Editorial
Editorial MieterEcho
Liebe Leserinnen und Leser,
der Artikel „Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück“ von Rainer Balcerowiak im letzten Heft (MieterEcho Nr. 395/ Mai 2018) enthält eine fehlerhafte Darstellung, die der Zeitspanne zwischen Fertigstellung des Beitrags und Redaktionsschluss des Hefts geschuldet ist. Der Autor ging von dem ursprünglichen Entwurf der Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes aus. Der sah noch eine Beschränkung der gewerblichen, genehmigungsfreien Wohnungsvermietung von 60 Tagen pro Jahr vor. In dem verabschiedeten Gesetz ist diese Beschränkung nicht mehr enthalten, die Vermietung wird zwar genehmigungs- und registrierungspflichtig, ist dafür aber zeitlich nicht befristet.
Das Online-Portal Werben und Verkaufen (WuV) zitierte den erfreuten Airbnb-Chef in Deutschland Alexander Schwarz: „Airbnb begrüßt, dass Berlin mit den neuen Regeln klarstellt, dass Home Sharer ihr Zuhause an Reisende vermieten dürfen und sie von professionellen Ferienwohnungsanbietern unterscheidet. Wir informieren die Gastgeber über die neuen Regeln und möchten unseren Austausch mit dem Land Berlin fortsetzen.“
Tatsächlich ermöglicht die veränderte Regelung beispielsweise Wohnungsinhaber/innen, die zurück nach San Francisco ziehen und ihre Wohnung in Berlin als Hauptwohnsitz beibehalten, die unbeschränkte Vermietung als Ferienwohnung.
Eine Genehmigung muss zwar eingeholt, kann aber nicht verweigert werden. Das erfreut Airbnb offenbar und daher sind weitere Kooperationen des gigantischen kalifornischen Online-Portals mit dem Senat zu befürchten.
Vom 14. Juni bis zum 1. Juli fand unter der Bezeichnung „Make City“ ein „Festival für Architektur & Andersmachen“ statt. „Stadt neu gemischt“ lautet der Untertitel und wer hier mitmischen will, sind die neuen urbanen Mittelschichten, auch Stadtgesellschaft genannt. Hatte der rot-rote Senat seinerzeit öffentliche Güter an großkapitalistische Investoren zu Spottpreisen verkauft, so fordern heute die Kreativen und Selbständigen ihre Beteiligung. Die ganze aufwendige Veranstaltung ist „ein Plädoyer für Zivilkapitalismus“. Das Motto könnte auch „jedem das Seine und mir das Meiste“ lauten, wenn man es aus Mangel an eigenen Finanzmitteln nicht vorziehen würde, der Sache einen zivilgesellschaftlichen, demokratischen Anstrich zu geben. So will denn auch die „zivilgesellschaftliche Initiative ZUsammenKUNFT“ nicht als Eigentümerin des Leuchtturmprojekts Haus der Statistik in Erscheinung treten, sondern sucht „die Beteiligung an der Beteiligung“. Antje Kapek, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, flankiert das Geschehen in einem Interview mit einer Klage über „eine riesengroße Nehmer/innen-Mentalität gegenüber der öffentlichen Hand und einer Ablehnung gegenüber allem, was auch nur ansatzweise privat ist“. Antje Kapek mag sich trösten, der Neoliberalismus befindet sich zwar in einer Legitimationskrise, findet aber in ihrer politischen Klientel engagierte Fortsetzer/innen.
Ihr MieterEcho
MieterEcho 396 / Juni 2018
Schlüsselbegriffe: Airbnb, Ferienwohnung, Homesharing, Berlin, Make City, Neoliberalismus, Mieterschutz