Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.
MieterEcho 396 / Juni 2018

Besser leben ohne Akelius

Der Mietenwahnsinn geht weiter, der Widerstand dagegen auch

Von der „Vernetzung der Akelius-Mieter*innen Berlin“

Akelius ist einer der großen Investoren in Wohnimmobilien und Mietpreistreiber in Berlin. Im Jahres-bericht 2017 stellt sich der Konzern als erstklassiger Dienstleister seiner Mieter/innen dar. Doch die sehen das anders und organisieren sich gegen ihn.


Akelius ist börsennotiert und die größte privatwirtschaftliche Immobiliengesellschaft in Schweden. Gegründet wurde sie 1994 vom Steuerexperten Roger Akelius. Die Akelius-Stiftung besitzt 90% der Akelius Residential Property AB (MieterEcho Nr. 371 / Dezember 2014). Die restlichen 10% sind im Besitz des Gründers und von Vorzugsaktien-Haltern. Der Konzern ist in Nordamerika und im nördlichen Westeuropa aktiv. In den deutschen Immobilienmarkt stieg Akelius im Jahr 2006 ein und baute in Berlin mit inzwischen über 600 Immobilien seinen weltweit wichtigsten Standort auf.
Die Geschäftspraxis von Akelius ist denkbar einfach: Das Unternehmen kauft Mietshäuser in Großstädten und setzt auf extrem hohe Neuvermietungspreise. Dafür nutzt Akelius jede Gelegenheit, Wohnungen zu entmieten, um sie im Anschluss zu modernisieren und mit einer Ausstattung von Einbauküche bis Waschmaschine zu Preisen deutlich über der Vormiete und der ortsüblichen Vergleichsmiete anzubieten. Akelius spricht von „Better Living“ und „First Class Standards“, Mieter/innen nennen es Gentrifizierung.
Den rechtlichen Rahmen dehnt Akelius maximal aus und geht auch darüber hinaus. Die Angebotsmiete von 30 Euro/m² für eine 1-Zimmer-Wohnung in der Reichenbergerstraße 72a, Hinterhaus, Erdgeschoss, exklusiver Blick auf die Mülltonnen, ist selbst mit Einbauküche nicht zu rechtfertigen.
Landespolitik und Bezirksämter geben sich machtlos. Die Einhaltung des Mietspiegels können nur die Mieter/innen selbst einklagen. Eine allgemeine Auskunftspflicht des Vermieters über die Vormiete und den Zustand der Wohnung vor der angeblichen Modernisierung besteht nicht. Auf schlechte Presse reagiert Akelius allerdings empfindlich. Als sich 2014 die Senior/innen vom Hansa-Ufer 5 gegen die angekündigte Modernisierung mit anschließender Mieterhöhung pressewirksam zur Wehr setzten (MieterEcho Nr. 368/ Juli 2014), verschob Akelius die Modernisierung und Geschossaufstockungen um drei bis fünf Jahre. An den Neubauplänen im Garten – ein Haus für SOS-Kinderdorf – hält der Konzern allerdings bis heute fest, mit Lärm, Dreck und teilweiser Verschattung für die Senior/innen.

