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MieterEcho 411 /

„Enteignung bleibt das strategische Ziel“

Interview mit Michael Prütz

Im Beschlusstext des Volksbegehrens zur Vergesellschaftung großer privater Wohnungsbestände ist nicht mehr von einem entsprechenden Gesetz, sondern nur noch allgemein von „Maßnahmen“ die Rede, für die auch keinerlei Frist gesetzt wird. Michael Prütz von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ sieht darin kein Problem und setzt darauf, dass ein entsprechendes Gesetz im Koalitionsvertrag der nächsten Landesregierung verankert wird.

 

MieterEcho: Der Weg für die 2. Stufe des Volksbegehrens zur Enteignung großer Immobilienkonzerne in Berlin scheint frei zu sein. Wie sieht der weitere Zeitplan aus?    

Michael Prütz: Die Angelegenheit wird jetzt ans Parlament weitergeleitet. Das hat vier Monate Zeit, sich mit der Sache zu beschäftigen – oder auch nicht. Das Parlament kann die Volksinitiative annehmen, ablehnen oder einfach liegen lassen. Danach können wir den Antrag auf die Durchführung des Volksbegehrens stellen, das wird voraussichtlich im Januar der Fall sein. Die Sammlung der Unterschriften könnte im Februar beginnen. Dann haben wir vier Monate Zeit, um knapp 180.000 gültige Unterschriften zu sammeln.

 

Der jetzt zur Abstimmung stehende Text des Volksbegehrens wurde der Initiative ja faktisch vom Senat diktiert. Es ist ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang, dass der Senat, an den sich das Volksbegehren richtet, auch noch vorgibt, was dort drinsteht. Hat die Verzögerungstaktik des Senats bei der Prüfung des Volksbegehrens die Initiative mürbe gemacht?

Mürbe gemacht würde ich nicht sagen. Aber es hat sich in den Verhandlungen mit der Innenverwaltung herausgestellt, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Zulässigkeit des Inhalts von Volksbegehren gibt. Die Verwaltung beharrte auf dem Standpunkt, dass eine Aufforderung an den Senat, ein Gesetz zu erlassen, unzulässig sei. Unsere Jurist/innen sehen das vollkommen anders. Aber wir haben keine Möglichkeit gesehen, die Verwaltung zu einer Umkehr zu bewegen.

 

Die Forderung nach einem Gesetz zur Vergesellschaftung der Konzerne ist jetzt im Beschlusstext nicht mehr enthalten. Vielmehr ist von „Maßnahmen“ die Rede, die nicht näher spezifiziert werden. Dafür gibt es weder eine Frist, noch wird benannt, welche Unternehmen denn überhaupt „vergesellschaftungsreif“ seien. Wozu soll denn der Senat da eigentlich verpflichtet werden?

Wir haben den Begriff „alle Maßnahmen“ gewählt, weil unsere Jurist/innen der Auffassung sind, dies bedeutet für das Ziel der Vergesellschaftung auf jeden Fall, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Wir werden jetzt auch anfangen, für die Kampagne die Grundzüge eines Gesetzes zu erarbeiten. Vor allem geht es aber um politischen Druck. Ich erwarte von Linken und Grünen, dass sie den Erlass eines entsprechenden Gesetzes zur Vorbedingung für die Fortführung der rot-rot-grünen Koalition nach der der nächsten Wahl im Herbst 2021 machen.

 

Der Verfassungsrechtler Christian Pestalozza spricht in diesem Zusammenhang von einem angestrebten „unverbindlichen Parlamentsbeschluss“ über eine rechtlich unverbindliche Aufforderung, der Senat möge etwas unternehmen und sieht zudem die fehlenden Fristen als wesentliches Manko. Was können Sie dem entgegnen?

Genau deswegen ist es für uns ja so eminent wichtig, dass in den Gesprächen für eine erneute Koalition dieser drei Parteien, zu der es mit großer Wahrscheinlichkeit kommen wird, eine klare Festlegung im Koalitionsvertrag verankert wird, die auch mit einer Frist versehen werden muss.

 

Was hätte die Initiative denn mit einen erfolgreichen Volksbegehren und in der nächsten Stufe einem Volksentscheid auf der Basis des jetzigen Beschlusstextes überhaupt konkret erreicht? Der Senat wird ja zu keinen konkreten Maßnahmen verpflichtet.

Es hängt dann natürlich am nächsten Koalitionsvertrag, aber auch am außerparlamentarischen Druck, den wir auch entfalten wollen. Gerade in der Phase der Unterschriftensammlung und der Mobilisierung für den anschließenden Volksentscheid wird das ein zentraler Punkt sein. Man muss ja auch mal sehen: Was wäre die Alternative zu dem Kompromiss bei dem Beschlusstext gewesen? Linke und Grüne hätten der Initiative dann wahrscheinlich jegliche Unterstützung entzogen. Wir hätten vor dem Landesverfassungsgericht klagen müssen, und das hätte zwei bis drei weitere Jahre in Anspruch genommen.

