Kein Privatrecht in der Daseinsvorsorge
Regelungslücke im Informationsfreiheitsgesetz muss geschlossen werden
Von Gerlinde Schermer
Nach den Jahren der „Haushaltskonsolidierung, bis es quietscht“, heißt es jetzt, der Haushalt biete „Möglichkeiten“ für Investitionen und mehr Personal. Doch an der „Notwendigkeit des ausgeglichenen Haushalts“ hält der rot-rot-grüne Senat fest – auf Kosten der Erfüllung sozialstaatlicher Aufgaben. Aktuelles Beispiel ist die „Schulbauoffensive“.
Der Senat will „Spielräume und Möglichkeiten“ nutzen, damit Private öffentliche Aufgaben erledigen und öffentliche Schulden dafür „auslagern“. Dabei sind die negativen Folgen derartiger Projekte hinlänglich bekannt, wie der Bankenskandal 2001, die skandalöse Wasserprivatisierung 1999 und der Verkauf des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) für 1 Euro 2003 gezeigt haben.
Der Berliner Finanzsenator will sowohl die Schulgrundstücke als auch die öffentlichen Aufgaben der Schulsanierung und des Schulneubaus an die Wohnungsbaugesellschaft Howoge übertragen (MieterEcho Nr. 391/ November 2017 und Nr. 393/ Februar 2018). Damit sollen die für diese Investitionen erforderlichen Kredite nicht unter die Schuldenbremse fallen. Dabei kritisieren die Rechnungshöfe diese Schuldenauslagerungspraxis als zu teuer. Und auch die Berliner Informationsfreiheitsbeauftragte prangert seit Jahren die „Flucht in Privatrecht“ an. Um den Bau und die Sanierung von Schulen in den nächsten 10 Jahren durchzuführen, sollen nach dem Willen des Finanzsenators vom geplanten 5,5 Milliarden Euro Bauvolumen 1,5 Milliarden von der Howoge am Kapitalmarkt ausgeliehen werden. Die Kreditaufnahme der Howoge soll die Emission von Landesanleihen bei einer konventionellen Baumaßnahme ersetzen. Die Grundstücke der zu sanierenden Schulen werden vorher vom Land im Erbbaurecht auf die Howoge übertragen und dienen zusammen mit den langfristigen Mietverträgen zwischen Bezirk und Ho-woge als Kreditsicherheiten gegenüber den Banken. Die rechtliche Konstruktion ist die der sogenannten „ÖPP-Mietkaufmodelle“. Das Land bürgt gegenüber den Banken für Zins und Tilgung, egal wie die Baumaßnahmen verlaufen werden, denn der Bauherr ist in diesem Fall ein privatwirtschaftlich agierendes Unternehmen.
Keine Einsicht in Verträge
Bisher lässt eine Lücke im Gesetz zu, dass landeseigene Unternehmen selbst dann nicht dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG) unterliegen, wenn sie vollständig dem Land gehören und unternehmerische Entscheidungen vollständig vom Land Berlin getroffen werden. Vor diesem politischen Hintergrund setzten Gegner/innen dieser Privatisierungspolitik im Juni 2018 einen Antrag auf dem Landesparteitag der SPD durch, das Informationsfreiheitsgesetz zu ändern. Wird das Gesetz nicht geändert, könnte die Howoge, die zu 100% dem Land gehört, zulasten der Bevölkerung und ohne öffentliche Kontrolle langfristige Verträge mit privaten Baukonzernen abschließen. Und sind die geheimen Verträge erst einmal unterschrieben, dann darf die Berliner Bevölkerung nur eines: bezahlen.
Das Informationsfreiheitsgesetz muss geändert werden, denn die Aussage des Senats, die Auslagerung der Schulsanierung an die Howoge sei kein Problem, weil sie ja zu 100% dem Land gehört, stimmt nicht. Für die GmbH gilt privates Recht und deshalb berufen sich solche Unternehmen auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Richtig wäre, dass öffentliche Aufgaben auch öffentlich finanziert werden. Dafür zahlt die Berliner Bevölkerung schließlich genug Steuern.
„Das IFG Berlin muss dahingehend ergänzt werden, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes auf öffentliche Stellen auch Private (hierunter juristische Personen des Privatrechts) umfasst, an denen die öffentliche Hand zu mehr als 50% beteiligt ist (§ 2 Absatz 1 IFG Berlin). Darüber hinaus dürfen sich öffentliche Stellen im Hinblick auf eine Einschränkungen des Informationsrechts in Zukunft nicht mehr auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen (§ 7 IFG Berlin). Bisher bestehende Sonderregelungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (teil-) privatisierter Unternehmen werden ersatzlos gestrichen (§ 7a Absatz 2 IFG Berlin).“
MieterEcho 397 / August 2018