Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 395 / Mai 2018

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück

Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes erleichtert die Vermietung von Ferienwohnungen

Von Rainer Balcerowiak

Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss im März mit den Stimmen der Koalitionsparteien eine umfassende Novellierung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes. Die Neuregelungen betreffen sowohl Ausnahmeregelungen für die Genehmigung gewerblicher Vermietung von Erst- und Zweitwohnungen als auch das Vorgehen gegen Leerstand. Anders als in den Verlautbarungen der Senatsverwaltung und der wohnungspolitischen Sprecher der Regierungsparteien, handelt es sich – mit Ausnahme der neuen Bestimmungen zum Vorgehen gegen Leerstand – aber keineswegs um eine „Verschärfung“ des Gesetzes, sondern eher um eine Liberalisierung zugunsten der Anbieter von Ferienwohnungen.

Das im November 2013 beschlossene Zweckentfremdungsverbotsgesetz trat nach dem Erlass einer ergänzenden Verordnung am 1. Mai 2014 in Kraft. Dem vorausgegangen war ein zähes Ringen innerhalb der Regierungskoalition aus SPD und CDU um einen Kompromiss. Letztendlich konnte die CDU einige Schlupflöcher und Ausnahmetatbestände in das Gesetz implementieren und auch eine zweijährige Übergangsfrist für die bereits bestehende Zweckentfremdung von Wohnraum durchsetzen. Dennoch war dieses Gesetz ein erster richtiger Schritt, um dem Wildwuchs bei der gewerblichen Nutzung von Wohnraum angesichts der immer dramatischer werdenden Wohnungsknappheit Einhalt zu gebieten. Die lukrative Umwidmung von Wohnungen zu Ferienapartments hatte beträchtliche Ausmaße angenommen. Zwar gab es keine offizielle Statistik, doch verschiedene Untersuchungen bezifferten die Anzahl der zu touristischen Zwecken genutzten Wohnungen auf bis zu 20.000. Längst hatten sich professionelle Anbieter etabliert und die Ferienwohnungen wurden weltweit bei Portalen wie Airbnb und Wimdoo offeriert.
Trotz seiner offensichtlichen Schwächen beinhaltete das Gesetz einige klare Festlegungen. In § 2 heißt es: „Eine Zweckentfremdung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn Wohnraum 1. zum Zwecke der wiederholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder einer Fremdenbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen, verwendet wird; 2. für gewerbliche oder berufliche sonstige Zwecke verwendet wird; 3. baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist; 4.länger als sechs Monate leer steht oder 5. beseitigt wird.“
Keine Zweckentfremdung liegt nach dem Gesetz unter anderem vor, wenn nur ein Teil einer Wohnung (maximal 50%) gewerblich genutzt wird, wenn eine Zweitwohnung länger als 6 Monate leer steht, weil sie nur zu gelegentlichen Aufenthalten genutzt wird, oder wenn der Leerstand mit geplanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen begründet wird.

Große Vollzugsdefizite

Sehr schnell erwies sich, dass dieses Gesetz kaum umsetzbar war. Die Bezirke waren personell nicht im Entferntesten in der Lage, die ihnen übertragenen Aufgaben zu bewältigen. Die im Gesetz vorgegebenen Fristen zur Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigung von Zweckentfremdung waren kaum einzuhalten. In diesen Fällen sah das Gesetz eine sogenannte „Genehmigungsfiktion“ vor. Das heißt, der Antrag galt als positiv beschieden und damit war die Zweckentfremdung genehmigt.
Anfangs wurde den Bezirksämtern unter Berufung auf Datenschutz sogar verboten, Anbieter von Ferienwohnungen durch Internetrecherche zu ermitteln, was später auf Initiative des Bezirks Mitte revidiert wurde. Das änderte allerdings nichts daran, dass die Anbieter die Herausgabe der Daten nach wie vor verweigern und sich mit dieser Haltung auch vor Gericht durchsetzten. Im letzten Prozess dieser Art wurde vom Berliner Verwaltungsgericht der Auskunftsanspruch der Behörden gegenüber Airbnb zwar prinzipiell anerkannt, doch der könne nur am Hauptsitz der Firma in Dublin geltend gemacht werden – ein nahezu aussichtsloses Unterfangen – und nicht bei ihrer deutschen Niederlassung, hieß es in dem Urteil.
In anderen Prozessen setzten sich Anbieter, die Ferienwohnungen bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes angeboten haben, weitgehend durch. Während die Bezirksämter in einigen erstinstanzlichen Verfahren obsiegten, setzte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Verfahren aus und verwies sie zur Prüfung an das Bundesverfassungsgericht, das mögliche Grundrechtsverletzungen beim Eigentumsschutz und der Gewerbefreiheit untersuchen soll. Ein Entscheidungstermin ist noch nicht verkündet worden.
Doch auch unterhalb der Ebene juristischer Auseinandersetzungen erwies sich das Gesetz in Verbindung mit den Vollzugsdefiziten als extrem löchrig. Das betrifft vor allem die Grauzone zwischen legaler Kurzzeit-Untermietung und illegaler Zweckentfremdung, wobei oft „Strohmieter“ installiert, die Wohnungen aber weiterhin an Feriengäste vergeben werden. Und nach wie vor sind die Bezirke trotz inzwischen bewilligter zusätzlicher Stellen und reger Bürgerbeteiligung bei der Verfolgung von Zweckentfremdung kaum in der Lage, umfassend einzugreifen. Eine Anfrage der Linksfraktion zu 23 gemeldeten Leerstandsfällen in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte ergab im Juni 2017, dass zwölf dieser Fälle dem Bezirksamt überhaupt nicht zur Kenntnis gelangt waren (MieterEcho Nr. 392/ Dezember 2017).
Bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung hatte die rot-rot-grüne Landesregierung angekündigt, das Zweckentfremdungsverbotsgesetz zu überarbeiten und gegebenenfalls zu verschärfen. Doch herausgekommen ist in erster Linie eine Lockerung. Künftig dürfen Wohnungen prinzipiell 60 Tage im Jahr an Feriengäste vermietet werden, es ist lediglich eine Genehmigung erforderlich, die aber nicht verweigert werden kann. Zudem soll es „individuelle Lösungen“ bei längeren Studien- und Arbeitsaufenthalten im Ausland geben. Begründet wurde dies unter anderem mit einer notwendigen „Anpassung an die Lebenswirklichkeit“ vieler Berliner/innen, die bei auswärtigen Aufenthalten auf die Einnahmen aus der kurzzeitigen Vergabe ihrer Wohnung angewiesen seien. Ein merkwürdiges Argument, denn die reguläre befristete Untervermietung einer Wohnung ist ohnehin möglich. Die jetzt beschlossene Liberalisierung zielt aber eindeutig auf die gewerbliche Nutzung durch Vermietung an Feriengäste.

