bedarfsgruppen“ vorbehalten, die auf dem freien Wohnungsmarkt weitgehend chancenlos sind. Der Kreis der Berechtigten wurde erweitert, er umfasst nunmehr Transferleistungsbeziehende, Obdachlose, Geflüchtete, Student/innen, Schüler/innen, Auszubildende und betreute Wohnformen. Bezogen auf alle Neuvermietungen gibt es für diese Gruppen also ein geschütztes Segment von 15%. Erstbezüge von Neubauten unterliegen nicht dieser Quotenregelung. Ferner gibt es Ausnahmeregelungen für einzelne Siedlungen. Dort können die Quoten „zur Stabilisierung der sozialen Zusammensetzung“ abgesenkt werden, auf 40% für WBS-Berechtigte und 10% für Haushalte mit besonderem Bedarf. Das betraf unter anderem Bestände im Märkischen Viertel, in Hellersdorf, die Paul-Hertz-Siedlung und Wohnbauten entlang des Spektegrünzugs.

2019 gab es bei den LWU insgesamt 15.201 Neuvermietungen im Bestand. Damit ist das Wohnungsangebot der LWU trotz vergrößerter Bestände erneut gesunken, 2013 gab es noch 21.115 Neuvermietungen, doch der zunehmende Wohnungsmangel und die explodierenden Mieten auf dem „freien Markt“ haben die Fluktuation deutlich sinken lassen.

Weiterhin dramatischer Wohnungsmangel

Laut dem Jahresbericht zur Umsetzung der Kooperationsvereinbarung der Wohnraumversorgung Berlin (WVB), einer Anstalt öffentlichen Rechts, wurde die Quote für die Vergabe an besondere Bedarfsgruppen 2019 deutlich übererfüllt, insgesamt wurden 5.477 Wohnungen nach diesen Kriterien vergeben. Davon gingen 2.060 an Transferleistungsbeziehende. Im traditionellen „geschützten Marktsegment“, das vor allem Wohnungslosen zugutekommt, waren es 1.133. Geflüchtete sind mit 768 Wohnungen aufgeführt, Studierende, Schüler/innen und Auszubildende mit 954. Weitere 562 Mietverträge gingen an Angehörige nicht weiter aufgeschlüsselter „sonstiger Bedarfsgruppen“.

Angesichts der dramatischen Wohnungsnot ist das aber wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Zahl der Menschen ohne mietvertraglich gesicherte, eigene Wohnung geht in die Zehntausende. Aktuell sind laut Sozialverwaltung knapp 40.000 Menschen provisorisch untergebracht, die sich bei den Bezirken als wohnungslos gemeldet haben. Darunter auch rund 12.000 Geflüchtete mit Aufenthaltstitel, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten und noch immer in Sammel- oder Gemeinschaftsunterkünften leben müssen. Dazu kommen noch Obdachlose und Menschen, die bei Verwandten oder Bekannten mal hier und mal da unterkommen. Die Grauzone der Wohnungslosigkeit ist riesig, prekäre Wohnformen, wie etwa illegale Untervermietung, erleben einen regelrechten Boom. Das gilt auch für die als „innere Verdichtung“ bezeichnete Überbelegung von Wohnungen oder das quasi zwangsweise Verbleiben jüngerer Erwachsener in den elterlichen Wohnungen.
Die Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und LWU zur sozialen Wohnraumversorgung ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Doch sie reicht längst nicht aus, um die dramatische Wohnungsnot auch nur einzudämmen. Dazu bräuchte es ein engagiertes, kommunales Wohnungsbauprogramm. Bei dieser neben der Mietenregulierung entscheidenden Stellschraube hat der rot-rot-grüne Senat auf ganzer Linie versagt.


MieterEcho 412 / Oktober 2020

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