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MieterEcho 417 / Mai 2021

Der Wegfall des Mietendeckels

Was müssen Mieter/innen jetzt beachten?

Von Rechtsanwältin Daniela Rohrlack

Noch im Juli 2020 waren es „unzählige Meinungen“ , die die juristische Landschaft rund um den Mietendeckel geprägt haben. Seit dem 15. April 2021 zählt jedoch nur noch eine, die des Bundesverfassungsgerichts. 

Mit seiner Entscheidung, dass das Land Berlin nicht befugt war, ein solches Gesetz zu erlassen, hat es den Berliner Mietendeckel und damit auch die massiven Mieterleichterungen für Mieter/innen vorerst beerdigt. Dies stellt Mieter/innen in ganz Berlin nun vor etliche Fragen. Die wohl dringendsten, die sich derzeit stellen, lauten: Muss ich Miete an meinen Vermieter nachzahlen und kann dieser mir wegen der noch offenen Nachzahlung kündigen? 

Die Antwort lautet ganz formaljuristisch: Es kommt darauf an.

1. Absenkung

Die meisten Mieter/innen, die aufgrund des Mietendeckels weniger Miete zahlen durften, müssen diese nun nachzahlen. Lediglich Mieter/innen, die Mietverträge mit den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen haben, dürfen sich freuen: Diese verzichten auf die Nachzahlung der rückständigen Beträge. Andere Vermieter wollen hier nachziehen. So haben Vonovia und Heimstaden ebenfalls angekündigt, auf Nachzahlungen verzichten zu wollen.

Gibt es eine solche Verzichtserklärung oder andere verbindliche Absprachen nicht, sind Mieter/innen grundsätzlich zur Nachzahlung der Beträge verpflichtet. Auch wenn es wünschenswert wäre, müssen Vermieter die Mieter/innen nicht erst zur Nachzahlung auffordern. Die Verpflichtung zur Nachzahlung besteht automatisch mit dem Wegfall des Gesetzes. Mieter/innen sind daher gut beraten, selbst aktiv zu werden.

Zunächst sollte geprüft werden, ob aufgrund des Mietendeckels weniger Miete gezahlt worden ist. Insbesondere in den Zeiträumen Februar/März und November/Dezember 2020 haben viele Vermieter die Miete senken müssen. Allerdings haben nicht alle Vermieter Mietanpassungen vorgenommen. Die Mieter/innen, die die vertragliche Miete weitergezahlt haben, sind von einer Nachzahlungspflicht nicht betroffen.

Die meisten Mieter/innen haben jedoch von den Regelungen des Mietendeckels profitiert und zumindest für einige Monate weniger Miete entrichtet. Die Differenz zwischen dem, was sie ohne den Mietendeckel hätten zahlen müssen und dem, was sie mit Mietendeckel tatsächlich gezahlt haben, müssen sie nun nachzahlen. 

Ein bisschen kniffliger wird es, wenn dazwischen noch der Vermieter gewechselt hat, etwa weil das Haus verkauft worden ist oder Mieter/innen umgezogen sind. In diesem Falle kann es passieren, dass an beide Vermieter nachzuzahlen ist. Hier sind die Differenzbeträge der einzelnen Monate zu berechnen. So kann genau getrennt werden, welcher Vermieter für welche Zeiträume die Nachzahlungen verlangen kann.      

2. Mieterhöhungen  

Aber nicht nur Mieter/innen, deren Miete abgesenkt wurde, kann eine Nachzahlungspflicht treffen, sondern auch diejenigen, die eine Mieterhöhung erhalten haben.

Trotz des Mietenstopps haben Vermieter auch im Geltungszeitraum des Mietendeckels weiterhin Mieterhöhungen sowohl nach dem Mietspiegel gemäß §§ 558 ff. BGB als auch nach erfolgter Modernisierung ausgesprochen. Oftmals enthielten diese Mieterhöhungen den Hinweis, dass die Miete zwar erhöht, die höhere Miete aber nicht gefordert werde, so dass die Mieter/innen hierdurch nicht belastet waren. 

Mieter/innen, die einer Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete zugestimmt haben oder auf Zustimmung zur Mieterhöhung verurteilt worden sind, sind an diese Erhöhung gebunden. Die vertragliche Miethöhe hat sich durch die Mieterhöhung geändert, auch wenn die Mietzahlungen gleichgeblieben waren. Hier gilt das gleiche, wie bei der Mietabsenkung: Der Differenzbetrag muss nachgezahlt werden.

Ähnliches gilt für Modernisierungsmieterhöhungen: Auch hier waren Vermieter durch den Mietendeckel bei der Mieterhöhung beschränkt, so dass die vertraglich vereinbarte Miete und das, was an Miete gefordert wurde, oft voneinander abgewichen sind. Mieter/innen sollten daher gewissenhaft überprüfen, ob der Betrag, den sie an Miete gezahlt haben, auch dem entspricht, was der Vermieter geltend gemacht hat.

