Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 410 /

Corona und die Miete

Nicht bei den Mietausfällen, sondern bei der Vermögensverteilung besteht großer Handlungsbedarf

Von Philipp Mattern     

Entstehen Berge von Mietschulden, weil Mieter/innen aufgrund von Einnahmeeinbußen infolge der Corona-Maßnahmen in Zahlungsnot geraten? Bisher deutet wenig darauf hin, dass es sich hierbei um ein Massenphänomen handelt. Dennoch wird immer wieder für eine staatliche Unterstützung bei der Miete plädiert. Das ist sicher gut gemeint, lenkt aber von den wirklich wichtigen Fragen ab.   

   
Gleich zwei Anträge hatte der Bundestag Mitte Mai zu diskutieren. Einen von den Grünen, der im Kern ein KfW-Programm mit zinslosen Krediten für Mieter/innen sowie Eigentümer/innen fordert. Zum anderen einen der Linken, der neben zahlreichen Verbesserungen des Mieterschutzes, die grundsätzlich und ganz unabhängig von Corona zu begrüßen wären, einen Härtefallfonds für Vermieter/innen beinhaltet, um die reduzierten Mieteinnahmen zu kompensieren. Beide Anträge wurden in Ausschüsse verwiesen und es ist unklar, was aus ihnen wird. Dennoch zeigen sie den eigenartigen Stand der derzeitigen Diskussion. Denn hier werden Antworten auf ein Problem diskutiert, dass es möglicherweise in dieser Dramatik gar nicht gibt. Fraglos, dass viele Haushalte mit Einkommenseinbußen konfrontiert sind. Mietausfälle in nennenswerter Größenordnung sind bisher aber nicht zu verzeichnen, was zu einem guten Teil auch auf die Wirkung der bisherigen Sofortmaßnahmen zurückgeführt werden darf. Von einer insgesamt „sehr geringen temporären Reduzierung der Mietzahlungen“ ging jüngst Deutschlands größte Vermieterin Vonovia aus. Lediglich ein Prozent der Mieter/innen hätte Zahlungsengpässe angemeldet. Die Gewinnprognose wurde aufrechterhalten und das erste Quartal dieses Jahres mit Gewinnsteigerung abgeschlossen. Die Immobilienwirtschaft wird die Corona-Krise weitgehend unbeschadet überstehen. Zumindest das Geschäft mit Wohnimmobilien dürfte kaum tangiert werden, bei Gewerbeflächen mag es mittelfristig etwas anders aussehen.   
                               
Untere Einkommensgruppen ohne Kapitalanlagen       
Was irritiert, ist vor diesem Hintergrund die von den Befürworter/innen staatlicher Mietbeihilfen stets an die Wand gemalte Schreckensgestalt des armen kleinen Vermieters, der um seine Existenz bangen muss, weil die Miete ausbleibt. „Keine Sorge: Oma Erna, die vielleicht eine Wohnung vermietet, um ihre kleine Rente aufzupäppeln, wird anders behandelt als Vonovia“, sagte Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag zur Begründung des Antrags. Auch Oma Erna bekäme nämlich Unterstützung aus dem von der Linken geforderten Härtefallfonds. Aber warum? „Erwartungsgemäß ist die Eigentumsquote mit Blick auf die Einkommensgruppen nicht gleich verteilt. Mit steigendem Einkommen steigt die Eigentumsquote“, weiß der letzte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2017. „Betrachtet man die Haushalte nach der Höhe des Vermögens, so zeigt sich, dass die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung nur über rund 1 Prozent des gesamten Nettovermögens verfügen, während die vermögensstärksten 10 Prozent der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens auf sich vereinen.“ Sollte Oma Erna also wirklich von Altersarmut bedroht sein, dürfte sie kaum über nicht selbst genutztes Immobilieneigentum zur Kapitalanlage verfügen, und umgekehrt genauso.
Anstatt sich Sorgen zu machen, wie die Oma Ernas und Vonovias dieser Welt zu ihren Gewinnen kommen, sollte man sich den Kopf zerbrechen, wie man die nach wie vor florierende Immobilienwirtschaft durch wirkungsvolle Umverteilungsmaßnahmen an den Kosten der Krise beteiligt. Im Gegensatz zu den Mieten gehen die Steuereinnahmen nämlich schon deutlich zurück und all die Hilfsmaßnahmen, die dazu führten, dass bisher kaum Mietrückstände aufliefen, kosten viel Geld. Eine ernsthafte Debatte über eine Vermögensabgabe wäre wesentlich zielführender. Das geschätzte private Finanzvermögen in Deutschland beläuft sich auf 4 Billionen, die Betriebsvermögen auf rund 6 Billionen und das Immobilienvermögen auf sage und schreibe 9 Billionen Euro. Hier gäbe es reichlich umzuverteilen.


MieterEcho 410 /

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

Email: me(at)bmgev.de

Ferienwohnungen

Unsere Umfrage

Falls sich eine oder mehrere Ferienwohnung(en) in Ihrem Haus befinden, berichten Sie uns davon und schildern Sie Ihre Erfahrungen in unserer Online-Umfrage.