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MieterEcho 408 /

Profitinteresse schlägt Meinungsfreiheit

Mieter in der Friedelstraße 54 muss kritisches Transparent abhängen

Von  Peter Nowak                                   

Lange Zeit waren Transparente mit politischen Botschaften fast nur an den Wänden linker Hausprojekte zu sehen. Das hat sich in Berlin geändert und ist eine Folge des Aktivismus von Mieter/innen. Wenn sich Hausbewohner/innen gegen Verdrängung zusammenschließen, bekunden sie oft mit Transparenten, dass sie sich wehren. Diese sollen Nachbar/innen Mut machen, es ihnen gleichzutun.                                     


Es ist begreiflich, dass Hauseigentümer/innen immer wieder gegen Mieter/innen vorgehen, die Transparente aufhängen. So erging es auch Klaus Strohwig, Mieter in der Friedelstraße 54 in Neukölln. Er hatte ein Transparent mit der Parole „Wir bleiben alle! Soziale und widerständige Orte schaffen und erhalten“ aus seiner Wohnung gehängt und war deswegen von der Hauseigentümerin, der Briefkastenfirma Pinehill S.a.r.l., abgemahnt und zum Abhängen aufgefordert worden. Mit Unterstützung der Berliner Mietergemeinschaft klagte Strohwig und gewann den Prozess in der ersten Instanz. Die Aussage des Transparents falle unter die Meinungsfreiheit, erklärte das Gericht und ließ wegen des geringen Streitwerts keine Revision zu. Dagegen legte Pinehill Beschwerde ein und bekam beim Bundesgerichtshof Recht. Der Streitwert wurde hochgesetzt und so konnte die Immobilienfirma in Revision gehen.         
Nachdem die Vertreter/innen der Briefkastenfirma eine gütliche Einigung ablehnten, entschied das Landgericht am 18. Februar in ihrem Sinne. Das Eigentumsrecht wiege in diesem Fall schwerer als das Recht auf Meinungsfreiheit. Die Pinehill hatte vor Gericht argumentiert, dass durch das Transparent ihre Renditeerwartungen bei einem Verkauf des Hauses bis zu 20% sinken könnten. Eine Revision hat das Gericht nicht zugelassen. „Das Urteil ist ein Fußtritt ins Gesicht kämpferischer und solidarischer Mieter/innen. Transparente gehören angesichts der riesigen sozialen und ökonomischen Probleme, die die kapitalistische Immobilienspekulation verursacht hat, heutzutage zum Alltag in Berliner Straßen“, kommentierte der betroffene Mieter das Urteil gegenüber dem MieterEcho.       

                                 
Urteil ist Einzelfall      
     
Der Konflikt zwischen den Mieter/innen der Friedelstraße 54 und der Pinehill ist alt. Das Haus wurde bekannt, weil dort 2017 der Stadtteilladen geräumt wurde, der sich im Erdgeschoss befunden hat. Vorher  hatten die Ladenbetreiber/innen gemeinsam mit den Bewohner/innen vergeblich versucht, das Haus nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats zu kaufen. Stattdessen erwarb die Briefkastenfirma Pinehill das Haus von der damaligen Eigentümerin, der Citec Immo Invest GmbH. Pinehill ließ nicht nur den Kiezladen räumen, sie erhöhte auch die Mieten der Bewohner/innen. Mittlerweile wurden Wohnungen zu knapp 20 Euro/qm neu vermietet. Aber der Widerstandsgeist der verbleibenden Mieter/innen ist ungebrochen. Das Transparent wird Strohwig aber abhängen müssen, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Wenn die Begründung bekannt ist, will er mit seinem Rechtsanwalt Lukas Theune überlegen, ob er Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegt.  Bei einer erneuten Abmahnung droht ihm die Kündigung. Theune betont im Gespräch mit dem MieterEcho, dass es keinen Grund für andere Mieter/innen gibt, jetzt auch ihre Transparente abzuhängen. Es komme immer auf den Einzelfall an. Zudem gäbe es auch Gerichtsurteile, die diese Transparente als legitimen Akt der Meinungsfreiheit beurteilten.      


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