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MieterEcho 411 /

Auf dem Sprung in die Top-Liga der Wohnungsunternehmen

Nach der Fusion mit Adler Real Estate stellt sich ADO Properties neu auf

Von Joachim Maiworm

„Das Fusionskarussell dreht sich immer schneller“ – so oder ähnlich beschreibt die Presse seit Jahresbeginn einen aktuellen Trend auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt. Im Mai platzte ein milliardenschwerer Zusammenschluss der Düsseldorfer LEG Immobilien und des kleineren Konkurrenten TAG Immobilien. Im Frühjahr entzündete sich auch eine erneute Debatte um ein Zusammengehen der führenden Immobilienkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen (DW) – vier Jahre nachdem DW eine feindliche Übernahme durch den Branchenprimus Vonovia gerade noch hatte verhindern können. Ein mit 37 Milliarden Euro bewerteter Immobilienriese könnte so entstehen und dem Konzentrationsprozess auf dem deutschen Immobilienmarkt einen weiteren Schub geben.

 

Tatsächlich in die Wege geleitet wurde bisher jedoch nur die Fusion der ausschließlich in Berlin vertretenen ADO Properties mit Adler Real Estate, deren Wohnungsbestände sich hauptsächlich im Norden und Westen Deutschlands befinden. Der seit 2015 an der Frankfurter Börse notierte ADO-Konzern ist in Berlin aus mehreren Gründen hochumstritten. Er kaufte wie kaum ein anderer Anbieter in den letzten Jahren sowohl in zentralen Lagen wie auch in attraktiven Randlagen der Stadt Wohnungsbestände auf, um nach Modernisierungen oder Neuvermietungen ein „Aufholpotenzial“ bei den Mieten von bis zu 63% anzusteuern, wie aus dem Geschäftsbericht 2018 hervorgeht. Immer mehr Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen setzten zunehmend Mieter/innen unter Druck, die Hauptstadtmedien berichteten regelmäßig über eine vernachlässigte Instandhaltung oder Betreuung der Objekte, beispielsweise über Schimmelbildung und defekte Heizungen. Etliche Portfolio-Käufe wurden zudem – wie branchenüblich – über Share Deals, das heißt unter Umgehung der bei Immobilientransaktionen fälligen Grunderwerbssteuer, abgewickelt.

Börsennotierte Unternehmen verweisen zur Rechtfertigung ihrer Geschäftspolitik gerne darauf, dass sie im Interesse ihrer Aktionäre verpflichtet sind, profitorientiert zu agieren. Die Geschäftsstrategien zielen deshalb, so der branchenübliche Jargon, vor allem auf die „kontinuierliche Verbesserung der Mieterstruktur“ ab. Das heißt nichts anderes, als die nicht ausreichend finanzkräftige Mieterschaft zur Aufgabe ihrer Wohnungen zu bewegen und an deren Stelle „hochwertige Mieter“ zu setzen. „Wir streben regelmäßige Mieterhöhungen bis Marktniveau im Rahmen der regulatorischen und rechtlichen Grenzen sowie über Mieterfluktuation an. Darüber hinaus prüfen wir kontinuierlich Mietsteigerungspotenziale und streben durch gezielte Investitionen in die Modernisierung, Sanierung und Neupositionierung unserer Immobilien, die eine Erhöhung der Mietpreise ermöglichen, nach einem Wachstum oberhalb des Mietspiegels“, heißt es im Geschäftsbericht 2019. Den Worten folgen Taten: Im letzten Jahr konnte ein sattes Mietwachstum von 5% erzielt werden (Vonovia/DW in Berlin lagen jeweils bei 3,7%). Die durchschnittliche monatliche Nettokaltmiete lag Ende März 2020 in ADO-Beständen bei 7,29 Euro/qm und damit um fast 6 bzw. 5,2% höher als in den Berliner Portfolios der wesentlich stärker im öffentlichen Fokus stehenden Konkurrenten Vonovia und DW.

 

Profit durch Rekommunalisierung

Als Profiteur der Berliner Wohnungskrise erwies sich ADO auch beim bisher größten Rekommunalisierungsankauf in der Geschichte der Stadt. Ende November des letzten Jahres konnte ADO den Verkauf von etwa 5.900 Wohnungen in den Bezirken Spandau und Reinickendorf an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag abschließen. Der Senat soll dafür 920 Millionen Euro bezahlt haben. ADO hatte die Bestände erst 2015 für etwa 375 Millionen Euro von DW erworben. Die Wohnungen hatten schon einmal dem Land Berlin gehört – bis 2004, als der damalige Senat die in den 1960er bis 1990er Jahren von der damals landeseigenen Gesellschaft GSW als Sozialwohnungen errichten Bestände an Finanzinvestoren verkaufte. 2013 waren sie dann von der DW übernommen worden. Ein lukrativer Deal: Nach etwa viereinhalb Jahren konnte ADO den Wert seiner Investitionen weit mehr als verdoppeln. Gleichzeitig reduzierte er seinen Wohnungsbestand (Ende 2018 etwa 22.000 Wohnungen) um mehr als ein Viertel. Der Verkauf dieser Objekte zu sehr vorteilhaften Bedingungen stand der eigenen Wachstumsstrategie aber nicht entgegen. Da sich ADOs Ziel, schnell oder gar sprunghaft zu expandieren, angesichts der Angebotsknappheit auf dem Wohnungsmarkt durch den Kauf von größeren Mietwohnungsportfolios nicht realisieren ließ, bot sich als einzige Alternative der Zusammenschluss mit anderen privaten Akteuren an.

