Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 417 / Mai 2021

Eine kleine Atempause

Der Mietspiegel 2021 sieht lediglich Spannenerhöhungen von 1,1% vor – überhöhte Mieten werden aber künftig wieder einfließen

Von Rechtsanwalt Marek Schauer

Ursprünglich war ein Mietspiegel in 2021 nicht geplant. Zum Zeitpunkt seiner Erstellung galt der Mietendeckel und es gab aus Sicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zunächst keinen Bedarf, die Arbeitsgruppe Mietspiegel fortzusetzen. Das Gremium, in dem neben der Senatsverwaltung drei Vermieter- und drei Mieterverbände vertreten sind, tagte somit seit der Erstellung des Mietspiegels 2019 vorerst nicht mehr.

Richtig glücklich waren die beiden Interessengruppen über die Aussetzung nicht. Das Interesse der Vermieterseite am Mietspiegel besteht ja darin, den Erhöhungsspielraum in ihm so weit es geht auszudehnen. Den Lobbyisten des Immobilieneigentums sah man die zerknirschten Gesichter wegen des damalig geltenden Mietendeckels an.

Wir als Mieter/innen-Vertreter waren bezogen auf den Mietendeckel damals euphorisch – wer mag das bestreiten. Trotzdem galt dieser beispielsweise nicht für den Neubau, so dass hier ein neuer Mietspiegel durchaus Sinn machte.

Selbst den Vertreter/innen der Senatsverwaltung war die Aussetzung der Arbeitsgruppe Mietspiegel nicht durchweg recht. Dort war das Projekt Mietendeckel bekanntermaßen auch umstritten. Weniger wegen der zu befürchtenden Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, dass Berlin als Bundesland keine Mietpreisbegrenzung erlassen darf. Stolz schien man in Berlin schon darauf zu sein, dass man auch gegen den Bund die Dinge selbst regeln könnte. Vielmehr unkte man vor den Folgen für Vermieter und Wirtschaft.

Wie auch immer, aus den bekannten Gründen ist das nicht mehr Thema. Einerseits, weil das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel als verfassungswidrig und damit nichtig erklärt hat, andererseits, weil es in 2020 unter anderem genau wegen dieser Befürchtung Bewegung in der Senatsverwaltung gab. 
So erhielten die beteiligten Verbände eine Anfrage, ob man sich wegen eines Mietspiegels 2021 treffen wolle. Alle waren sich aus ihren Motiven heraus einig und trafen sich Mitte 2020. Die Vermieterverbände, weil sie vor allem herausfinden wollten, was die Senatsverwaltung vorhat und wieso diese ihren Standpunkt zur Fortsetzung der Erstellung von Mietspiegeln geändert hatte. Und natürlich, um den Daumen drauf zu haben, was mögliche Erhöhungsspielräume betrifft.


Vorteile überwiegen Nachteile

Wir als Berliner MieterGemeinschaft hatten zunächst Vorbehalte wegen der Signalwirkung unter dem Eindruck des damaligen Mietendeckels. Schließlich wollten wir den nicht hintertreiben. Zwar gab es schon damals Signale seitens einiger Richter, den Mietendeckel als verfassungswidrig anzusehen. Andererseits wurde der Deckel insbesondere von den Amtsgerichten und teilweise auch im Landgericht respektiert, praktisch angewandt und auch positiv befürwortet.

Und so kamen wir mit den Kolleg/innen vom Berliner Mieterverein und dem Mieterschutzbund Berlin überein, dass es Sinn macht, hier mitzuwirken. Denn zum einen galt der Mietendeckel, wie bereits erwähnt, nicht für den Neubau. Andererseits wusste niemand, wie das Verfassungsgericht entscheiden würde, und eine „Backup-Lösung“ für die Mieter/innen machte vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheit unkalkulierbarer Mieterhöhungen in Gerichtsprozessen schlicht Sinn. Hinzu kam, dass Berechnungsgrundlagen für die Zeit nach dem Mietendeckel und auch für die Ermittlung angemessener Mieten im Sozialhilferecht geschaffen werden mussten.

Ähnlich schien man auch in der Senatsverwaltung zu denken und so begannen die Arbeiten am Mietspiegel 2021. Herausforderungen waren dabei insbesondere die Corona-Pandemie, weil eine Stichprobe mit Besuch von Mietwohnungen durch Ermittler/innen des Statistik-Instituts unter Beachtung der Hygieneregeln hätte stattfinden müssen, und die Tatsache, dass die Erhebung von frei vereinbarten Mieten für einen qualifizierten Mietspiegel im Jahr 2021 schwierig werden würde.

Ein solcher Mietspiegel zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter/innen und der Mieter/innen anerkannt worden ist. Hinzu kommt jedoch, dass diese Mietspiegel alle vier Jahre neu erstellt und die Daten nach zwei Jahren fortgeschrieben werden müssen.