Profiteure sind zufrieden

Für Zweitwohnungen werden sogar 90 Tage zur Vermietung an Feriengäste ermöglicht. Wobei es fraglich bleibt, ob diese Festlegung Bestand hat, denn in einem Vergleich hatte sich das Bezirksamt Pankow bereits im vergangenen Jahr mit einer Zweitwohnungsbesitzerin auf eine Freigabe der gewerblichen Nutzung für maximal 182 Tage verständigt. Auf alle Fälle bleibt es ein sehr lukratives Geschäftsmodell, Zweitwohnungen in Berlin zu erwerben und an Feriengäste zu vermieten. Bei den Profiteuren des Geschäfts mit dem Wohnungsmangel zeigt man sich zufrieden mit der Novelle. Der Geschäftsführer von Airbnb Deutschland, Alexander Schwarz, sprach im Sender RBB von einem „Schritt in die richtige Richtung“.
Während diese auch als „Homesharing“ bezeichnete Form der Zweckentfremdung weitgehend liberalisiert wird, gibt es beim Vorgehen gegen Leerstand einige Verschärfungen. So wird die Frist, binnen der ein Hausbesitzer eine leerstehende Wohnung entweder neu vermieten oder Sanierungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen anmelden muss, von 6 auf 3 Monate verkürzt. Die Obergrenze des Bußgeldrahmens für Verstöße gegen das Gesetz wird von bisher 100.000 auf 500.000 Euro erweitert. Bei hartnäckiger Verweigerung der Beseitigung von Leerstand seitens des Eigentümers sollen künftig schneller und einfacher treuhänderische Verwaltungen eingesetzt werden können. Wie das angesichts der riesigen Vollzugsdefizite in den Bezirken umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten.
Festzuhalten ist, dass von den vor allem von der SPD seinerzeit formulierten ursprünglichen Intentionen des Gesetzes jetzt einiges aufgegeben wird. Das liegt zunächst an den Restriktionen, die durch Gerichte für die Unterbindung von Zweckentfremdung verhängt wurden, denn der „Schutz des Eigentums“ und die Freiheit seiner wirtschaftlichen Verwertung ist eines der höchsten Rechtsgüter der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Es fehlt dem Berliner Senat aber vor allem am politischen Willen, die vorhandenen Spielräume konsequent auszunutzen und einen rigorosen Vollzug, wie er beispielsweise in Metropolen wie Amsterdam, Barcelona und New York praktiziert wird, zu gewährleisten. Es würde wohl auch nicht in das PR-Konzept für das „hippe weltoffene Berlin“ passen.

Hinweisformular, um eine zweckentfremdete Wohnung zu melden:

http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/zweckentfremdung_wohnraum

 

Berichtigung
In dem Artikel „Ein Schritt vor -zwei Schritte zurück“ (ME 395) ist durch die Zeitspanne zwischen Redaktionsschluss eine fehlerhafte Darstellung enthalten. Die Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes sieht – anders als im Entwurf – keine Beschränkung der gewerblichen, genehmigungsfreien Vermietung von Wohnungen auf 60-Tage pro Jahr vor. Die Vermietung wird genehmigungs- und registrierungspflichtig, ist dafür aber zeitlich nicht befristet.


MieterEcho 395 / Mai 2018

Schlüsselbegriffe: Zweckentfremdung, Zweckentfremdungsverbotsgesetz, Ferienwohnung, Homesharing, Leerstand, Berlin

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