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MieterEcho 416 / April 2021

Mit Kreuz und Reichsapfel

Wo der Palast der Republik stand, entsteht jetzt ein Schaufenster für koloniale Raubkunst

Von Dirk Teschner

Zerstörung und Abriss des Palastes der Republik hinterlassen in Berlins Mitte eine bleibende Wunde. Trotz großen Protesten und unzähligen wunderbaren Ausstellungen im vom Asbest befreiten Gebäude schaffte es die rückwärts gewandte Koalition der Schlossbefürworter, Hohenzollern- und Schinkelfans, in- und außerhalb des Bundestages eine Lobby für den Schloss-Wiederaufbau zu schaffen. 

Dazu gesellten sich die Freunde und Verwalter der kolonialen Raubkunst. In das alte Berliner Schloss, das den Namen Humboldt Forum bekam, ziehen die Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) ein – mitsamt einer Vielzahl während der deutschen Kolonialzeit (1884-1919) geraubter Objekte. Eine Rückgabe der geraubten Gegenstände wird nach wie vor abgelehnt. Während die Gesamtkosten für den Nachbau des Berliner Schlosses und die Einrichtung des Humboldt Forums sich momentan auf 660 Millionen Euro belaufen, wurden dem Staat Namibia erbärmliche 10 Millionen Euro als Wiedergutmachung für den deutschen Genozid an den Herero und Nama angeboten.

Nigeria fordert von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz seit vielen Jahren die Rückgabe der Benin-Bronzen, unterstützt vom internationalen Museumsrat. Genützt hat es wenig. Diese Raubkunst aus der Kolonialzeit soll ab Herbst 2021 im Humboldt Forum präsentiert werden. Es besteht nicht der Wille, sich mit dem Thema Raubgüter umfassend zu beschäftigen. Die Provenienzforschung wird vernachlässigt, es gibt keine Rückgabe der Gebeine aus Ruanda, die im Zuge der rassistischen Forschung nach Berlin kamen und noch immer in den Depots der Stiftung lagern.

Während andernorts in der Welt Kolonialdenkmäler gestürzt wurden, wurde das wieder aufgebaute Berliner Schloss Ende Mai 2020 mit einem goldenen Kreuz samt Reichsapfel „gekrönt“. Die Errichtung dieser Symbole imperialistischen Ehrgeizes und christlicher Dominanz verstärkte die Kritik über den heillosen Weg des Humboldt Forums. 

Der Marburger Historiker Eckart Conze warnt vor einem neuen schwarz-weiß-roten Nationalismus. Er kritisiert die symbolische und geschichtspolitische Botschaft, die vom Schloss ausgeht, in dem die zu Kolonialzeiten geraubten Kulturgüter zu sehen sein sollen. Darin sieht er eine „selektive Aneignung von Architektur und Architekturgeschichte in der Berliner Republik“.
Die Forschung über Raubgüter betreiben Basisgruppen wie „Each One Teach One“, „Berlin Postkolonial“ und die „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD)“, die, unterstützt vom Stadtmuseum Berlin, vor einem halben Jahr ein Projektbüro in der Wilhelmstraße 92 eröffneten. Dort wo die Reichskanzlei stand, dort wo von Bismarck eingeladen die Afrikakonferenz stattfand, entsteht mit „Dekoloniale – Erinnerungskultur in der Stadt“ ein Projekt für Kolonial- und Widerstandsgeschichte.

Aus den Reihen der Berliner Kunstszene gibt es seit Jahren Aktivitäten gegen das Humboldt Forum. Diese werden in diesem Jahr verstärkt weitergeführt. Mehrere Gruppen aus dem künstlerischen Kontext versuchen mit ihren jeweiligen Aktionen den Rückbau des Schlosses voranzutreiben. Dazu gehört die Coalition of Cultural Workers against the Humboldt Forum (CCWAH), ein im Sommer 2020 gegründetes offenes und stetig wachsendes Bündnis von Kulturschaffenden.  

Widerstand gegen Humboldt Forum

Im Dezember 2020 startete die CCWAH ihre Plakatkampagne „Ich mache nicht mit, weil…“ als Sprachrohr für die vielen Gründe, warum es eine schlechte Idee ist, für das Humboldt Forum oder mit ihm zusammen zu arbeiten. Gleichzeitig initiierte die Koalition ihre Kampagne „Defund the Humboldt Forum“. Sie schlägt vor, die Ressourcen der Mega-Institution in eine nachhaltige und sinnvolle Dekolonisierung der Berliner Kulturinstitutionen, Sammlungen und Programme umzuleiten.

Eine andere Initiative mit Namen „Owned by Others“ mietete im Nikolaiviertel, schräg gegenüber vom Schloss, einen kleinen Laden an, das „Museum Tropicana“. Dorthin lud sie im letzten Jahr Künstler/innen, ein um aktuelle Arbeiten zum Thema Schloss und Kolonialismus zu zeigen. 

Weitere Initiativen sind das „Rosa Kollektiv“ mit wöchentlichen Onlineauftritten aus der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, das Projekt „Schlossrückbau 21“ von Marion Pfaus, die Gruppen „No Humboldt 21“, „Decolonize Berlin Alliance“, „AfricAvenir“, „Afrotak TV cyberNomads“, „Barazani“, „Kunst gegen Rechts“ und andere. Die momentanen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie machen Kundgebungen, Demonstrationen und Ausstellungen schwer möglich.

So bleiben nur Onlineauftritte, Plakataktionen und das Publizieren in Zeitschriften. CCWAHs  Slogan „Tear it down and turn it upside down“ (Reißt es ab und stellt es auf den Kopf) fordert den Rückbau der kreuztragenden Kuppel mitsamt der dazugehörigen Inschrift, die verlangt, dass „die Lebenden und die Toten bedingungslos vor Jesus knien“. Der Slogan von CCWAH legt nahe, die Logik der neokolonialen Ansprüche des Forums umzukehren und die verschütteten, streitigen Fragen seines Fundaments ans Licht zu bringen. 

 

Dirk Teschner ist Kurator, Galerist und Publizist. Er ist Mitbetreiber der Galerie HAMMERSCHMIDT + GLADIGAU in Erfurt und des Kunstraumes KORN in Berlin. Er lebt und arbeitet in Berlin und Erfurt.



MieterEcho 416 / April 2021