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MieterEcho 419 / August 2021

Ein bisschen Regulierung und viel Marktwirtschaft

In ihrem Wahlprogramm setzen die Grünen nur wenig Akzente für eine grundlegende Neuausrichtung der Wohnungs- und Mietenpolitk

Von Rainer Balcerowiak

Eigentlich sollte es eine gut inszenierte Krönungsmesse für die schwer angeschlagene Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock werden. Doch auf dem digitalen Wahlparteitag der Grünen am 13. Juni ging es auch noch um die endgültige Verabschiedung des 113-seitigen Wahlprogramms für die kommende Bundestagswahl.

Die meisten der über 3.000 Änderungsanträge waren im Vorfeld bereits abgeräumt worden, durch Rücknahme, Übernahme oder einvernehmliche Kompromissformulierungen. Übrig blieben 20 Anträge, über die der Parteitag dann abstimmen musste. Darunter einer der Grünen Jugend, die in dem Kapitel zur Wohnungs- und Mietenpolitik die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne als Möglichkeit festschreiben wollte, „um die Spekulation mit dem Grundrecht Wohnen einzudämmen“.Nach kurzer, relativ heftiger Debatte wurde der Antrag schließlich mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Die Gegner beschworen vor allem die „falsche Signalwirkung“, die eine derartige Formulierung auf bürgerliche Wählerschichten ausüben würde.

Also keine Vergesellschaftung, aber was dann? Im Programm gibt es zunächst eine realistische Bestandsaufnahme in Bezug auf Wohnungs- und Obdachlosigkeit, fehlende Wohnungen besonders in unteren Preissegment, den stetigen Schwund von geförderten Sozialwohnungen und schleppenden Neubau. Es gibt auch einige, kleinteilige Lösungsvorschläge, wie etwa Housing-First-Programme für Wohnungslose.

Eigentumsfrage wird ausgeklammert

Was in dem Grünen-Programm nicht thematisiert wird, ist die Eigentumsfrage. Den alten Irrweg der Förderung des sozialen Wohnungsbaus, der ja aufgrund der zeitlich begrenzten Förderdauer eben keinen dauerhaft preiswerten Wohnraum schafft, stellt man nicht grundsätzlich in Frage. Mit der privaten Wohnungswirtschaft will man „auf Augenhöhe“ in einen „echten Dialog“ treten, zusammen mit Bund, Ländern, Kommunen und Mieterverbänden. Wichtiger Hebel soll ferner eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit sein, also Förderung und steuerliche Abschreibungen für die Schaffung dauerhaft preiswerten Wohnraums. Das Ganze im Zuge einer „Neuausrichtung hin zu einem gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt“. Eine jener zahlreichen Worthülsen, die in dem Programm noch des Öfteren auftauchen.

Den Anstieg der Mieten wollen die Grünen begrenzen, und zwar auf 2,5% pro Jahr auf Basis des Mietspiegels. Dieser soll künftig die Mietentwicklung der vergangenen 20 Jahre abbilden, was einen dämpfenden Effekt hätte. Modernisierungsumlagen sollen auf 1,50 Euro/qm begrenzt werden, allerdings ohne Begrenzung der Umlage auf die Zeit der Amortisation der Modernisierungskosten. Einen bundesweiten Mietenstopp wollen die Grünen nicht, vielmehr soll der Bund ermöglichen, dass die Länder „in Regionen mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ eigene „verfassungsfeste“ Mietregulierungen einführen können. 

In vielen Bereichen der Wohnungspolitik hat man die Interessen von Immobilienbesitzern und solchen, die es werden wollen, fest im Blick. So sollen Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen und Eigenbedarfskündigungen zwar restriktiver gehandhabt, aber nicht generell unterbunden werden. Im Gegenteil: „Wohneigentum ist für viele Menschen ein Wunsch(...) Wir wollen den Erwerb von Wohneigentum – auch im Bestand – erleichtern“, heißt es im Wahlprogramm. So soll die Grunderwerbssteuer für selbstnutzende Eigentümer/innen gesenkt und der Erwerb durch sogenannten Mietkauf gefördert werden.

In der Bodenpolitik gibt es durchaus richtige Ansätze, etwa zur Bekämpfung der Spekulation und zur Stärkung der Kommunen beim Bodenerwerb. Auch die Forderung nach umfassender Transparenz bei den Besitzverhältnissen auf dem Immobilienmarkt ist zu unterstützen. Wer sich von den Grünen aber ein Konzept für eine grundlegende Neuausrichtung der Wohnungspolitik im Sinne der öffentlichen, sozialen Wohnraumversorgung im Bestand und vor allem beim Neubau, sowie eine deutliche Kampfansage an die renditegetriebenen privaten Akteure auf dem Wohnungsmarkt erhofft hat, ist bei dieser Partei eindeutig an der falschen Adresse. 


MieterEcho 419 / August 2021