Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 398 / Oktober 2018

Fensterlos wohnen

Wegen Nachverdichtungen in der Spenerstraße wieder zugemauerte Fenster in Moabit?

Von Susanne Torka

Wer erinnert sich nicht an die zugemauerten Fenster von Helga Brandenburger aus der Calvinstraße 21? Plötzlich war es dunkel in Küche und Bad, als der Neubau auf dem Nebengrundstück im April 2010 die Höhe ihrer Fenster erreicht hatte. Der BGH bestätigte schließlich, dass wegen „Überschreitens der Opfergrenze“ ein Rückbau nicht verlangt werden könne. Der Mieterin blieb lediglich Mietminderung.

Nun bahnt sich ein neuer Skandal in der Parallelstraße an. In der Spenerstraße stehen viele 1960 bis 1970 errichtete ehemalige Sozialbauten – entsprechend der damaligen Bauweise aufgelockert und mit begrünten Höfen sowie Parkplätzen. Heute sehen Grundstückseigentümer dort Potenzial zur Nachverdichtung. Bereits im März 2017 wurde ein Neubau im Hof der Spenerstraße 10/10a genehmigt. Auch hinter der Spenerstraße 4 und 5 soll neu gebaut werden. In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage in der BVV Mitte heißt es, dass die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen städtebaulich vertretbar sei und keine nachbarlichen Beeinträchtigungen hervorriefe.
Die Initiative „Wem gehört Moabit?“ stieß bei Recherchen auf die DKW Projektentwicklung Spenerstr. 6 B GmbH. Sofort läuteten die Alarmglocken, denn die Spenerstraße 6 ist eine Baulücke, die nur an einer Seite von einer Brandwand begrenzt wird. Das Nachbargebäude Spenerstraße 5 hat Balkone und in jeder der 7 Etagen 3 Fenster zur Baulücke mit jeweils 3 Wohnungen, wobei die 1-Zimmer-Wohnung ausschließlich Fenster zu dieser Seite hat. Das Bauamt vertritt die Auffassung, dass der Eigentümer nach der geltenden Rechtsprechung zum Baunutzungsplan Baurecht habe, wie der oben genannten Anfrage zu entnehmen ist. Wörtlich heißt es: „Sollten im Bestandsgebäude Fenster zugemauert werden, so ist das eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen Eigentümer und Mietern.“ Im Übrigen teilte die Leiterin des Stadtentwicklungsamts auf Anfrage der Initiative mit, dass Grundriss-änderungen vorgesehen seien. Aus den 3 Wohnungen je Etage sollen 2 Wohnungen mit innenliegenden Bädern gemacht werden, sodass die Fenster nicht mehr benötigt würden. Doch sind fast alle 21 Wohnungen bewohnt.
Ein Gruppenleiter aus der Stadtplanung hatte im Stadtentwicklungsausschuss vom 29. August auf Nachfrage zu den Nachverdichtungspotenzialen im zukünftigen Milieuschutzgebiet Thomasiusstraße erklärt, „dass der Nutzungsplan eine Nachverdichtung nicht erlaube“. Das ist nicht das erste Mal, dass Stadtplanung und Bau- und Wohnungsaufsicht in Mitte verschiedene Meinungen vertreten. Da fragt man sich, wie die Rechtslage wirklich aussieht und ob das Bezirksamt seine Möglichkeiten ausschöpft. Neuerdings heißt es, dass im Amt noch nach Baulasten zugunsten der Fenster gefahndet werde.

Kündigungen zur Verwertung

Kürzlich wurden die Modernisierungsankündigungen, die die Mieter/innen der Spenerstraße 4 und 5 erhalten hatten, wieder zurückgenommen. Dafür flatterten am 22. August bei denjenigen, die zur Baulücke wohnen, sogenannte Verwertungskündigungen nach § 573 Absatz 2 Nr. 3 ins Haus – zusammen mit einem dicken Sachverständigengutachten, das die „Hinderung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung“ beweisen soll. Zuvor wurden Entschädigungen für die Auflösung der Mietverträge angeboten. In der Spenerstraße 4 und 5 stehen insgesamt 14 Wohnungen leer. Im Amtsermittlungsverfahren hat der Eigentümer mithilfe dieses Gutachtens vorgetragen, dass die Sanierung aller 56 Wohnungen unwirtschaftlich und damit unzumutbar sei. Die zuständige Stadträtin, Dr. Sandra Obermeyer (parteilos, für Die Linke), erklärte beim Stadtentwicklungsausschuss am 26. September: „Das wurde Punkt für Punkt geprüft anhand der Vorgaben des Zweckentfremdungsrechts. Im Ergebnis stellte man fest, dass es sich nicht um schützenswerten Wohnraum handelt.“ Sie bezog sich auf die Einschätzung eines Sachbearbeiters, der nicht, wie bei schwierigen Fällen üblich, die Leitung hinzugezogen hatte. Nun soll erneut geprüft werden. Die Mieter/innen wollen sich wehren.


MieterEcho 398 / Oktober 2018

Schlüsselbegriffe: Zugemauerte Fenster,Wohnungsbau,Berlin,Verwertung,Modernisierung,Überschreitung der Opfergrenze

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