Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen
Pro: Es ist an der Zeit
Von Michael Prütz
Viele Berliner Mieter/innen machen sich existenzielle Sorgen. Sie fühlen sich durch exorbitante Mieterhöhungen, Modernisierungen, Eigenbedarfskündigungen und Wohnraumknappheit bedroht. Die privaten, profitorientierten Wohnungsunternehmen agieren nahezu ungebremst. Es gibt Widerstand gegen diese Politik der Wohnungskonzerne, zum Beispiel über 300 Mieterinitiativen, die immer wieder versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Aber all dieser Widerstand hat defensiven Charakter und ändert nichts an den grundlegenden Problemen.
Eine umfassende Antwort in der Wohnungspolitik in Berlin ist notwendig. Dafür wurde die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ gegründet. Sie besteht aus Mieterinitiativen, politischen Organisationen sowie vielen Einzelpersonen und verfolgt ein einziges Ziel: die Bestände der Deutsche Wohnen und anderer privater Wohnungsunternehmen in die öffentliche Hand zurückzuführen.
Die Grundlage unserer Initiative ist Artikel 15 des Grundgesetzes, in dem es heißt: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zweck der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Hierbei vollziehen die Gebäude automatisch den gleichen Eigentümerwechsel wie die Grundstücke.“
Dieser Artikel hat bisher in der Bundesrepublik noch keine Anwendung gefunden, aber da die privaten Wohnungskonzerne in eklatanter Art und Weise Gemeinwohlinteressen verletzen, kann er der Hebel sein, mindestens 200.000 Wohnungen in Berlin dem privaten Markt zu entziehen.
Die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ basiert auf drei Pfeilern: 1. Wir führen Aktionen durch, in denen auf die Politik, insbesondere der Deutsche Wohnen, hingewiesen wird und stellen mit diesen Aktionen Öffentlichkeit her. 2. Wir unterstützen und forcieren die Selbstorganisation von Mieter/innen in den Wohnungen der Konzerne. In den Häusern der Deutsche Wohnen und anderer Unternehmen haben sich eine Reihe von Mieterinitiativen gebildet, die zum Beispiel gegen überzogene Mietforderungen und Modernisierungen vorgehen. 3. Das Volksbegehren zur Enteignung dieser Konzerne soll im Frühherbst beginnen, wenn der Senat die in dem Verfahren vorgesehene Kostenabschätzung abgeschlossen hat. Es handelt sich um einen Beschlussvolksentscheid, mit dem der Senat aufgefordert wird, die entsprechenden Gesetze zur Enteignung ins Parlament einzubringen. Ziel des Volksentscheids ist die Überführung der Wohnungen in Gemeineigentum, um dem Turbokapitalismus auf dem Berliner Wohnungsmarkt eine seiner Grundlage zu entziehen.
Natürlich kann die Enteignung nicht entschädigungslos erfolgen, aber diese kann und muss deutlich unter dem Marktwert liegen. Da Artikel 15 GG bisher niemals angewandt wurde, ist klar, dass wir juristisches Neuland betreten. Das Entscheidende für uns ist, dass mit der Rücküberführung von circa 200.000 Wohnungen in Gemeineigentum weltweit ein deutliches Signal an Spekulanten und große Kapitalgesellschaften gesendet wird, einen großen Bogen um Berlin zu machen. Es wird spannend, wie sich der rot-rot-grüne Senat in dieser Angelegenheit positioniert. Wir erwarten allerdings, dass sich die Senatsparteien eindeutig auf unsere Seite schlagen.
Wir wissen natürlich auch, dass die Enteignung der Deutsche Wohnen keinen neuen Wohnraum schafft, aber sie gäbe der Stadt ein Instrument an die Hand, Mieterhöhungen und Zwangsmodernisierungen entgegenzuwirken. Der dreistufige Volksentscheid, der in der ersten Stufe 20.000 und in der zweiten rund 174.000 Unterstützungsunterschriften benötigt, bevor in der letzten Stufe die Mehrheit der Abstimmenden, aber mindestens 25% der Wahlberechtigten zustimmen müssen, wird die Probleme auf dem Wohnungsmarkt und die Profitmaschine der privaten Wohnungskonzerne thematisieren und sendet ein Zeichen an Berliner Mieter/innen, dass ihr Schutz und ihre Sicherheit ernst genommen werden.
Michael Prütz gehört zur Aktivengruppe der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ (www.dwenteignen.de).
MieterEcho 397 / August 2018