Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 401 / April 2019

RAW abreißen und Hochhäuser bauen?

Der Bezirk schafft Fakten auf der letzten großen Fläche in Friedrichshain

Von der Bezirksgruppe Friedrichshain

Relativ unbemerkt spielte sich im letzten Jahr eine sogenannte Dialogwerkstatt zur Zukunft des RAW-Geländes in Friedrichshain ab. Der Bezirk hatte zu drei großen Veranstaltungen geladen, dazwischen wurden bei internen Gesprächsrunden zwischen Eigentümer, Bezirksamt, Architekten und anderen Entscheidungen getroffen. Beim Beteiligungsverfahren durften die Leute hunderte von Zetteln mit frommen Wünschen ausfüllen. Meist sprachen sie sich für einen behutsamen Umgang mit dem Areal des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks aus.

Herausgekommen ist dennoch ein Strukturplan, der den Abriss des größten Teils der Bauten auf dem RAW-Gelände vor- sieht. Übrig bleiben sollen nur die denk- malgeschützten Häuser an der Revaler Straße und die Gebäude rund um den Kletterturm. Dazwischen sollen mehrere Hochhäuser entstehen sowie in den bisherigen Visualisierungen recht massiv wirkende Blöcke. Sie sollen Büros, Gewerbe und Unterhaltungsindustrie beherbergen. Eine Wohnbebauung ist nicht vorgesehen. Dieses Ergebnis soll nun zeitnah in einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans übergehen.
Was nach vielen Jahren der Auseinandersetzung um die Zukunft des Geländes eigentlich unglaublich erschien, ist von der grünen Bezirksregierung nun gebilligt worden. Mit den prognostizierten 180.000 qm Neubau würde endlich eine gewisse Ruhe auf dem RAW einkehren und es entstünden Arbeitsplätze, erklärte sinngemäß Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Die Grünen) bei einer Anhörung der BVV im November 2018. Auch komme es angesichts eines geplanten Riesenbüroturms an der Warschauer Brücke nicht so sehr darauf an, ob nun 30 bis 40.000 qm mehr oder weniger entstünden.
Die Bezirksgruppe Friedrichshain sieht das anders. Die Entwicklungen rund um die Mercedes-Benz-Arena dürfen nicht auf das RAW überschwappen. Bei aller Kritik an der derzeitigen Nutzung als Partyort ist das Areal nach wie vor ein sub- kulturelles Zentrum und ein wichtiger Freiraum. Eine neue Hochhaus-City würde der ohnehin fortgeschrittenen Gentrifizierung in Friedrichshain die Krone aufsetzen.

Kinderzirkus als Geisel?

Die Initiative „RAW Kulturensemble“ setzt sich dafür ein, das Gelände mit einer Erhaltungssatzung zu schützen. Sie hat dafür 5.100 Unterschriften gesammelt und einen Einwohnerantrag in die BVV eingebracht. Städtebauliche Erhaltungssatzungen verhindern Abriss und begrenzen Neubaupotential auf ein ensembleverträgliches Niveau. Auch ohne Abriss würden die Flächen auf dem RAW für Neubauten ausreichen. Laut Initiative könne der Bezirk das festlegen, denn er sei „Plangeber“ und auf dem Areal herrsche kein Baurecht über den Bestand hinaus.
Doch die Eigentümer nutzen die Vertragsverhandlungen mit den bisherigen Nutzer/ innen des so genannten „Soziokultur-L“ als Druckmittel. Den Mieter/innen, die die L-förmig angeordneten Gebäude teils seit langen Jahren nutzen, wird ein Verbleib in Aussicht gestellt, darunter Künstlerateliers, eine Skatehalle, ein Kletterturm und ein Kinderzirkus. Momentan droht ein Teil ihrer Mietverträge auszulaufen. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, über einen sozialen Träger einen bezahlbaren Rahmenmietvertrag zu bekommen. Angeblich bräuchte es dafür aber das enorme Bauvolumen zur Refinanzierung, heißt es von Seiten der Kurth Immobilien GmbH, die Eigentümerin eines Großteils des Geländes ist. Ein Kinderzirkus als Geisel zur Durchsetzung von Investorenträumen? Der Bezirk muss den Eigentümern klar machen, dass sich die Politik nicht erpressen lässt und dass das RAW für ihre Vorstellungen nicht der richtige Ort ist. Eine zukünftige Bebauung muss sich in das Ensemble einfügen und nicht umgekehrt. Es geht darum, dass das RAW-Gelände als industrielle Kulturlandschaft erhalten bleibt und seine wichtige Funktion als Ort der Erholung, für Kultur und Sport sowie öffentliche Infrastruktur in einem sehr dicht bebauten Kiez ausgebaut wird. Einem weiteren Kommerzzentrum darf das RAW nicht geopfert werden.

 
Weitere Informationen: www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/aktuelles/ bezirksticker/2018/dialogwerkstatt-raw-720667.php www.raw-kulturensemble.de


MieterEcho 401 / April 2019

Schlüsselbegriffe: RAW,RAW Gelände,Neubau,Kinderzirkus,Soziokultur-L

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