Die letzte Neuerstellung erfolgte 2017, die entsprechend letzte
Fortschreibung 2019. Somit hätte der Mietspiegel 2021 grundsätzlich neu erstellt werden müssen. Alternativ kann jedoch eine weitere Fortschreibung alle zwei Jahre erfolgen. Dann würde es sich jedoch nicht mehr um einen qualifizierten Mietspiegel handeln, sondern um einen sogenannten „einfachen“. Nachteil wäre, dass ein solcher Mietspiegel nicht die gleiche rechtliche Wirkung („Vermutung“) hat, die ortsübliche Vergleichsmiete, welche maßgeblich für Mieterhöhungen ist, abzubilden. Die Höhe der Miete in einem einfachen Mietspiegel kann daher vom Vermieter leichter angezweifelt werden als bei einem qualifizierten. Die Herstellung eines letzteren war somit wünschenswert.

Eine Besonderheit der Mietspiegelerstellung 2019 war, dass der damals erstellte Mietspiegel zwar als Fortschreibung der Reihenfolge nach galt, dem Grunde nach jedoch einer Neuerstellung gleichkam. Es gab eine entsprechend umfangreiche Erhebung der Mieten, und vor allem das Kriterium Wohnlage wurde auf vollständig neue Füße gestellt. Von daher kann auch der neue Mietspiegel 2021 als qualifizierter Mietspiegel im Sinne einer Fortschreibung des Mietspiegels 2019 angesehen werden. Da die Richter/innen in Berlin in der Regel pragmatisch mit dem Mietspiegel umgehen, dürfte dies eher keine Rolle in den mietrechtlichen Auseinandersetzungen spielen.

Zu der entsprechenden Fortschreibung verständigten sich alle Parteien auf eine Ermittlung der Mieten aus der Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland. Diejenigen Leser, die einen Indexmietvertrag haben, kennen die Werte aus ihren Mieterhöhungen. Die Preisentwicklung vom Stichtag 01. September 2018 bis zum 01. September 2020 wurde somit auf alle bis dato bestehenden Mietspiegelfelder umgelegt.

Nur geringe Spannenerhöhungen

Auf eine Art kam hier ein historischer Treppenwitz zustande: Der Preisindex steigt seit der Immobilienfinanzkrise (!) nicht mehr im gleichen Maße wie zuvor, weil die Geschäftsbanken weniger Kredite in die Wirtschaft pumpen. Somit ist weniger Geld in der Gesellschaft, was dazu führt, dass die Kaufkraft sinkt. Folge ist, dass die Preise insgesamt nicht wie vor der Finanzkrise steigen. Die Mieter/innen mit Indexmietverträgen haben schon davon profitiert, weil die Erhöhungen erheblich geringer ausfielen.

Diesen „Vorteil“ – soweit man bei Mieterhöhungen von Vorteilen reden kann – genießen jetzt diejenigen, deren Mieten nach dem Mietspiegel 2021 erhöht werden. Denn die Mieten in den Mietspiegelfeldern wurden lediglich um 1,1% erhöht. Die Vermieterverbände haben diesen Mietspiegel natürlich nicht anerkannt. Es ist davon auszugehen, dass sie jetzt schon die Schriftsätze erstellen lassen, um den Mietspiegel als rechtswidrig darzustellen. Die Erstellung in der jetzigen Form ist jedoch als einfacher wie qualifizierter Mietspiegel möglich. Wir sehen den möglichen Angriffen daher gelassen entgegen. Am Ende bleibt nach dem Kippen des Mietendeckels also doch noch eine kleine Atempause. Und diese kam zynischerweise durch eine Krise auf dem Immobilienmarkt zustande.

Wie es mit dem Mietspiegel 2023 – auch vor dem Hintergrund der Pandemie – weitergeht, wird sich zeigen. Die Arbeitsgruppe wird wieder an einen Tisch kommen müssen, um sich über die Erstellung zu verständigen. Dabei ist freilich zu beachten, dass ehemals gedeckelte Mieten – so sie noch Bestand haben – rechtlich nicht in den Mietspiegel einfließen dürfen, weil nur „frei verhandelte“ Mieten als ortsüblich gelten. Darauf wird bei der Erstellung zu achten sein. Ärgerlich ist, dass auch überhöhte Mieten preistreibend in den Mietspiegel eingeflossen sind und weiter einfließen werden. Darauf haben wir stets ungehört hingewiesen. Alle Mieter/innen sind aufgerufen, die Mietpreisbremse zu ziehen, um das künftig zu verhindern. Wir helfen Ihnen, lassen Sie sich bei Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel 2021 und zur Mietpreisbremse von uns beraten.


Download Mietspiegeltabelle 2021 und Orientierungshilfe

 

Rechtsanwalt Marek Schauer, spezialisiert auf Miet- und Wohnungseigentumsrecht.


MieterEcho 417 / Mai 2021

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