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MieterEcho 411 /

Krasser als gedacht

Steigende Mieten sind ein Motor der Vermögensungleichheit

Von Philipp Mattern

Die Vermögenskonzentration ist höher, als bisher angenommen. Diese Erkenntnis liefert eine viel beachtete Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Aber welche Rolle spielt dabei das Immobilieneigentum?

 

Ziel der im Juli veröffentlichten Studie war es, eine statistische Lücke zu schließen. Es gab schlicht zu wenig Daten über Millionär/innen, weil sie in bisherigen Bevölkerungsbefragungen kaum vertreten waren. Folglich wurden die Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels um eine Zusatzstichprobe ergänzt und des Weiteren so genannte Reichenlisten aus Managermagazinen hinzugezogen. Letztere seien zwar mit Vorsicht zu genießen, lieferten aber wichtige Hinweise. Das Ergebnis ist eine Überraschung, die eigentlich keine ist. Die Reichen sind reicher, als man bisher dachte. Und die Vermögensungleichheit ist noch krasser als zuvor bekannt.

Das reichste Prozent der deutschen Erwachsenen besitzt rund 35% des Gesamtvermögens. Das ist mehr, als die unteren 90% haben. Zusammen vereinen die Top Ten der Vermögenden folglich mehr als zwei Drittel des Reichtums, während die untere Hälfte über gerade einmal 1,4% verfügt. Heraus sticht das reichste Promille: Alleine diese kleine Gruppe verfügt über mehr als 20% der Vermögen und damit über fast dreimal so viel, wie bisher angenommen wurde. Vor der Studie schätzte man den Anteil auf etwa 7%.

 

Immobilien als Quelle des Reichtums

Im rechnerischen Durchschnitt besitzt jede erwachsene Person knapp 140.000 Euro, wobei Personen aus der ärmeren Hälfte der Bevölkerung ein Nettovermögen von höchstens 22.800 Euro haben. Der Mittelwert liegt hier bei nur 3.700 Euro. 1,5% der Bevölkerung hingegen verfügen über mehr als eine Million Euro netto. „Damit liegt die Vermögensungleichheit in Deutschland auch im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau“, weiß die Studie. Die Nettovermögen seien sogar noch ungleicher verteilt als die Einkommen oder der Konsum. Erwähnenswert ist auch die Feststellung, dass Millionär/innen nicht nur über höhere Vermögen verfügen, sondern dass sie diese auch anders anlegen als der Rest. Hierbei wird schnell deutlich, welche herausragende Rolle das Immobilieneigentum spielt. Während die überwiegenden Vermögenswerte der sogenannten „unteren Hälfte“ aus Fahrzeugen bestehen, ist bei der „oberen Mittelschicht“, die zwischen 22.800 und 126.000 Euro Nettovermögen hat, das selbstgenutzte Wohneigentum die wichtigste Komponente. Ähnlich sieht es bei der Gruppe der „Wohlhabenden“ aus, die bis zu einer Million Euro besitzen. Bei ihnen spielen bereits die sogenannten sonstigen Immobilien eine nicht unwichtige Rolle. Sie machen gut 15% ihres Eigentums aus und rücken somit auf Platz zwei der Vermögenskomponenten. Bei den Millionär/innen dominiert das Betriebsvermögen, es macht gut 40% ihres Reichtums aus. Das nicht selbst genutzte Immobilieneigentum macht bei ihnen mehr als ein Viertel aus, gefolgt von dem selbst genutzten in einer Größenordnung von knapp einem Fünftel. Zählt man beide zusammen, so lässt sich erkennen: Der meiste Reichtum in Deutschland existiert in Form von Immobilien. Dass Millionär/innen ihr Geld nicht auf Sparbüchern parken, hat einen guten Grund. „Es dominieren somit Anlageformen, die auf die Generierung von Erträgen (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Gewerbebetrieb) abzielen. Geldvermögen spielt in der Gruppe der MillionärInnen eine untergeordnete Rolle“, schlussfolgern die Expert/innen vom DIW. Der hohe Immobilienbesitz ist also nicht allein Resultat des Reichtums, sondern eine der wichtigsten Quellen seiner Vermehrung.

