Editorial
Editorial MieterEcho
Liebe Leserinnen und Leser,
„First we take Manhattan, then we take Berlin”, hatte Leonhard Cohen in den 80ern gesungen. Dass er damals schon an den Mietendeckel gedacht hat, ist nicht gesichert. Am 14. Juni jedenfalls – vier Tage vor dem Senatsbeschluss in Berlin – hat Andrew Cuomo, Gouverneur von New York, ein Gesetz unterzeichnet, das die Mieten strenger reguliert. Wenn sich der New Yorker Mietendeckel auch von dem Berliner unterscheidet, haben diese Städte einen Trend in Gang gesetzt, der Anhänger/innen findet.
Die Immobilien Zeitung berichtet in der Ausgabe 30/2019 unter der Überschrift „Londoner Bürgermeister will Wohnungsmieten regulieren“: „Sadiq Khan hat das Thema Wohnungsmieten offenbar zu einem Eckpfeiler seiner Kampagne zur Wiederwahl als Bürgermeister von London erklärt. Berlin dient als Vorbild.“ Seine Chancen stehen nicht schlecht, denn einer Umfrage zufolge sind „mittlerweile zwei Drittel aller Londoner für die Einführung von Mietendeckeln nach dem Vorbild von Berlin und New York.“
Wie begrüßenswert solche Maßnahmen sind, zeigen die Reaktionen auf der Kapitalseite. Die WirtschaftsWoche blickt zurück auf die Mietpreisregulierung in New York von 1950. Die habe, stellt sie dar, so starke Fehlentwicklungen ausgelöst, angefangen vom Verfall der Bausubstanz, bis zur Verdrängung biederer New Yorker durch Puerto-Ricaner, dass man den Eindruck gewinnt, nur die rettende Profitlogik der Miethaie habe Bürgerkrieg und den kompletten Untergang dieser Stadt verhindert.
Ähnlich sieht es die Eigentümergemeinschaft Haus & Grund. Für sie ist der Mietendeckel „unverhohlener Klassenkampf gegen kleine und mittelständische Eigentümer“. Und die Genossenschaftsvorstände mögen das Gleiche denken, sind aber aus Rücksicht auf ihre Mitglieder zurückhaltender. Sie beklagen nur die 150 Millionen Euro, auf die sie verzichten müssen und drohen, zukünftig das nicht mehr zu tun, was sie bisher sowieso nicht getan haben: die Errichtung von Neubau. Alles in allem, waren diese Reaktionen zu erwarten. Überraschend ist aber das Verständnis des Berliner Mietervereins für die Immobilienwirtschaft. Kaum war der begrüßenswerte Mietendeckel der Senatsverwaltung beschlossen, unterbreitete der Mieterverein einen Vorschlag für einen eigenen Mietendeckel. Das Ding ist so merkwürdig, dass sich die Frage, warum man damit so lange gewartet habe, gar nicht stellt. An die Stelle des Mietspiegel soll eine „Höchstwerttabelle“ treten; ein Konstrukt dessen Kompatibilität mit dem Bundesrecht durchaus bezweifelt werden kann. Doch darum geht es gar nicht, denn statt eines konsequenten Mietenstopps „soll der Vermieter die Möglichkeit erhalten, die Miete mit maßvollen Steigerungen bis zur Tabellenmiete anzuheben.“ Diese Höchstmiete des Mietervereins soll im Regelfall erlauben, „die Immobilien ausreichend zu bewirtschaften und eine maßvolle (!) Rendite zu erzielen.“ Sollte das aber nicht genügen, „wird nach sorgfältiger (!) Prüfung eine Überschreitung der Tabellenmiete zu genehmigen sein.“ Frau Kern vom Eigentümerverband BBU findet diese Vorschläge so diskutierenswert, dass der Bürgerkrieg aufs Erste abgewendet scheint.
Ihr MieterEcho
MieterEcho 404 / August 2019
Schlüsselbegriffe: Mietendeckel,Mieterhöhung,Miethöhe,Miete