Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 406 / Dezember 2019

Gegen die Interessen der Mitglieder

Genossenschaftler/innen wehren sich gegen Lobbyarbeit der Verbände

Von Elisabeth Voß

Dass die Immobilienbranche gegen Enteignungsdiskussionen und Mietendeckel mobilisiert, war nicht anders zu erwarten. Dass aber auch die Genossenschaften in dieses zutiefst unsoziale Konzert einstimmen, enttäuscht doch sehr. Genossenschaften sind vom Gesetz verpflichtet, ihre Mitglieder zu fördern, was eine vollkommen andere Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit vorgibt, als es bei profitorientierten Immobilienunternehmen der Fall ist.                        

Es gibt allerdings nicht „die Genossenschaften“, denn in der Praxis unterscheiden sich die Genossenschaften erheblich voneinander. Es sind auch keineswegs „die Genossenschaften“, die sich jetzt voller Entrüstung gegen Enteignungen und Mietendeckel positionieren, sondern einzelne Verbände. Und in denen haben die Vorstände der Genossenschaften das Sagen, nicht die Mitglieder. Am 15. Oktober fand im Treffpunkt der Genossenschaft Möckernkiez in Kreuzberg eine Veranstaltung zum Thema „Sind Enteignung und Mietendeckel der richtige Weg?“ statt. Sie kam zustande infolge eines offenen Briefes, mit dem Mitglieder mehrerer Berliner Genossenschaften im Juli die Positionen des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) kritisiert hatten. BBU-Vorständin Maren Kern bot daraufhin ein Gespräch an. Sie diskutierte mit Helga Conrad von der Wohnungsbaugenossenschaft Friedrichshain und dem ehemaligen Berliner Integrationsbeauftragten und Mitglied der Möckernkiez Genossenschaft Günter Piening, die beide den offenen Brief unterschrieben hatten. Es moderierte Uwe Rada von der taz.                                


Kern stellt sich der Diskussion        
Im Offenen Brief hatten die Genossenschaftsmitglieder ihr Unverständnis ausgedrückt, dass sich ausgerechnet der Verein der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e.V. und der BBU „zu Wortführern der Verteidiger dieses enthemmten Marktes machen“. Sie forderten ihre Dachverbände auf, endlich aufzuhören, sich „zum Sprachrohr der ‚Deutsche Wohnen AG‘ zu machen“, sondern „die Selbsthilfe und die Interessen der Mitglieder in den Mittelpunkt“ zu stellen. Sie kritisierten, dass die Verbände „einen bekennenden Neoliberalen für ein Gutachten gegen die Enteignungskampagne“ finanzieren und dann „auch noch teure Anzeigen gegen den Mietendeckel“ schalten, als würde „der Untergang des deutschen Genossenschaftswesens“ drohen.            

Der Versammlungsraum im Genossenschaftstreff war überfüllt. Möckernkiez-Vorstand Frank Nitzsche begrüßte die Anwesenden und bat um Sachlichkeit in der Auseinandersetzung. Im Juli hatte er im Tagesspiegel den Mietendeckel als Unsinn bezeichnet und angekündigt, dass seine Genossenschaft zahlungsunfähig werden könne, wenn der Mietendeckel länger als fünf Jahre gelten würde.        

Einleitend wies Günter Piening darauf hin, dass der BBU den falschen Eindruck erwecken würde, die Genossenschaften seien gegen Enteignungen und Mietendeckel, dass aber deren Mitglieder gar nicht gehört würden. Zudem hätte der BBU ein Glaubwürdigkeitsproblem durch Mitglieder wie Deutsche Wohnen und Vonovia. Bei dieser Veranstaltung kämen zum ersten Mal auch Mitglieder zu Wort.    Der BBU wurde ursprünglich als Verband von Genossenschaften, öffentlichen und kirchlichen Wohnungsunternehmen gegründet. Durch die Privatisierungen öffentlicher Wohnungsgesellschaften gehören ihm nun aber auch Deutsche Wohnen und Vonovia an. Maren Kern stellte sich als überzeugte Genossenschaftlerin dar, jedoch konnte sie dem Eindruck, der BBU würde sich an seinen stärksten Mitgliedern orientieren, nichts Substanzielles entgegensetzen. Immerhin stellen Deutsche Wohnen und Vonovia etwa 20% der Wohnungen und damit auch der Mitgliedsbeitragseinkünfte des BBU. Das dürfte für deren Gewicht in der Verbandspolitik nicht unwichtig sein.            


Helga Conrad wies darauf hin, dass die meisten großen Genossenschaften etabliert seien und über erhebliche finanzielle Reserven verfügen würden, sodass von einer Gefährdung durch den Mietendeckel keine Rede sein könne. Sie forderte Maren Kern auf, ihre guten Kontakte in die Politik besser dafür zu nutzen, sich für mehr Neubau einzusetzen, statt sich gegen den notwendigen Mietendeckel zu stellen. Außerdem solle sie sich von den profitorientierten Gesellschaften distanzieren, denn man könne nicht Diener zweier Herren sein.    

