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MieterEcho 408 /

Konsumtempel im 20er-Jahre-Flair

Investor wirbt mit historischen Anleihen für umfassende Verwertungspläne am Hermannplatz

Von Tim Zülch             

Man könnte glatt ins Träumen kommen, wenn man die Pläne und Bilder des österreichischen Investors René Benko und seiner Firma Signa für eine Neugestaltung des Karstadtgebäudes am Hermannplatz, entworfen vom Architekten David Chipperfield, betrachtet. Abgerissen soll der jetzige 50er-Jahre-Bau werden und dann im Stil der „goldenen 20er Jahre“, die gerade auch im Fernsehen mit Babylon Berlin auferstehen, wiederaufgebaut werden. Etwa so wie der historische Teil des Gebäudes an der Hasenheide würde es dann aussehen. Doch auch für die Umgebung hätten die Pläne weitreichende Folgen.                                            

Das Unternehmen Signa kauft und entwickelt europaweit Immobilien und Flächen. René Benkos Privatfirma ist nach eigenen Aussagen mit einem Bruttovermögenswert von rund 20 Milliarden Euro „einer der bedeutendsten Immobilieninvestoren in Europa“. Das KaDeWe, Kaufhof-Karstadt, das Alsterhaus und zuletzt die Schweizer Globus-Kaufhäuser gehören zur Signa-Holding.    


Für das Gebiet um den Hermannplatz – das nicht wie das Grundstück selbst in Kreuzberg, sondern in Neukölln liegt – schwebt Signa eine umfassende Strategie vor. Laut Webseite solle ein „zukunftsweisendes Mobilitätskonzept (...) für mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität rund um den Hermannplatz“ sorgen. Was das bedeuten könnte, lassen Dutzende Webseiten mit Namen wie berlin-hermannplatz.com, spreemetropole-hermannplatz.shopping oder txl-hermannplatz.biz vermuten, die das Unternehmen bereits registriert hat.    „Momentan wissen wir nicht genau, wie es weitergeht“, sagt Bahman Wardasbi von der Initiative Hermannplatz, die sich gegen das Vorhaben wendet. „Wir gehen davon aus, dass Signa im Moment weitere Hintergrundgespräche führt und Lobbyarbeit betreibt.“                
Optimal lief es nicht für Benko, als der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (B90/Grüne) Mitte letzten Jahres das Vorhaben ablehnte. Aufgrund von Dimension, Wirkung und geplanter Nutzung des Gebäudes würde es im Stadtgefüge „wie ein Fremdkörper" wirken, so Schmidt.                                    
Gerangel um Planungshoheit        
Sowohl der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) als auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (B90/Grüne) sprachen sich indessen für eine Umsetzung des Neubauprojekts aus. Müller kritisierte vor dem Abgeordnetenhaus, das Verhalten von Schmidt habe zu einer Situation geführt, die „nicht akzeptabel“ sei und leistete damit Spekulationen Vorschub, der Senat könne das Verfahren an sich ziehen. Von der Neuköllner SPD wurde dies im September 2019 explizit gefordert.      

     
Noch im Juli 2019 war das Stadtplanungsamt Neukölln hingegen zu einem eher negativen Urteil bezüglich des Karstadt-Neubaus gekommen. Die Architektur besitze eine „in den Größenverhältnissen eher bedrohlich wirkende, sich nicht einfügende Kubatur“, hieß es in einer „Ersteinschätzung“. Außerdem führe das Bauvorhaben zu erhöhtem Parkdruck und einer „Standortbenachteiligung Karl-Marx-Straße“ für den dortigen Einzelhandel, auch wenn der Entwurf ein durchaus „faszinierendes Projekt“ erwarten lasse. Stadtenwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) sieht derzeit keinen Anlass, das Verfahren wegen seiner gesamtstädtischen Bedeutung an sich zu ziehen. Auf Nachfrage teilte die Pressestelle mit: „Bei dem Karstadt-Projekt am Hermannplatz handelt es sich um ein bezirkliches Vorhaben. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, dass wir uns als Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hierzu nicht äußern werden“.    


Viele Berliner/innen zweifeln mittlerweile, ob Benko als verurteilter Straftäter der Richtige sei, um am Hermannplatz zu investieren. Er hatte 2009 versucht, ein Steuerverfahren gegen ein italienisches Tochterunternehmen positiv zu beeinflussen, wie der Oberste Gerichtshof in Österreich 2014 urteilte. Durch das Ibiza-Video mit Hans-Christian Strache (FPÖ) kam heraus, dass Benko scheinbar die österreichische FPÖ finanziell unterstützt hatte, was Benko allerdings bestreitet. Außerdem taucht sein Name im Zusammenhang mit einem Untreueskandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB auf.      


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