Mieter/innen sollten sich bei Modernisierungsmieterhöhungen mietrechtlich beraten lassen. Denn anders als bei Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete setzt die Modernisierungsmieterhöhung keine Zustimmung der Mieter/innen voraus. Mieter/innen sind daher nur an das Mieterhöhungsverlangen gebunden, soweit es dem Grunde und der Höhe nach wirksam ist. Das bedeutet konkret, dass diese Mieterhöhungen noch auf ihre Wirksamkeit und Höhe überprüft werden können, auch wenn die Erhöhung schon vor einiger Zeit geltend gemacht wurde.

3. Schattenmiete  

Juristisch umstrittener ist derzeit noch das Konstrukt der „Schattenmiete“. In Mietverträgen, die während des Geltungszeitraums des Mietendeckels geschlossen wurden, sind nicht selten zwei unterschiedlich hohe Mieten, die niedrigere, die an den Mietendeckel angepasst war und eine höhere, die den Mietendeckel nicht berücksichtigt, vereinbart worden. Letztere wurde während der Geltung des Mietendeckels nicht gefordert.Nach dem Wegfall des Mietendeckels fordern Vermieter die höhere Miete und den Differenzbetrag seit Vertragsbeginn rückwirkend nach. Hier kommen nicht selten immense Summen zusammen.

Ob die Vereinbarung dieser Schattenmiete gegen die Grund-sätze der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verstößt oder gegen die Regelungen der Mietpreisbremse, kann nur anhand des Einzelfalls überprüft werden.Zur Vermeidung einer Kündigung ist Mieter/innen, die eine Schattenmiete vereinbart haben, zu empfehlen, die erhöhte Miete – allerdings unter Vorbehalt – zu zahlen. Gleichzeitig sollten sie prüfen lassen, ob die vertragliche Regelung wirksam ist und je nach Ergebnis über die weiteren Schritte entscheiden.Mieter/innen können und sollten zudem auch prüfen, ob bei ihnen die Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) greift. Die Mietpreisbremse kann nämlich dazu führen, dass die Miete überhöht ist und deshalb wieder abgesenkt werden muss.

Was, wenn ich das Geld nicht habe?  

So einfach es klingt, eine Mietdifferenz zu berechnen, so schwierig ist es für die Mieter/innen, die das Geld schlicht nicht aufbringen können, diese nachzuzahlen. Der Senat hat mittlerweile ein Hilfspaket unter dem Namen „Sicher Wohnen Hilfe“ auf die Beine gestellt, welches Betroffene auch in Anspruch nehmen sollten.Auch die Sozialleistungsträger sind unter Umständen zur finanziellen Hilfeleistung verpflichtet. Betroffene Mieter/innen sollten sich umgehend an ihren Leistungsträger wenden. Auch hier sollte der Dialog mit dem Vermieter gesucht werden, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Mieter/innen, die zum Kreis der Berechtigten gehören (könnten), wird empfohlen, sich auf der Website des Senats (mietendeckel.berlin.de) über die Voraussetzungen und notwendigen Schritte zur Inanspruchnahme der Hilfeleistungen zu informieren.

Kann mir gekündigt werden?  

Die Frage, ob der Vermieter kündigen kann, wenn Mieter/innen nachzahlen müssen, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen muss ein Zahlungsrückstand von mehr als einer Monatsmiete (brutto) vorliegen, um in den kündigungsrelevanten Bereich zu gelangen. Mieter/innen, die diese Summe noch nicht erreicht haben, bleiben zwar zur Nachzahlung verpflichtet, ihnen kann aber noch nicht gekündigt werden.

Zum anderen müssen die Mieter/innen mit der Nachzahlung in Verzug sein. Mit Wegfall des Mietendeckels liegt Verzug aber nicht automatisch vor. Verzug ist frühestens dann anzunehmen, wenn Mieter/innen die Nachzahlung nicht unverzüglich leisten. Unverzüglich heißt dabei, dass Mieter/innen nicht schuldhaft mit der Nachzahlung zögern dürfen. Ab welchem Zeitpunkt ein schuldhaftes Zögern anzunehmen ist, unterliegt einzelfallbezogener Wertung. Wird jedoch länger als 14 Tage mit der Nachzahlung gewartet, dürfte das nach bisheriger Rechtsprechung zu lang sein. Mieter/innen sollten zur Vermeidung von Kündigungen schnellstmöglich – ggf. unter Vorbehalt – nachzahlen. Insbesondere, wenn nicht feststeht, ob die Nachzahlung wirklich zu zahlen ist (Modernisierungsmieterhöhung, Schattenmiete), ist die Zahlung unter Vorbehalt der sicherste Weg, nicht von einer Kündigung bedroht zu sein, sich eine Rückforderung des Geldes aber offen zu halten.

Auf unserer Website und unserer Infoschrift finden Sie nähere Hinweise dazu, wie Sie sich am besten verhalten.  


MieterEcho 417 / Mai 2021