 

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) hat bereits mehrfach angedeutet, wie man eine Enteignung der Konzerne umschiffen könnte. So könne es „im Zusammenwirken von Mieterinitiativen, Stadtöffentlichkeit, Bezirk und Senat zu Vereinbarungen kommen, die eine sozialverträgliche Modernisierung sicherstellen sollen“. Würde Ihnen das ausreichen?

Das lehnen wir komplett ab. Wir haben uns bisher über die Unterstützung durch die Linkspartei gefreut und wir erwarten auch, dass das so weiter läuft. Wir werden keine Notlösung akzeptieren, unter keinen Umständen.

 

In den frühen Verlautbarungen und Publikationen der Initiative ist explizit von der Eigentumsfrage bei größeren Immobilienbeständen die Rede und nicht von einzelnen, möglicherweise mieterfreundlichen Regeln für einige Bestände. Und es ging eigentlich auch nicht darum, einige Bestände in öffentlichen Besitz zu übernehmen, sondern darum, die Konzerne zu enteignen und aus dem Markt zu entfernen. Daran will die Initiative also ohne Abstriche festhalten?

Eindeutig ja. Wenn wir das nicht tun würden, hätten wir uns das Volksbegehren sparen können. Die Enteignung der Konzerne bleibt das eigentliche strategische Ziel, und das werden wir in der Kampagne in den kommenden Monaten auch deutlich nach außen kommunizieren.

 

Viel politische Rückendeckung ist dafür aus dem rot-rot-grünen Regierungslager aber nicht zu erwarten. Bei der SPD und den Grünen sowieso nicht und auch bei der Linken scheint es da ja einige Absetzbewegungen zu geben. Mit welchen Verbündeten wollen Sie jetzt in die nächste Runde gehen?

Wir werden jetzt natürlich Gespräche führen, auch mit dem Landesvorstand und der Fraktion der Grünen, die ja möglicherweise in der kommenden Landesregierung die stärkste Kraft darstellen werden. Denn bei denen gibt es zweifellos eine gewisse Laviererei. Uns ist auch klar, dass ihre Spitzenvertreterin Ramona Pop keine Enteignung will. Wir werden in den Gesprächen sehen, wie sich das entwickelt.
Von Seiten der Linken haben wir die eindeutige Zusicherung, dass sie die Kampagne weiterhin aktiv unterstützen wird, auch mit ihrer eigenen Infrastruktur beim Sammeln der Unterschriften. Das Thema soll auch ein Wahlkampfschwerpunkt werden. Ansonsten bauen wir auf die Unterstützung der großen Mieterorganisationen, der vielen Mieterinitiativen, von ver.di und der GEW. Derzeit versuchen wir auch, die Kirchen für die Kampagne zu gewinnen, da gibt es aber noch keine Ergebnisse. Wir brauchen aber nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern aktive Unterstützung beim Sammeln der Unterschriften. Sonst ist das alles gar nicht zu stemmen.

 

In der stadtpolitischen Diskussion hat das Volksbegehren etwas an Strahlkraft eingebüßt, sei es durch die Auseinandersetzung über den Mietendeckel, über mangelnde Neubautätigkeit oder auch durch die Corona-Pandemie. Wie will es die Initiative schaffen, mit einer recht unverbindlichen Forderung die Frage der Besitzverhältnisse im Immobiliensektor wieder in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu rücken? Denn das wird nötig sein, um das Quorum beim Volksentscheid überhaupt zu erreichen.

Über das Quorum beim Volksentscheid, an dem mindestens 25% der Wahlberechtigten teilnehmen müssen, mach ich mir eigentlich keine Sorgen, denn der Volksentscheid wird ja voraussichtlich parallel zur Wahl des Bundestages und des Abgeordnetenhauses am 26. September 2021 stattfinden…

 

...Ist das sicher?

Ganz sicher ist das noch nicht, aber wir gehen eigentlich davon aus. Und dann wäre die Beteiligung am Volksentscheid mit Sicherheit sehr hoch. Es wird in dieser Frage eine starke stadtpolitische Polarisierung geben, besonders CDU, FDP und AfD werden gewaltig Dampf machen. Das kann uns eigentlich nur nützen, denn der Mehrheit der Bevölkerung ist die katastrophale Lage auf dem Mietwohnungsmarkt sehr bewusst. Aber es ist natürlich richtig, dass die Frage der Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen durch den Mietendeckel und die Corona-Pandemie aktuell ein wenig in den Hintergrund gedrängt wurde. Und wir wissen auch, dass die Kampagne kein Selbstläufer wird. Aber wenn wirklich alle, die uns eigentlich unterstützen, auch aktiv mithelfen, dann werden wir das auch schaffen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Rainer Balcerowiak.  


Michael Prütz ist einer der Sprecher der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.


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