Die Mietabsenkung nach dem MietenWoG Bln (Mietendeckel) – eine Anleitung
Ab dem 23. November müssen überhöhte Mieten abgesenkt werden
Von Rechtsanwältin Daniela Rohrlack
Um den Berliner Mietenmarkt zu entspannen, enthält der sogenannte Mietendeckel (das MietenWoG Bln) mehrere Regelungen, die dafür sorgen sollen, dass Wohnraum wieder bezahlbar wird. So ist neben dem „Einfrieren“ der Mieten auch geregelt, dass eine überhöhte Miete neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, somit ab dem 23. November 2020, abzusenken ist. Allerdings werden wohl die wenigsten Vermieter/innen von selbst die Miete senken.
Mittlerweile dürften es in Berlin und sogar anderswo alle mitbekommen haben: Berlin hat seit dem 23. Februar 2020 ein Gesetz, welches das Preisniveau des preisfreien Wohnungsmarktes regelt. Der sogenannte Mietendeckel bleibt jedoch umstritten. Immer neue, anderslautende Entscheidungen der Berliner Gerichte säumen seit Februar 2020 die Juristenlandschaft, so dass es nicht verwundert, wenn so manche/r mittlerweile den Überblick verloren hat. Bei aller Liebe zu Entscheidungen der Amtsgerichte ist aber für die Geltung des Gesetzes der Blick auf die Verfassungsgerichte – insbesondere das Bundesverfassungsgericht – unumgänglich, denn nur diese können entscheiden, ob das Gesetz verfassungswidrig ist. Bislang haben weder der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin noch das Bundesverfassungsgericht über das Gesetz entschieden und es für nichtig erklärt, sodass es wirksam und somit anzuwenden ist. Die ursprüngliche Idee des Berliner Gesetzgebers, die Mietabsenkung nur auf Antrag der Mieter/innen eintreten zu lassen, wurde nicht ins Gesetz aufgenommen. Dies hat zur Folge, dass die Mietabsenkung nun automatisch in Kraft tritt. Somit müssten Mieter/innen nichts mehr veranlassen. Die Vermieter/innen sind verpflichtet, erhöhte Mieten abzusenken und nur die zulässigen Mieten einzufordern. Die Erfahrungen im Umgang mit dem Mietenstopp haben jedoch gezeigt, dass nicht jede/r Vermieter/in die Mietabsenkung ohne Weiteres akzeptieren wird. Es ist durchaus zu erwarten, dass Vermieter/innen erst tätig werden, wenn Mieter/innen die Mietabsenkung geltend machen.Aus diesem Grund sollten Mieter/innen immer überprüfen, ob die Miete zu hoch und gegebenenfalls abzusenken ist, um ihre Rechte ausloten und geltend machen zu können.
Tabellenmiete als Ausgangspunkt
Die Absenkung zu hoher Mieten ist in § 5 MietenWoG Bln geregelt. Darin heißt es in Absatz 1, dass eine überhöhte Miete verboten ist. Überhöht ist eine Miete dann, wenn sie die unter Berücksichtigung der Wohnlage und der in § 6 und § 7 MietenWoG Bln aufgeführten Zuschläge für bestimmte Ausstattungsmerkmale und Modernisierungsmaßnahmen zulässige Miete um mehr als 20% überschreitet und nicht nach § 8 MietenWoG Bln durch die Investitionsbank Berlin genehmigt worden ist.Die Überprüfung, ob eine Miete zu hoch und damit abzusenken ist, erfordert mehrere Schritte: Ausgangspunkt ist immer die Mietentabelle in § 6 MietenWoG Bln, die den Quadratmeterpreis für den jeweiligen Wohnraum ausweist. Mieter/innen sollten – ggf. unter Zuhilfenahme des Auskunftsschreibens der/s Vermieter/in – ihre Tabellenmiete ohne Weiteres aus dem Gesetz ablesen können. Ist nicht bekannt, welches Feld das maßgebliche ist, sollte der/die Vermieter/in zur Auskunftserteilung hierüber aufgefordert werden.
Berücksichtigung der Wohnlage und Zuschläge
Die ermittelte (Grund-)Tabellenmiete kann sich durch die jeweilige Wohnlage ändern. Das Gesetz unterscheidet – wie auch der Berliner Mietspiegel – zwischen einfacher, mittlerer und guter Wohnlage. Konkret ist in § 5 Abs. 1 S. 2 MietenWoG Bln geregelt, dass 0,28 Euro bei einfacher Wohnlage und 0,09 Euro bei mittlerer Wohnlage vom Oberwert abzuziehen sind. Bei einer guten Wohnlage erhöht sich die Mietobergrenze um 0,74 Euro. Vorgesehen ist, dass die für das Wohnungswesen zuständige Senatsverwaltung die Wohnlagenzuordnung durch Rechtsverordnung festsetzen darf. Dies ist bislang noch nicht geschehen, sodass vorerst auf die Wohnlagenzuordnung aus dem Berliner Mietspiegel 2019 zurückgegriffen werden muss, um die Berechnung anstellen zu können. Zu vermuten ist, dass die Werte aus dem Mietspiegel übernommen werden, allerdings können Mieter/innen eine Absenkung erst verbindlich prüfen, wenn die Wohnlagen durch die Senatsverwaltung bestimmt worden sind.Ist die maßgebliche Miete anhand der Tabelle und der Wohnlage errechnet, sind noch weitere Zuschläge zu ermitteln. Das Gesetz sieht drei Möglichkeiten vor, den normierten Tabellenmietwert zu erhöhen:
- Wohnungen, die in Gebäuden mit nicht mehr als 2 Wohnungen liegen, dürfen nach § 6 Abs. 2 MietenWoG Bln etwas mehr kosten als andere, so dass sich die Mietobergrenze (Tabellenwert) um 10% erhöht, wenn das Merkmal vorliegt.
