Die im Dunkeln sieht man nicht
Der dritte Teil der „Wem gehört die Stadt“-Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung bietet vertiefte Analysen zur Eigentümerstruktur
Von Rainer Balcerowiak
Wer sich mit den gravierenden Problemen auf dem Berliner Wohnungsmarkt beschäftigt, stößt immer wieder auf die alles entscheidende Frage: Wem gehört die Stadt? Im dritten und vorläufig letzten Teil ihrer gleichnamigen Studie widmen sich Christoph Trautvetter und seine Mitarbeiter/innen im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung dieser Frage und haben wichtige Analysen zur Eigentümerstruktur auf dem Berliner Immobilienmarkt herausgearbeitet.
Der Marktwert der Berliner Wohnimmobilien betrug Ende 2018 grob geschätzt 380 Milliarden Euro. Auf den ersten Blick kann man einen recht großen kleinteiligen Sektor identifizieren. An den über 300.000 Wohnungen in Landesbesitz haben theoretisch alle Berliner/innen einen Anteil. Dazu kommen 305.000 Eigentümer/innen eines selbst bewohnten Hauses oder einer Eigentumswohnung sowie Hunderttausende Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften. Weiterhin gibt es etwa 100.000 bis 200.000 Einzeleigentümer/innen einer vermieteten Wohnung. Und hinter den Investmentfonds und Aktiengesellschaften verbergen sich unzählige kleine Profiteure aus der ganzen Welt. Aber auf der anderen Seite gehört fast die Hälfte der Stadt wenigen Tausend Multimillionär/innen, die bisher oft anonym bleiben.
Allerdings ist bei den Eigentümerstrukturen eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Privatpersonen (juristisch auch als natürliche Personen bezeichnet) und privatrechtlichen Unternehmen faktisch unmöglich. Die recht häufige Konstellation einer GmbH oder GmbH & Co KG im direkten Privatbesitz dürfte teilweise nicht der Kategorie privatwirtschaftliches Unternehmen, sondern der Kategorie Privatperson/Privatpersonen zuzuordnen sein. Die ebenfalls recht häufig vorkommende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zählt in der Regel als Unternehmen. Doch die Anteilseigner/innen handeln als natürliche Personen und müssen im Grundbuch eingetragen werden.
Mär vom „armen Kleinvermieter“
In der Studie werden die als 100 größten Berliner Immobilieneigentümer genauer betrachtet. Darunter auch einige in der Öffentlichkeit wenig bekannte Akteure mit mehr als 1.000 Wohnungen wie den Investmentfonds Phoenix Spree aus Jersey, die Familienstiftung Becker & Kries oder die Erben von Harry Gerlach. „Sie versprechen ihren Anlegern dauerhaft zweistellige Renditen und das prägt ihre Geschäftspolitik: Sie wollen schnelles Geld anstatt langfristige Investitionen. Sie optimieren die Rendite der Häuser und nicht deren Wohnwert. Sie nutzen Schattenfinanzplätze für Steuervermeidung und Anonymität. Kündigungen wegen Eigenbedarf und großzügige Steuerbefreiungen bieten privaten Vermietern zusätzliche Möglichkeiten der Profitmaximierung. Der Schutz der Privatsphäre und fehlende Berichtspflichten führen in diesem Bereich zu einer hohen Intransparenz, was besonders bei großen Immobilienbeständen und bei der Verwendung komplexer Firmenstrukturen und Briefkastengesellschaften deutlich wird“, wird in der Studie deren Agieren beschrieben.
Aufgeräumt wird mit der Mär von den „kleinen Privatvermietern, denen durch zusätzliche Regulierung die Pleite oder Altersarmut droht“. Diese Gruppe sei auf dem Markt mittlerweile ein „Randerscheinung“, heißt es in der Studie, zumal von der Aufteilung von Mietshäusern in Einzeleigentum nur sehr gut Verdienende und die Voreigentümer/innen profitieren. Mehr als zwei Drittel der neu geschaffenen Eigentumswohnungen dienen als reine Kapitalanlage. In der Studie werden die Strukturen in dem Segment der Kleinvermieter/innen genauer aufgeschlüsselt, inklusive der verschiedenen Unternehmensformen wie GmbH und GbR und der Rolle von Erbengemeinschaften. Außerdem sei bei privaten Kleinvermieter/innen und Erbengemeinschaften das Risiko für Mieter/innen, ihre Wohnungen durch Eigenbedarfskündigungen zu verlieren, besonders hoch. Und das betrifft nicht nur Mieter/innen von Eigentumswohnungen sondern auch von nicht umgewandelten Mietwohnungen.
