Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 418 / Juni 2021

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht

Nach langem Zaudern will jetzt auch das Bezirksamt Reinickendorf gegen den wachsenden Verdrängungsdruck vorgehen

Von Felix Lederle

Milieuschutzgebiete sind das schärfste den Bezirken zur Verfügung stehende Schwert, um die Verdrängung angestammter Mieter/innen durch mietpreissteigernde Modernisierungen und Luxussanierungen zu beschränken.
 Dazu gehört auch das Vorkaufsrecht. Wie wirksam diese Instrumente sind, hängt aber auch davon ab, wie konsequent das jeweils zuständige Bezirksamt von diesen
Instrumenten Gebrauch macht.

Seit dem Regierungsantritt von Rot-Rot-Grün in Berlin hat sich die Anzahl der Milieuschutzgebiete in Berlin verdoppelt. Auch in Reinickendorf wurde in dieser Legislaturperiode rund um den Letteplatz in Reinickendorf-Ost erstmals ein Milieuschutzgebiet ausgewiesen. Der grundsätzliche Konstruktionsfehler besteht nach Auffassung der Linken allerdings darin, dass eine soziale Erhaltungssatzung erst nach einem mehrstufigen, langwierigen Verfahren (Grobscreening und vertiefende Untersuchung) erlassen werden kann.

Alle Gebiete in geschlossener Bauweise in Reinickendorf wurden in einem vom Bezirksamt beauftragten und 2016 vorgelegten Grobscreening untersucht. Für Alt-Tegel wurde in dem Bericht festgestellt, dass sich die Verdrängung zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen hatte. Das Grobscreening kam hier somit zu spät, die Entwicklung war vom Bezirksamt und der schwarz-grünen Zählgemeinschaft in der letzten Legislaturperiode verschlafen worden. 

Für alle Planungsräume des Untersuchungsgebiets in Reinickendorf-Ost wurde dagegen ein mittleres Aufwertungs-, Modernisierungs- und Verdrängungspotenzial festgestellt und die vertiefende Untersuchung durch das Bezirksamt beauftragt. Bei der Bewertung der Ergebnisse und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bezüglich der Größe des Milieuschutzgebietes gab es aber Dissens. Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU) agierte zwar im Grundsatz erfreulich unideologisch und pragmatisch, so dass das erste Milieuschutzgebiet im Bezirk möglich wurde. Aus Sicht der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung wäre es aber angebracht gewesen, das Milieuschutzgebiet um den Letteplatz von Anfang an weiter zu fassen. Es geht darum, zusätzlichen Druck auf angrenzende, ebenfalls von Aufwertung und Verdrängung bedrohte Gebiete zu vermeiden. Das beträfe die Quartiere um den Hausotterplatz, das Breitkopfbecken, die Weiße Stadt, den Schäfersee und alle Gebiete rund um die Residenzstraße.

Untersuchung lange verweigert

Eine vertiefende Untersuchung für Reinickendorf-West wurde vom Bezirksamt dagegen lange Zeit verweigert, obwohl der Bericht des Grobscreenings von 2016 für die Planungsräume Klixstraße und Scharnweberstraße in Teilbereichen mittlere bis hohe Aufwertungs- und Modernisierungspotenziale und ein ausgeprägtes Verdrängungspotenzial feststellte. Und obwohl klar war, dass die Schließung des Flughafens Tegel und die Pläne für die Urban Tech Republic und das Schumacher-Quartier in der Immobilienbranche Begehrlichkeiten in Bezug auf die umliegenden Quartiere wecken würden.

Der Bericht empfahl dennoch „eine vertiefende Untersuchung erst dann durchzuführen, wenn die Schließung des Flughafens Tegel fest terminiert ist“. Und daran hat sich das Bezirksamt orientiert. Hier wird einerseits deutlich, dass das Verfahren zu kompliziert ist, und zum anderen wäre hier mehr Mut des Bezirksamtes angebracht gewesen.      

Erst im Jahr 2020 wurden vorbereitende Maßnahmen für die vertiefenden Untersuchungen eingeleitet. Mittlerweile sind die sozialräumlichen Untersuchungen ebenso durchgeführt worden, wie die notwendige Haushaltsbefragung. Am 27.Mai wurde der Schlussbericht zum Milieuschutzgebiet Reinickendorf-West endlich vorgestellt. Bezirksbürgermeister Balzer hat erfreulicherweise Offenheit dafür signalisiert, noch während der laufenden Legislaturperiode eine soziale Erhaltungssatzung für die Scharnweberstraße bis zur Auguste-Viktoria-Allee und links und rechts entlang der gesamten Klixstraße zu verabschieden. Es wäre ein gutes Signal für die Handlungsfähigkeit des Bezirks, zum Wohle vieler Mieter/innen in Reinickendorf-West, noch bis Ende September entsprechende Beschlüsse in der BVV zu fassen.  

 

Felix Lederle ist Vorsitzender der Linksfraktion in der BVV Reinickendorf.


MieterEcho 418 / Juni 2021

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