Es war abzusehen, dass die Diskussion keine Einigung bringen würde. Das Argument von Maren Kern, weder Enteignungen noch Mietendeckel würden neue Wohnungen schaffen, lief ins Leere, denn dafür ist ja beides gar nicht gemacht. Neubau soll weder mit der Enteignung großer Wohnungsunternehmen noch durch einen Mietendeckel ersetzt werden, sondern beides richtet sich auf die Regulierung eines aus den Fugen geratenen Mietengefüges im Bestand. Dass auch die Enteignung großer Genossenschaften drohe, ist bloße Behauptung, denn von der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen!“ war das nie vorgesehen.            


In der Pressemitteilung im Juni bezeichnete Maren Kern den Mietendeckel als „Investitionsdeckel“ und räumte ein: „Angesichts schwarzer Schafe auf dem Mietwohnungsmarkt könnten Anpassungen des Mietrechts aber sinnvoll sein.“ Die rassistische Wortwahl wurde an dem Abend nicht thematisiert, aber Kern wurde gefragt, ob sie damit vielleicht ihr Mitgliedsunternehmen Deutsche Wohnen gemeint habe. Sie verneinte, lobte deren Sanierungsaktivitäten an einem Weltkulturerbe, „ganz ohne wirtschaftliche Interessen“, und auch deren soziales Engagement. Das Unternehmen hätte nur eine schlechte Öffentlichkeitsarbeit gemacht und sich gegen den Mietspiegel positioniert.                                

            
Ideologische Kampagnen        
Angesprochen auf einen Flyer des BBU gegen den Mietendeckel redete sich Maren Kern heraus, sie habe nur den Entwurf erstellt, aber verteilt würde er von den Wohnungsunternehmen selbst. In einem Flyer des Marketingverbands Verein der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e.V. (der mit den Bauklötzchen) wird behauptet, der genossenschaftliche Friede würde durch den Mietendeckel gestört. Es werden Horrorszenarien beschrieben, wie im Jahr 2026 Instandhaltungen nicht mehr möglich seien, Nachbarschaftstreffs geschlossen würden und genossenschaftliches Eigentum dem Staat übertragen werden müsste, als würde das Ende des Genossenschaftswesens nahen. Ein Diskussionsteilnehmer wies darauf hin, dass Olaf Rabsilber, der Vorstandsvorsitzende des Vereins, auch Vorstand im Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft und in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist.        
Angesprochen wurde auch eine geplante Kampagne des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft (GdW), dessen Regionalverband der BBU ist. Die taz hatte am 7. Oktober über einen Brief berichtet, mit dem der Verband seine Mitgliedsunternehmen zur Beteiligung an der „solidarischen Finanzierung einer Öffentlichkeitskampagne“ aufrief. Das Kampagnenkonzept setzt darauf, „regionale Themen regional auszuspielen“ und soll an den Ebenen Lösungsorientierung, Kompetenz und Aufklärung ansetzen. Dafür werden 1,6 Millionen Euro veranschlagt. Maren Kern versuchte, das als reine Imagekampagne herunterzuspielen. Allerdings kamen Details sowie ein Video zur geplanten Kampagne in die Öffentlichkeit, die eine andere Sprache sprechen. Mit Facebook Geo-Targeting sollen ausgewählte Bevölkerungsgruppen erreicht werden, um durch „Eingrenzung des Wohnorts bis hinunter zum Stadtteil“ gezielte Botschaften zu platzieren. Politiker/innen sollen über Twitter direkt angesprochen werden, und es ist sicher kein Zufall, dass als Beispiel die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses genannt werden. Damit sollen „für uns möglichst positive ‚Wellen‘ bei der Politik ankommen“.            

Abschließend gab Günter Piening dem BBU Wünsche und Empfehlungen von Genossenschaftsmitgliedern mit. Der BBU solle „wieder zu einem Verband des ausschließlich gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus werden und sich von Deutsche Wohnen AG, Vonovia und den anderen Wohnungsaktiengesellschaften trennen“. Er solle sich auch „von der undemokratischen Mustersatzung des GdW“ trennen. Stattdessen  sollten den Genossenschaften „Hinweise an die Hand gegeben werden, wie die Spielräume, die das Genossenschaftsgesetz für demokratische Mitwirkung in den Genossenschaften zulässt, optimal genutzt werden können“. Abschließend appellierte er an den BBU, „dass er seine Politik, seine Finanzpläne, Einnahmen und Ausgaben, seine Geschäftsberichte usw. transparent macht“. Ob das auf fruchtbaren Boden fällt, darf bezweifelt werden.


MieterEcho 406 / Dezember 2019

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