- Ist der Wohnraum modern ausgestattet, darf der Tabellenwert um 1,00 Euro erhöht werden. Was moderne Ausstattung bedeutet, beschreibt das Gesetz in § 6 Abs. 3 MietenWoG Bln.
Es benennt hier fünf Ausstattungsmerkmale, von denen mindestens drei vorliegen müssen, damit eine Erhöhung von 1,00 Euro auf den Tabellenwert gerechtfertigt ist:- schwellenlos von der Wohnung und vom Hauseingang erreichbarer Personenaufzug,
- Einbauküche,
- hochwertige Sanitärausstattung,
- hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume
- Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m² a)
Trifft nur ein Merkmal zu oder liegen nur zwei Merkmale vor, führt das zu keiner Erhöhung des Tabellenwertes.
- Ein weiterer Faktor, der eine Erhöhung der Tabellenmiete nach sich ziehen kann, ist die Modernisierung. Nach § 7 MietenWoG Bln darf die Tabellenmiete um bis zu 1,00 Euro erhöht werden, wenn der Vermieter bestimmte Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt hat. Welche Modernisierungsmaßnahmen hier eine Erhöhung des Tabellenwertes nach sich ziehen, ist in § 7 Abs. 1 Nr. 1 - 7 MietenWoG Bln aufgelistet.
Ausschließlich für diese Modernisierungsmaßnahmen ist eine Erhöhung der Tabellenmiete möglich. Maßgeblich sind dabei jedoch nur die Modernisierungsmieterhöhungen, die nach dem Stichtag (18. Juni 2019) vorgenommen worden sind. Ältere Modernisierungsmieterhöhungen tangieren den Tabellenwert dagegen nicht mehr.
Der nun ermittelte Tabellenwert bildet die zulässige Miethöhe pro Quadratmeter. Abgesenkt wird die Miete allerdings erst ab einem Wert, der die zulässige Miethöhe zuzüglich 20% überschreitet. Alles, was demnach über die Tabellenmiete zuzüglich 20% hinausgeht, ist abzusenken.
Durchsetzung der Absenkung
Vor dem Hintergrund, dass nicht wenige Vermieter/innen den Mietendeckel für unwirksam halten und daher nicht anwenden wollen, ist es empfehlenswert, selbst aktiv zu werden und den Vermieter auf die Mietabsenkung aufmerksam zu machen, wenn dieser nicht von selbst darüber informiert. Mieter/innen sollten ihren Vermieter daher unter Fristsetzung auffordern, die errechnete zulässige Miethöhe zuzüglich 20% zu bestätigen. Hierbei kann es hilfreich sein, unser Muster-
schreiben zu nutzen.
Sollten Vermieter/innen sich weigern, eine Mietanpassung zu bestätigen, gibt es für Mieter/innen mehrere Möglichkeiten, Rechte durchzusetzen. Zum einen kann sich der/die Mieter/in an das Bezirksamt wenden und die Feststellung der zulässigen Miete nach dem MietenWoG Bln beantragen. Dieses erlässt dann einen Feststellungsbescheid, der dem Vermieter möglicherweise zur Einsicht verhilft. Zum anderen ist es natürlich auch möglich, die zulässige Miethöhe gerichtlich feststellen zu lassen. Mieter/innen können auch beide Varianten nebeneinander für sich nutzen.Besteht Streit über die zulässige Miethöhe und/oder reagiert der Vermieter nicht, ist es immer ratsam, die bislang gezahlte Miete ohne Berücksichtigung der Absenkung unter Vorbehalt weiterzuzahlen, bis behördlich oder gerichtlich die zulässige Miete festgestellt ist. Mieter/innen können dann die überzahlte Miete zurückfordern und sind gleichzeitig vor dem Risiko einer Kündigung geschützt. Und sollte nach alledem der Überblick noch immer fehlen: Im Zweifel ist eine mietrechtliche Beratung immer der richtige Anfang.
Weitere Informationen der Berliner MieterGemeinschaft zum Mietendeckel:
www.bmgev.de/mietrecht/tipps-a-z/artikel/mietendeckel-1/
Berechnungshilfe der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zur zulässigen Mietobergrenze:
mietendeckel.berlin.de/wp-content/uploads/200221_mietendeckel_mietentabelle.pdf
MieterEcho 412 / Oktober 2020