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MieterEcho 417 / Mai 2021

Monopoly an der Hasenheide – Anwohner fürchten Verdrängung

Das Gebiet zwischen Hermannplatz und Südstern ist ein neuer Hotspot der Immobilienspekulation

Von Gaby Gottwald

Viel zu hoch, viel zu protzig ragt der Neubau an der Hasenheide 74 - 78 über den angrenzenden Park. 210 Mietwohnungen für rund 20 Euro/qm vermietet hier die Bewocon. Um die Ecke in der Jahnstraße bietet die zur Vonovia gehörende BUWOG Eigentumswohnungen für 8.000 Euro/qm feil. Neue Eigentumswohnungen entstehen auch in der Hasenheide 87 und im Hinterhof der Hasenheide 55. Exklusiv – in direkter Parknähe – und zu Preisen, die sich die allermeisten Berliner/innen nicht leisten können, drängen potente Kapitalgesellschaften mit überteuerten Neubauten in das Gebiet.

In den umliegenden Altbauten wütet das Immobilienkapital, das auf Entmietung ausgerichtet ist. Die Hasenheide 47 wurde von der Majakit Berlin Grundstücks GmbH leergeräumt, die einer Briefkastenfirma auf Zypern gehört und seit Jahren trickst und täuscht, um das Eingreifen des Bezirksamtes gegen den Leerstand aufzuhalten. Die Hasenheide 50 ging kürzlich an einen bekannten Immobilienverwerter. Durch die Androhung des Vorkaufsrechtes konnte eine Abwendungsvereinbarung unterzeichnet werden, die den Druck auf die Mieter/innen abfedert. Die Hasenheide 67 hat die berüchtigte Accentro dagegen bereits filetiert und mit dem Verkauf von Eigentumswohnungen vergoldet.

Auch den Mieter/innen der Hasenheide 52/53 droht eine ungewisse Zukunft, da ihr Haus an die Java Gruppe von Peyvand Jafari verkauft wurde, der mit einem Joint Venture auch an den Neubauten in der Hasenheide 55 beteiligt ist. Der Vorkauf scheiterte, weil der erhebliche Zuschussbedarf vom Finanzsenator nicht bewilligt wurde. Eine sehr missliche Entscheidung, denn Jafari ist kein Unbekannter. Er sitzt u.a. im Aufsichtsrat der Fortis AG, die 2018 in Berlin einen Großangriff auf Mieter/innen startete. Damals noch Geschäftsführer, schickte Jafari den Mieter/innen der Lenbachstraße 7 wenige Tage vor der Kappung der Modernisierungsumlage (bei 8 statt vorher 11%) eine Modernisierungsankündigung, die die Miete verdreifachen sollte. Trotz heftiger Abwehrkämpfe und viel Solidarität gelang es Jafari, die Mieter/innen aus dem Haus zu drängen und teure Eigentumswohnungen zu verkaufen. Jafaris Unternehmen operieren über einem Briefkasten in der Steueroase Zossen.

Die Käufer der Altbauten in der Hasenheide sind in der Regel eiskalte Immobilienverwerter. Bestandsmieter/innen sind bloß ein Hindernis bei der Rendite-optimierung. Vor dieser gezielten Verdrängungsstrategie schützt oft auch der Milieuschutz nicht, da das Bundesrecht Umgehungen des Umwandlungsverbotes ermöglicht.

Konsumtempel für Betuchte

Und so wird im Verbund mit teurem Neubau das Gebiet zwischen Südstern und Hermannplatz völlig umgekrempelt. Für die neue Kaufkraft im Kiez plant die Signa Holding bereits einen monumentalen Konsumtempel. Karstadt am Hermannplatz, das „Warenhaus für Alle“, soll dafür abgerissen werden. Das Gebiet um die Hasenheide wird zum Prototyp für den forcierten Austausch der ansässigen Wohnbevölkerung zugunsten eines zahlungskräftigeren Publikums. Es zeigt sich auch, dass Neubau nicht automatisch zur Entlastung des Marktes führt, sondern geradezu Katalysator für eine beschleunigte Gentrifizierung sein kann. Es hilft nur bezahlbarer Neubau.

Da der Mietendeckel gekippt wurde, werden Strategien zur Mietoptimierung wieder stärker durchschlagen und die Bestandsmieter/innen unter Dauerdampf halten. Notwendig ist jetzt ein bundesweiter Mietenstopp. Zusätzlich sollten Öffnungsklauseln im Mietrecht für die Länder geschaffen werden, damit in Ballungsgebieten auch drastischere Regulierungen der Mieten erlaubt sind. Bis dahin – und der Weg ist weit – muss der Spielraum für die Ausübung des Vorkaufsrechtes erweitert werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Kauf teurer Altbauten mit hohem Sanierungsbedarf und niedrigen Mieten unwirtschaftlich ist – es sei denn, man verdrängt die Bestandsmieter/innen und wandelt um. Für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften müssen die Koordinaten beim Vorkauf geändert werden, damit sie handlungsfähig bleiben und das Vorkaufsrecht nicht zu einer leeren Drohung wird.

 

Gaby Gottwald ist Abgeordnete aus Kreuzberg in der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie Verantwortliche in der Fraktion für den Mietendeckel.


MieterEcho 417 / Mai 2021