Die seit September des vergangenen Jahres verhandelte und im April 2020 vollzogene Großfusion von ADO Properties und Adler Real Estate sowie der zur gleichen Zeit vereinbarte Zusammenschluss mit Deutschlands größtem Immobilienentwickler Consus AG erscheint darum folgerichtig.

 

Komplexe Fusion

Die komplexe Dreierfusion der in Berlin ansässigen Unternehmen ADO, Adler und Consus ist für einen Börsenlaien kaum zu durchschauen: ADO übernimmt seinen Konkurrenten Adler, der kurz zuvor durch den Kauf eines Drittels der Anteile der israelischen ADO-Mutter ADO Group die indirekte Kontrolle über ADO übernahm. Im April dieses Jahres verlor Adler seinen bestimmenden Einfluss über die ADO wieder, nachdem ADO als neuer Mehrheitsaktionär mit mittlerweile fast 92% Anteilen an Adler einen Beherrschungsvertrag mit dem Unternehmen initiierte. Zusammen werden die beiden Konzerne den viertgrößten privaten Wohnungsanbieter in Deutschland bilden (nach Vonovia, DW und LEG Immobilien) – mit über 75.000 Wohneinheiten und einem Buchwert von rund 8,6 Milliarden Euro. Das fusionierte Unternehmen ist damit ein Kandidat für den Aufstieg in den MDax, in dem die 60 größten Unternehmen nach den deutschen DAX-Unternehmen gelistet sind und wird unter dem traditionsreichen Namen Adler Real Estate Group firmieren. Nicht zuletzt deshalb wurden Vermutungen laut, dass hinter dem Deal der ehemalige Großaktionär Adler stecke. Der sachliche Hintergrund: Das überdurchschnittlich hoch verschuldete Unternehmen profitiert vom besser aufgestellten ADO-Konzern.
Die Zusammenführung der Unternehmen begründete die ADO-Geschäftsführung mit der notwendigen Diversifizierung des Geschäftsmodells. Das relativ hochwertige Berliner Portfolio von ADO wird durch die deutschlandweiten Bestände von Adler ergänzt, die sich eher in Städten „aus der zweiten Reihe“, das heißt am Rande von Ballungsgebieten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen konzentrieren. Auf diese Weise sollen künftig auch die finanziellen Auswirkungen durch den Berliner Mietendeckel reduziert werden. So heißt es im letzten Quartalsbericht, dass nach der Fusion mit Adler noch 29% der Gesamtmieteinnahmen vom Mietendeckel betroffen sein werden. Die neue Unternehmensgruppe rechnet im nächsten Jahr deshalb mit Mietausfällen von 9 Millionen Euro, die durch erwartete Synergieeffekte auf den operativen Gewinn in Höhe von 15 bis 20 Millionen Euro jährlich allerdings mehr als kompensiert werden dürften.

 

Neubau für die Reichen

Ein weiterer Baustein in der Neuaufstellung des Konzerns besteht im Zusammenschluss mit der Consus Real Estate AG, ebenfalls mit Hauptsitz in Berlin. Nach eigener Aussage handelt es sich dabei um den führenden Immobilienentwickler in Deutschlands Top-9-Städten. Da Wachstumschancen über den Kauf von größeren Wohnungsbeständen für die privaten Vermieter kaum noch realisierbar sind, bauen mittlerweile Konzerne wie Vonovia und künftig auch die Adler Real Estate Group verstärkt selbst. Und gefallen sich dabei in der Pose als sozial engagierte Unternehmen. Ein Eigentor, wie die Immobilien Zeitung befand und im Dezember 2019 spöttisch kommentierte: „ADO wiederum kommunizierte die Beteiligung an dem Entwickler (...) als Hilfsaktion zur Linderung der Wohnungsnot in den Städten. Fun Fact: Die Consus-Durchschnittsmieten werden zu 18 Euro/m² kalkuliert“.
Für die Berliner Mieter/innen bedeutet die selbst für Expert/innen weitgehend undurchschaubar durchgeführte Dreierfusion zweifellos nichts Gutes. Denn „einem finanziell hoch verschuldeten Immobilienkonzern bleibt möglicherweise gar nichts anderes übrig, als die maximalen Mieten abzuschöpfen und gleichzeitig in einen jahrelangen Investitionsstreik zu treten“, wie selbst die marktliberale Zeitung Die Welt Ende Februar resümierte.


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