Warum eigentlich nicht gleich Wohnungen bauen?
Zwischenlösung Sammellager ist kontraproduktiv bei der Integration Geflüchteter und eine wohnungspolitische Sackgasse
Von Hanna Hermes
Im November 2017 gab es in Berlin knapp 26.000 Geflüchtete, rund 2.000 von ihnen befanden sich noch in Erstaufnahmelagern, 18.000 in Gemeinschaftsunterkünften und 6.000 in Notunterkünften. Nach offizieller Prognose soll die Zahl der Geflüchteten bis zum Jahr 2020 auf 47.500 steigen und es ist nach wie vor offen, wo und wie diese Menschen in Zukunft untergebracht werden. Die verschiedenen Debatten zur Unterbringung von Geflüchteten offenbaren die Konzeptlosigkeit hinsichtlich der Wohnraumversorgung in den Niedrigpreissegmenten im Wohnungsbestand und im Neubau, für Geflüchtete wie für Nicht-Geflüchtete.
Im Dezember 2017 wurde auf einer Veranstaltung mit dem Titel „Wie die Integration Geflüchteter in den Kommunen gelingen kann?“ des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) das Integrationsmanagement „BENN – Berlin Entwickelt Neue Nachbarschaften“ vorgestellt. An zwanzig Standorten sollen dem Konzept zufolge Integrationsmanagements eingerichtet werden, um künftig den Geflüchteten die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erleichtern und im Umfeld von großen Flüchtlingsunterkünften die Gemeinschaft im Kiez zu stärken. Gleichzeitig aber gibt das Landeskriminalamt Empfehlungen heraus, die Zäune um die Geflüchtetenunterkünfte höher zu ziehen. Es drängen sich die Fragen auf, wie eine Integration gelingen kann, wenn es eine Aufforderung zur Abschottung gibt, und welche Chancen eine Integration hat, wenn die Menschen zu Hunderten oder Tausenden in Sammellagern wohnen.
Sozialwohnungen für alle
Auf dem Wohnungsmarkt könnten Geflüchtete in Ballungsräumen schwer Fuß fassen, wurde auf der Veranstaltung ebenfalls festgestellt, denn „die Fluktuationsreserven seien erschöpft“. Dies ist auch der Senatsverwaltung bekannt und sie beschreibt auf ihrer Website ihren Lösungsansatz: „Noch immer leben viele Flüchtlinge in Berlin in Notunterkünften, denn bezahlbarer Wohnraum in Berlin ist knapp. Um in dieser Situation Abhilfe zu schaffen, werden seit Mitte 2016 an geeigneten Standorten in Berlin temporäre Wohnquartiere für Geflüchtete in Wohncontainern errichtet, sogenannte ‚Tempohomes‘. Diese Unterbringungsform stellt einen nächsten Schritt in der Unterbringung dar, bis ausreichend Plätze in sanierten Bestandsunterkünften und neuen Wohnheimen (Modulare Unterkünfte zur Flüchtlingsunterbringung – MUF) bezugsfertig sind bzw. ausreichend bezahlbare Mietwohnungen zur Verfügung stehen.“ Aber warum wird nicht effektiver ab sofort die Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen für verschiedene Bedarfsgruppen, für Nicht-Geflüchtete und für Geflüchtete, vorangetrieben? Auch der Flüchtlingsrat Berlin beklagte Anfang Dezember die Verzögerung der von Rot-Rot-Grün angekündigten flüchtlingspolitischen Wende: „Die Koalition hat vereinbart, geflüchtete Menschen zügig in Wohnungen unterzubringen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Geflüchteten den individuellen Zugang zum Wohnungsmarkt zu ermöglichen. Diese Ankündigung wurde bisher nicht umgesetzt. Statt Geflüchtete auf dem Wohnungsmarkt zu stärken, ihnen den Zugang zu Sozialwohnungen zu ermöglichen und eine proaktive Akquise für Wohnungen für Geflüchtete zu betreiben, setzen die verantwortlichen Senatsverwaltungen für Soziales und für Stadtentwicklung weiterhin auf Sammellager.“ Auf dem Tempelhofer Feld vor den Hangars hat sich nach langer Suche die Tamaja GmbH als Betreiber für die „Tempohomes“, das neue Containerdorf, gefunden. 1.100 Geflüchtete werden dort in über 900 Containern untergebracht. Eine 17 Millionen Euro schwere Zwischenlösung für 18 Monate, denn Ende 2019 muss alles wieder abgebaut werden. Der Aufwand, der dort und an anderen Stellen betrieben und geplant wird, würde ausreichen, um Sozialwohnungen nicht nur für Geflüchtete, sondern auch für andere Wohnungssuchende zu bauen. Auf diese Weise wäre eine Integration möglich. Und zwar eine, die weder Zäune noch ein Integrationsmanagement bräuchte.
MieterEcho 393 / Februar 2018
Schlüsselbegriffe: Sammellager, Integration, Geflüchtete, Wohnungspolitik, Erstaufnahmelager, Notunterkünfte, Neubau, Sozialwohnungen, Wohnungsmarkt, Tempohomes, Containerdorf