Die Rolle der Genossenschaften mit einem Bestand von 188.000 Wohnungen wird zumindest teilweise kritisch beleuchtet. Diese hätten von der Marktlage und dem Zinsumfeld der vergangenen Jahre erheblich profitiert, heißt es in der Studie: „Im Gegensatz zu dem Eindruck, den sie mit ihrer teils aggressiven Kampagne gegen den in Berlin eingeführten Mietendeckel hinterließen, verfügen die meisten der 27 Mitglieder im Verbund der Berliner Genossenschaften über hohe Überschüsse und Rückstellungen“ konstatiert der Autor. Bei deren Verwendung seien sie eben nicht an klare sozialpolitische Ziele – vom Neubau über Wohnungen für besondere Bedarfe bis hin zum einfachen Wohnungswechsel – gebunden, sondern ausschließlich den Interessen ihrer Mitglieder verpflichtet.
Institutionelle Investoren, wie beispielsweise Versicherungen und Pensionsfonds, haben in Berlin einen Bestand von etwa 130.000 Wohnungen. Die Struktur dieser Investoren ist sehr heterogen und reicht von großen Private-Equity-Gesellschaften aus den USA und Großbritannien und deren Fonds für Versicherungen und vermögende Privatanleger/innen bis hin zu kleinen Privatfonds und offenen Publikumsfonds deutscher Banken und Sparkassen für Kleinanleger/innen. Der Unterschied zu Wohnungsunternehmen ist vor allem, dass sie die Wohnungsbestände meistens nicht selbst verwalten, sondern diese Aufgabe an Vermögensverwaltungen auslagern, die oftmals für mehrere Investoren arbeiten. Diese Verwaltungen sind zwar nicht die Eigentümer, haben aber ein unmittelbares materielles Interesse an möglichst renditeträchtiger Verwertung der Immobilien und haben sich zu mächtigen Marktakteuren entwickelt. Von den bisherigen Strategien zur Vergesellschaftung von Wohnraum wurden diese Verwaltungen aber noch gar nicht erfasst.
Im Fokus der Mieterbewegung stehen nach wie vor die großen privaten Wohnungsunternehmen. Ein Segment, das in den vergangenen Jahren einen starken Konzentrationsprozess absolviert hat, wie in der Studie nachgezeichnet wird. Besaßen die fünf größten Unternehmen 2012 noch rund 70.000 Wohnungen, waren es 2019 bereits 195.000. In diese Zeit fallen unter anderem die Übernahme der bereits privatisierten Nachfolgegesellschaft der GSW und der GEHAG durch die Deutsche Wohnen, der Buwog durch Vonovia, der TLG Immobilien AG durch Aroundtown und zuletzt der Adler Real Estate durch ADO Properties.
Preistreiber Wohnungsankauf
Den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) mit ihrem derzeitigen Bestand von über 320.000 Wohnungen attestiert die Studie eine überwiegend positive Rolle. Das betrifft vor allem den 2012 eingeleiteten Paradigmenwechsel in der Geschäftspolitik durch das mit dem Senat geschlossene „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“. Dieses Bündnis sei seitdem kontinuierlich weiterentwickelt worden. Als Pluspunkte vermerkt die Studie die moderate Mietenentwicklung, die einkommensbezogenen Härtefallklauseln, die Segmente für besonders benachteiligte Wohnungssuchende, die Mitbestimmung der Mieter/innen und die Bemühungen um die kontinuierliche Erweiterung des Bestandes auf 400.000 Wohneinheiten bis 2026 durch Neubau und den Ankauf von Bestandswohnungen.
Letzteres wird in der Studie allerdings teilweise kritisch gesehen. Allein 2019 kauften die LWU insgesamt 11.936 Bestandswohnungen, davon 1.365 im Vorkauf in Milieuschutzgebieten. Angesichts der stark gestiegenen Kaufpreise sei dies „nicht unproblematisch“, merkt der Autor an. „Die zusätzliche Nachfrage durch die LWU treibt die Kaufpreise weiter nach oben und die teuer gekauften Wohnungen strapazieren die zukünftige Profitabilität der LWU und damit deren Spielraum für soziale Wohnungspolitik.“ Das betrifft vor allem den Neubau. Zwar waren die LWU 2019 mit 4.026 von 19.000 neu errichteten Wohnungen die größten Bauherren der Stadt. Doch dabei handele es sich oft um Projektankäufe, bei denen die LWU Häuser schlüsselfertig von einem privaten Projektentwickler übernehmen. Dabei könnte vor allem auf landeseigenen Flächen, die der Senat den LWU als Sacheinlage überlässt, zu Quadratmeterpreisen gebaut werden, die den durchschnittlichen Preisen der aufgekauften Bestandsimmobilien entsprechen. Anders als beim Neubau entsteht beim Kauf von Bestandsimmobilien aber kein neuer Wohnraum. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass diese Studie sehr umfassendes Material zur Struktur des Wohnungsmarktes enthält und daher jedem/jeder aktiven Mieter/in zu empfehlen ist.
Weitere Informationen:
rosalux.de/publikation/id/43284
MieterEcho 413 / Dezember 2020