Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 397 / August 2018

Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen

Contra: Es fährt ein Zug nach nirgendwo

Von Rainer Balcerowiak

Zum dritten Mal binnen vier Jahren soll mit einem Volksbegehren in die Berliner Wohnungspolitik eingegriffen werden. Nach dem Bauverbot auf dem Tempelhofer Feld und einem Wohnraumversorgungsgesetz wollen einige Gruppen und Initiativen jetzt am ganz großen Rad drehen. Per Volksbegehren und Volksentscheid soll der Berliner Senat dazu bewegt werden, ein Landesgesetz zur Enteignung der Deutsche Wohnen und aller anderen privatwirtschaftlichen Immobiliengesellschaften mit größeren Beständen auf den Weg zu bringen und deren Wohnungen in öffentliche Trägerschaft zu überführen.


Natürlich ist es eine faszinierende Vorstellung, dem Profitstreben großer Immobilienkonzerne durch einen Volksentscheid ein Ende zu setzen. Und es hat auch einen gewissen politischen Reiz, die im Artikel 15 des Grundgesetzes verankerte Möglichkeit der Vergesellschaftung von Grund und Boden zum Gegenstand einer breiten gesellschaftlichen Debatte zu machen. Dennoch sind Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Volksbegehrens angebracht. Dazu drei Anmerkungen:

  1. Das Volksbegehren bezieht sich ausschließlich auf eine mögliche Mietpreisdämpfung in einem kleinen Teil des Berliner Bestands – die Rede ist von bis zu 200.000 Wohnungen. Das Hauptproblem des Berliner Wohnungsmarkts, die Schaffung von bezahlbarem neuem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten, wird dabei ausgeklammert. Dabei könnte mit der bei einer Enteignung zu leistenden Entschädigung, die einen hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag ausmachen würde, ein kommunales Neubauprogramm für 40.000 bis 50.000 dauerhaft preiswerte Wohnungen aufgelegt werden.
  2. Auch im Erfolgsfall des Plebiszits wäre kaum damit zu rechnen, dass der Senat tatsächlich ein Landesgesetz zur Enteignung der börsennotierten Gesellschaften auf den Weg bringt. Doch selbst dann wäre dies wohl nur der Auftakt zu einer lang-anhaltenden Kette von juristischen Verfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht oder gar dem Europäischen Gerichtshof. Und dies mit eher bescheidenen Erfolgsaussichten, denn Besitz und Verwertung von Grund und Boden gehören nun einmal zu den Kernelementen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Die Idee, diese Ordnung mit einem Volksentscheid auf Landesebene quasi aus den Angeln heben zu können, kann man bestenfalls als naiv bezeichnen. Deutsche Wohnen und andere Immobilienunternehmen agieren in einem Markt, in dem die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt, und in einem bundesgesetzlichen Rahmen, der riesige Spielräume für Mietpreistreiberei und Verdrängung ermöglicht. Beides wird mit diesem Volksbegehren nicht thematisiert, denn dem Nachfrageüberhang müsste mit einem kommunalen Wohnungsbauprogramm begegnet werden und für durchgreifende Änderungen des Mietrechts braucht es andere politische Mehrheiten im Bund.
  3. Auffällig ist ferner, dass bei diesem Volksbegehren der rot-rot-grüne Senat weitgehend aus der Schusslinie genommen wird. Dabei ist er es, der durch sein komplettes Versagen bei der Wohnungspolitik maßgeblich zur andauernden Verschärfung auf dem Berliner Wohnungsmarkt beiträgt und auch die ohnehin bescheidenen Möglichkeiten zur Mietpreisdämpfung in den kommunalen Beständen und zur Schaffung geschützter Segmente für die wachsende Zahl nicht „marktfähiger“ Wohnungsloser nicht ausnutzt. Übrig bleibt eine populistische Kampagne, deren vermeintliches Ziel – die Enteignung privater Immobilienkonzerne – unrealistisch ist und von den Kernproblemen der Berliner Wohnungspolitik eher ablenkt. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass ein Mega-Projekt wie ein derartiger Volksentscheid für einen längeren Zeitraum die gesamte wohnungspolitische Debatte beherrschen wird und nahezu alle aktiven Gruppen sich darauf fokussieren werden – was die Initiatoren von der „Mieterbewegung“ auch einfordern. Doch durch diese Form von Populismus wird – wenn überhaupt – ein Strohfeuer entfacht, das letztendlich in einer Mischung aus Resignation und Wut verglimmen wird. Den riesigen Herausforderungen, vor denen wohnungspolitische Aktivengruppen derzeit stehen, wird das in keiner Weise gerecht.


Rainer Balcerowiak ist freier Journalist und schreibt unter anderem regelmäßig für das MieterEcho.


MieterEcho 397 / August 2018

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