Der hyperaktive „Immobilien-Papst“
Das Firmengeflecht von Nikolaus Ziegert bedient die ganze Palette der Vertreibung und der Spekulation mit Wohnungen
Von Joachim Maiworm
Über viele Jahre hatte die Ziegert Group für Wohnungskonzerne wie Taekker das berüchtigte Geschäft des „Entmietungsmanagements“ erledigt – und wurde damit zum Hassobjekt von betroffenen Mieter/innen und Protestinitiativen. Der Fokus des Unternehmens liegt zwar nach wie vor auf der Umwandlung und Vermarktung von Eigentumswohnungen, die Aktivitäten wurden aber zugleich stark diversifiziert. Nach mehr als 35 Jahren am Markt sieht sich die Gruppe mittlerweile als einer der führenden umfassenden Immobiliendienstleister in Berlin.
Der Konzern unternimmt eine Menge, um seine führende Position zu festigen. So berichtete die Fachpresse im Oktober 2020 über den Zusammenschluss der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting GmbH mit der digitalen Wohnungsplattform EverEstate unter dem neuen Namen „Ziegert EverEstate“. Durch die Verknüpfung der langjährigen Erfahrung im Makler- und Beratungsgeschäft und die Expertise bei der digitalen Immobilienvermarktung strebe das Unternehmen einen Digitalisierungssprung an, so dass die Weichen auf weiteres Wachstum gestellt würden, heißt es in der Selbstdarstellung. Bereits im Februar 2018 gründete Ziegert ein Joint Venture mit „Knight Frank“, einem der größten Immobilienberater weltweit. Diese Kooperation zielt vor allem auf den internationalen Markt für luxuriöse Innenstadtapartments, die als Wohnungen zur Eigennutzung oder Kapitalanlage veräußert werden. Neben dem Hauptstandort Berlin ist Ziegert mittlerweile auch mit Büros in Leipzig und Frankfurt präsent und arbeitet zielstrebig an einem globalen Netzwerk.
Breit gefächertes Geschäftsmodell
Das in den letzten Jahren stark expandierende, nach wie vor vom Gründer Nikolaus Ziegert geführte Unternehmen beschäftigt aktuell über 350 Mitarbeiter/innen und mischt in den zentralen Bereichen der Immobilienwirtschaft mit. Ohne die Vermarktung von Eigentumswohnungen zu vernachlässigen, versteht sich Ziegert aber als umfassender Dienstleister entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Grundstücksakquise über die Finanzierungsberatung, die Entwicklung einzelner Projekte sowie ihre Vermarktung bis zur Übergabe der bezugsfertigen Wohnungen. Die Geschäfte scheinen prächtig zu laufen. Im Jahr 2017 verkaufte die Ziegert Bank- und Immobilienconsulting nach eigenen Angaben Eigentumswohnungen in Berlin im Wert von etwa 315 Millionen Euro – ein Plus von 7% im Vergleich zum Vorjahr, für das Jahr 2019 berichten Medien von einem Umsatz von 340 Millionen Euro. Kennzahlen wie diese sind allerdings rar, denn das Management hält sich mit präzisen Informationen zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens bedeckt, veröffentlichte Geschäftsberichte finden sich ebenso wenig wie aktuelle Pressemitteilungen.
Ziegert meidet wie viele andere wichtige Akteure auf dem Immobilienmarkt eine transparente Geschäftspolitik. Das belegt auch eine Recherche der Berliner Zeitung vom Februar. Im Kreuzberger Graefekiez kaufte die im brandenburgischen „Steuerparadies“ Zossen ansässige Gesellschaft Lebensgut Beta 3 GmbH & Co.KG ein Mietshaus. Einzelne Mieter/innen wurden misstrauisch. Die aufwendige Recherche der Zeitung ergab, dass die Firmengruppe, die unter dem Namen „Lebensgut“ insgesamt mit etwa 30 Häusern auf dem Markt agiert, zu Ziegert gehört. Als Grund für das Versteckspiel gab der Unternehmer an, aufgrund seines prominenten Namens Wettbewerbsnachteile beim Kauf von Objekten zu befürchten. Deshalb habe er es unterlassen, sich als wirtschaftlich Berechtigter ins neue Transparenzregister eintragen zu lassen – ein offensichtlicher Verstoß gegen das Geldwäschegesetz.
Daneben wurden zwei weitere Geflechte von Ziegerts verdecktem Immobilienbesitz enttarnt, alles in allem rund 100 Häuser in Berlin mit mindestens 2.000 bis 3.000 Wohnungen, wie die Zeitung schreibt. „Ich finde es extrem dreist, dass jemand, der sich öffentlich als ehrenwerter Geschäftsmann hinstellt und für nachhaltige Stadtentwicklung eintritt, seine Identität verschleiert, und so sein Geschäftsmodell der Aufteilung von Mietshäusern und Umwandlung in Eigentumswohnungen weiter betreibt“, zitiert das Blatt Katrin Schmidberger, mieten- und wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Schließlich handele es sich bei diesem Geschäftsmodell um den „Hauptverdrängungsmotor“ in vielen Bezirken der Hauptstadt.
