Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.
MieterEcho 417 / Mai 2021

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

Daniela Wagner ist die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Mit Berliner Rezepten zur Regulierung des deutschen Wohnungsmarkts will sie nichts mehr zu tun haben. Die hält sie für „irrig“. Ein Berliner Rezept ist der Mietendeckel, der sofort nach dem Karlsruher Urteil als bundesweite Maßnahme gefordert wurde. Kategorisch erklärte Wagner auf der Jahreskonferenz des Immobiliendienstleisters Rueckerconsult im Rahmen einer Online-Diskussion: „Ein Mietendeckel wird daher von uns für das Bundestagswahlprogramm nicht erwogen.“

Für den Programmentwurf konnten Parteimitglieder bis zum 30. April Änderungsanträge stellen, beschlossen werden soll er auf einem Parteitag im Juni. Statt Mietendeckel schweben ihr eher lyrische Konzepte wie eine „atmende Obergrenze“ für die Wohnungsmieten vor. Vergessen haben Wagner und die Bundesgrünen offenbar, dass die Partei Ende 2019 ein bundesweites Recht auf einen Mietendeckel gefordert und zügig eine entsprechende Änderung des Baugesetzbuches vorgeschlagen hatte. Zu neuen Ehren kommen jetzt politische Ladenhüter wie eine erweiterte Begrenzung des Mietenanstiegs, die Berücksichtigung der Mietverträge der letzten zwanzig Jahre für den Mietspiegel, eine Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechtes, die seit Jahrzehnten diskutierte Neuauflage gemeinnütziger Wohnungsbauunternehmen – wobei auch diesmal nicht erklärt wird, wo die herkommen sollen – und schließlich eine (möglichst) warmmietenneutrale energetische Gebäudesanierung.

Daneben tauchen auch die Share Deals wieder einmal auf, genauso wie die spekulativen Leerstände. Beiden soll es offenbar nun endgültig an den Kragen gehen. Weil die Sache aber vielleicht nicht lauwarm genug ist und als Einschränkung der Profitinteressen der Immobilienwirtschaft missverstanden werden könnte, betonte Wagner auf der Jahreskonferenz die Bedeutung der Zusammenarbeit von Politik und Wohnungswirtschaft, insbesondere die Nähe zu den privaten Investoren. Denn schließlich sei es für die Privaten völlig legitim, mit Wohnraum Geld verdienen zu wollen, und so gab sie ihr persönliches Credo zum Besten: „Ich finde, Vermietung muss sich rechnen.“ Alles in allem ein wunderbares Angebot für möglichst reibungslose Koalitionsverhandlungen mit der CDU nach der kommenden Bundestagswahl.

Tröstlich könnte sein, dass Frau Wagner, die sich zunächst um den Spitzenplatz auf der Landesliste der hessischen Grünen für den Bundestag beworben hatte, ihrer nordhessischen Konkurrentin unterlag und danach immer weiter bis auf den wenig aussichtsreichen 13. Platz durchgereicht wurde. Aber der Trost ist nur sehr gering, denn Deutschlands Wirtschaftselite will Annalena Baerbock als Kanzlerin und mit ihr würde sich auch der Wunschtraum der Immobilienwirtschaft erfüllen.


Ihr MieterEcho


MieterEcho 417 / Mai 2021