Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.
MieterEcho 411 / September 2020

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

„Raus aus der Miete rein ins Wohneigentum.“ Der lang gehegte Wunschtraum des vom ehemaligen Sprecher des Managerkreises der SPD Ulrich Pfeiffer gegründeten Instituts empirica scheint mit Hilfe von Corona in Erfüllung zu gehen. Die Bereitschaft, Balkon oder Garten zu erwerben, sei gestiegen, stellt der Geschäftsführer Reiner Braun fest. Auch der global agierende Wohnungsvermittler Engel & Völkers hat ein positives Verhältnis zu Corona. Aus der Perspektive dieses Unternehmens ist womöglich ein kultureller Wandel ausgelöst worden, der den Widerwillen gegen das Wohneigentum auf breiter Front besiege.

So weit, so gut oder besser so schlecht. Ob die Visionen dieser hochkarätigen Akteure auf dem Wohnungsmarkt Wirklichkeit werden, ist allerdings noch offen. Die Zahlen der Statistik liefern bisher keine Bestätigung.

Hinzu kommt, dass sich die Bundesregierung seit Anfang dieses Jahres zögerlich mit der Problematik befasst. Das Bundesministerium für Justiz hat im Februar einen ersten Entwurf für eine „Umwandlungsbremse“ vorgelegt. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen von einer behördlichen Genehmigung vor Ort abhängig gemacht werden. „Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Gebiete nach Satz 1 durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen“, heißt es in dem Text aus dem Justizressort. Damit wäre die bisher in einigen Ländern, so auch in Berlin, geltende Umwandlungsverordnung verschärft. Sie stellt die Umwandlung ebenfalls unter Genehmigungsvorbehalt, bestimmt aber im Paragraf 172 des Baugesetzbuchs, dass die Umwandlung auf jeden Fall genehmigt werden muss, wenn sich der Verkäufer verpflichtet, die Wohnung innerhalb von sieben Jahren nach der Umwandlung nur an die Mieter/innen zu veräußern. Danach kann die Wohnung frei veräußert werden und das bedeutet, dass eine drohende Eigenbedarfskündigung nur aufgeschoben ist.

Das Baulandmobilisierungsgesetz, in dem die Bestimmungen über die Einschränkungen der Umwandlungen enthalten sind und dessen Einzelheiten noch nicht bekannt sind, stellt eine Kooperation zwischen den Bundesministerien für Justiz (SPD) und für Inneres, Bau und Heimat (CSU) dar. Das lässt nichts Gutes ahnen. In einem Interview mit der Welt am Sonntag hatte der Bundesbauminister Horst Seehofer bereits am Anfang des Jahres geäußert: „Ich bin für eine Begrenzung der Umwandlung, aber wir sollten mit Augenmaß vorgehen.“ Wie weit das rechte Augenmaß reicht, wird sich nach der parlamentarischen Sommerpause herausstellen. Schon seit langem blasen die Lobbyverbände der Immobilienwirtschaft Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) und Co zur Attacke und es scheint, dass sie damit bei einem großen Teil der CDU Unterstützung finden.

Ihr MieterEcho


MieterEcho 411 / September 2020