 

Umverteilung von unten nach oben

Hier offenbart sich, zu welch fataler verteilungspolitischen Wirkung eine ungezügelte Mietenentwicklung führt, wie sie sich in der jüngeren Vergangenheit abgespielt hat. Wenn Mieten wesentlich schneller steigen als die Einkommen breiter Bevölkerungsschichten, führt dies zu einer Umverteilung von unten nach oben. Umgekehrt zeigt sich die wichtige verteilungspolitische Dimension einer konsequenten Regulierung der Miethöhen. „Mieten runter – Löhne rauf“, wäre die naheliegende Maßgabe einer Politik, die die Vermögensungleichheit ernsthaft korrigieren möchte. Ebenso wäre eine wirkungsvolle Abschöpfung des angehäuften Reichtums, von dessen Größenordnung scheinbar auch die Forscher/innen des DIW überrascht waren, mehr als naheliegend. Vor diesem Hintergrund irritieren die Schlussfolgerungen, die die Autor/innen der Studie ziehen. Sorgsam bedacht, bloß keine „Neiddebatten“ anzustoßen, plädieren sie dafür, lieber den Vermögensaufbau der Ärmeren zu unterstützen, anstatt den Reichen etwas wegzunehmen. Das soll etwa durch die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge oder die Eigenheimförderung gelingen. Machen schon diese Vorschläge stutzig, bleiben die vorgebrachten Einwände gegen eine Vermögenssteuer vollends unverständlich. Sie wäre ein negativer Anreiz, das Vermögen produktiv anzulegen, dadurch wären Arbeitsplätze in Gefahr. Außerdem wäre sie ungerecht, da sie diejenigen besonders treffe, die viel sparen, um ihre Konsummöglichkeiten in der Zukunft zu vergrößern. „Hier besteht also die Frage, warum man diejenigen stärker besteuern sollte, die lieber morgen konsumieren möchten oder vorsichtiger sind“. Haben die Autor/innen der Studie doch selbst gezeigt, dass es bei der Vermögensanlage der Superreichen eben nicht ums Sparen zwecks späteren Konsums geht, sondern um die ertragsorientierte Anlage zwecks Vermehrung des Reichtums, welche selbst die Quelle des festgestellten Missstands ist, so bleibt ihr diesbezügliches Fazit nebulös.

Auf die Folgen des Immobilienbooms der vergangenen Jahre für die Vermögensverteilung hatte erst kürzlich eine weitere, im Frühjahr dieses Jahres veröffentlichte Studie der Universitäten Köln und Bonn hingewiesen. Gerade infolge der Bewegung an den Immobilienmärkten sei der Abstand zwischen oben und unten deutlich gestiegen. „Denn wer ein Haus, eine Wohnung oder andere Vermögenswerte besitzt – und vorher bereits genügend Vermögen auf der Seite hatte, um sich solches zu leisten – konnte im vergangenen Jahrzehnt von den Preisen profitieren“, heißt es dort. Die Preise jedoch zogen aufgrund der gestiegenen Erträge und Ertragserwartungen an. Insofern stimmt es leider nicht ganz, dass der Immobilienboom „an der unteren Hälfte der Vermögensverteilung jedoch beinahe vollständig vorbeigegangen ist“. Im Gegenteil, er hat sie hart getroffen. Die gestiegenen Erträge mussten schließlich von jemandem bezahlt werden. Die Mieter/innen haben einen guten Teil der skandalös hohen Privatvermögen Monat für Monat mitfinanziert.

 

Zur DIW-Studie:

www.diw.de/de/diw_01.c.793802.de/publikationen/wochenberichte/2020_29_1/millionaerinnen_unter_dem_mikroskop__datenluecke_bei_sehr_ho___geschlossen
______konzentration_hoeher_als_bisher_ausgewiesen.html


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