Wohneigentum als „Volksprodukt“
Intransparente und zur Vertreibung von Mieter/innen führende Geschäftspraktiken lädierten schon vor Jahren das Ansehen des „(un)heimlichen Aufteilers im Herzen Kreuzbergs“, wie ihn Christoph Trautvetter, Autor der Studie „Wem gehört die Stadt?“, beschreibt. Das regelmäßig von Protesten begleitete Unternehmen bemühte sich phasenweise auch um eine medienwirksame Imageverbesserung. 2015 überraschte Ziegert mit der Gründung einer gemeinnützigen Stiftung mit dem Ziel, „erschwinglichen Wohnraum“ für viele Berliner/innen zu schaffen. Laut Eigendarstellung will Ziegert mit der Joanes Stiftung die Eigentumsbildung für breite Schichten der Bevölkerung fördern. Damit wiederholt er das bekannte Mantra der Wohnungsprivatisierer, laut dem möglichst vielen Menschen Immobilieneigentum ermöglicht werden soll, um für die finanzielle Absicherung im Alter sorgen zu können. Eigentumswohnungen sollten ein „Volksprodukt“ werden und zur „Demokratisierung der Eigentumsverhältnisse“ beitragen, wurde der Unternehmer in verschiedenen Medien zitiert. Dabei setzt er auch auf die Unterstützung von Politikern wie dem früheren Bundesinnenminister Otto Schily, der dem Stiftungsbeirat angehört. Ziegert zeigt sich also als Meister des doppelten Spiels. Auf der einen Seite redet er von bezahlbarem Wohnen und predigt gesellschaftliche Verantwortung, auf der anderen konstruiert er obskure Firmengeflechte, wandelt im großen Stil Wohnraum um und verdient kräftig am Verkauf von Eigentumswohnungen im Luxussegment.
Denn besonders dort realisiert das Unternehmen riesige Profite. Nach einer Erhebung des Wirtschaftsmagazins Capital vom September 2020 bietet Ziegert Eigentumswohnungen in Berlin für durchschnittlich 7.000 bis 8.000 Euro pro Quadratmeter an und erzielt damit in der Hauptstadt deutlich höhere Preise als viele seiner Mitbewerber. Als „Highlight-Objekt“ wird auf der Webseite des Unternehmens unter anderem ein „Logenplatz“ in einem Neubau am Werderscher Markt für 24.000 Euro pro Quadratmeter angeboten. Im Vergleich dazu ist ein ebenfalls offeriertes „2-Zimmer-Citydomizil“ in einem im Bau befindlichen Wohnturm („Upside Berlin“), in unmittelbarer Nähe der Spree mit 729.000 Euro für 88 Quadratmeter nahezu ein Schnäppchen. Bis Ende 2022 sollen auch die 13 neuen Wohnungen im „Cosyyard“ in Prenzlauer Berg fertig sein. Sie kosten bis zu 1,9 Millionen Euro, die Preise pro Quadratmeter beginnen bei 10.085 Euro. Und wer den Widerstand gegen Verdrängung und Ausverkauf in Teilen der Neuköllner Altstadt verfolgt und unterstützt, bekommt bei Ziegert eindrucksvolle Argumente geliefert. So wird eine Ein-Zimmer-Altbauwohnung mit Balkon im „immer beliebter werdende Szeneumfeld des Schillerkiezes“ für 5.900 Euro pro Quadratmeter angeboten. Gerade in diesem Kiez sind die Verkaufspreise für umgewandelte und dann entmietete Wohnungen in den vergangenen zehn Jahren nahezu explodiert.
In einem Online-Artikel vom 20. Dezember 2020 zieht Christoph Trautvetter ein ernüchterndes Fazit zum Thema Umwandlung, auch mit Blick auf die Geschäftspolitik der Ziegert Group. Umwandlungen fänden vor allem dann statt, wenn der Wohnungsmarkt angespannt sei. Dann würden Käufer/innen hohe Preise zahlen. „Hauptprofiteure“, so der Autor, „sind die Voreigentümer/innen, darunter viele spekulative Investor/innen, die einen Exit über den Verkauf von Eigentumswohnungen planen, und die professionellen Umwandler/innen. Umso lautstarker protestieren sie gegen eine Beschränkung der Umwandlung und pflegen dafür engen Kontakt zur Politik.“ Dass auch der geschäftige Nikolaus Ziegert gesellschaftlich und politisch gut vernetzt ist und seinen Einfluss im Eigeninteresse erfolgreich zur Geltung bringen kann – dafür spricht allein schon eine Ehrung, die ihm vor fünf Jahren der Marketing Club Berlin verliehen hat. Sie kürte ihn zum „Immobilien-Papst“.
MieterEcho 414 / Februar 2021