Mieter/innen organisieren sich

Im Februar 2016 kaufte Akelius das Haus in der Barfusstraße 5 im Wedding. Zwei Monate später folgte die Mieterhöhung, kurz darauf begann die Luxusmodernisierung drei leerstehender Wohnungen. Neun Monate Leben auf einer Baustelle mit Lärmbelästigung, Unmengen von Staub und Dreck. Die Miete der neu gestalteten Wohnungen verdoppelte sich: 1.300 Euro warm für 83 m², ohne Balkon, ohne Aufzug. Zwei der drei Apartments standen monatelang leer, eines davon immer noch.
In der Jagowstraße 15 und 16 in Moabit zieren dunkelgraue Fensterrahmen die nun schneeweiße Fassade. Die großzügigen einflügeligen Holzfenster wurden durch zweiflügelige Plastiksprossenfenster ersetzt. Von Weitem sollen sie bürgerlich repräsentativ wirken, vermuten die Bewohner/innen, ein Leuchtturm im Kiez. Doch dieser fragwürdige Historismus bedeutet vor allem, dass die Wohnungen, besonders in den unteren Geschossen, dunkler geworden sind, denn viele Fenster verfügen nur noch über dreiviertel der Glasfläche. In den weißgestrichenen Fluren wurden die Türen schwarz lackiert und teure, handgegossene Klinken aus Italien montiert. Auf manchen ist das Akelius-Emblem eingraviert. All das ist Teil des „Better Living“-Konzepts von Akelius.
Die Baumaßnahmen begannen bereits drei Wochen, nachdem sie angekündigt wurden. Noch ist alles staubig und dreckig, noch weckt um sieben Uhr der Baulärm. Ein Zustand, der seit über einem Jahr andauert. Während die Fenster teilweise nach nur einem Jahr der Einheitlichkeit wegen ausgetauscht wurden, sind tatsächliche Mängel immer noch nicht vollständig behoben. Manche bestehen seit Jahren. Auf Beschwerden über die Mieter-Hotline oder schriftliche Mängelanzeigen reagiert Akelius kaum. Stattdessen berichtet ein Handwerker, dass er Auskunft über die Mieter/innen und den Zustand der Wohnungen geben soll. Manche Bewohner/innen hielten es nicht mehr aus und zogen aus. Ihre Wohnungen stehen größtenteils leer.
Es reicht! Zahlreiche Mieter/innen wollen diese Zustände nicht länger hinnehmen. Etwa hundert von ihnen folgten am 6. Mai dem Aufruf zum ersten selbstorganisierten berlinweiten Vernetzungstreffen und tauschten sich über die Lage in ihren Häusern aus. Horrende Angebotsmiete, Reparaturverschleppung, sinnlose Dauermodernisierung mit unerträglichem Lärm und Dreck und hoher Leerstand waren die Hauptthemen. Auch zwei anwesende Mietrechtsanwält/innen sprachen über ihre Erfahrungen mit Akelius: Fehlerhafte Heizungs- und Nebenkostenabrechnung, Modernisierung ohne fristgerechte Ankündigung aber mit deutlicher Mieterhöhung, Verschleppung von Instandhaltung und Kompromisslosigkeit bei Kündigung.
Eingeläutet wurde die Versammlung mit dem Grußwort der organisierten Akelius-Mieter/innen in New York. Akelius ist einer der zehn Spekulanten in Brooklyn, den eine der dortigen Mieterorganisationen besonders beobachtet. Die Forderungen der New Yorker Mieterorganisation CHTU sind auch für die Mieter/innen in Berlin interessant: Ablehnungsrecht von Modernisierung, Umzugsrecht im selben Haus zu bestehender Miethöhe, Kündigung erst nach sechsmonatigem Mietverzug, Mahnung nach drei Monaten Mietverzug, Mieteinfrierung für fünf Jahre. Auf der Versammlung im Mai fanden viele Mieter/innen zusammen, die solidarisch aktiv sein wollen. Arbeitsgruppen wurden gebildet, E-Mail-Verteiler angelegt und eine Pressemitteilung herausgegeben. Sie fordern, dass Akelius geplante Baumaßnahmen transparent kommuniziert, den Mietspiegel einhält, nach durchgeführter Modernisierung 20 Jahre auf weitere Modernisierungen verzichtet und sofort alle leerstehenden Wohnungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete anbietet.

Lichtblick Rekommunalisierung

Ende der 1980er Jahre wurden in der Reichenberger Straße 114 immer wieder Wohnungen besetzt. Zwischen 1991 und 95 wurde es als eines der letzten Häuser der Straße mit öffentlichen Geldern saniert. Die Bewohner/innen bekamen Verträge und leben seit Jahrzehnten in festen Solidarstrukturen. Seit 2010 wurde das Haus vier Mal verkauft und gehört seit Januar 2018 Akelius. Die Mieter/innen sind viel gewohnt und kennen ihrer Rechte, beispielsweise dass Akelius nicht nur mit einer Verwaltervollmacht die künftige Mietzahlung einfordern kann. Zudem ließen weder die Grundbucheintragungen einen Eigentümerwechsel erkennen, noch meldete sich die bisherige Hausverwaltung ab. Zwei Wochen ignorierte Akelius die Forderung der Mieter/innen nach Vorlage des Nachweises über den Eigentümerwechsel. Erst als neun Mieter/innen geschlossen das Verwaltungsbüro aufsuchten und auf den Nachweis drängten, stellte Akelius ihn am nächsten Tag per Postwurf zu. Die Vermutung bestätigte sich: Akelius hatte das Haus im Share-Deal-Verfahren gekauft und das Land um die Grunderwerbsteuer und den Bezirk um sein Vorkaufsrecht „geprellt“. Auch die weitere Entwicklung verlief schlecht. Wasserrohrbrüche und Heizungsausfälle wurden mal schneller, mal langsamer repariert. Handwerker zerstörten im Auftrag von Akelius Schlösser von Kellertüren, die bis heute kaputt sind. Und obwohl zwei Wohnungen und ein Gewerberaum länger als sechs Monate leer stehen, verweigert Akelius die Vermietung. Dabei mangelt es nicht an erwachsen gewordenen Kindern, die eine eigene Wohnung suchen, und anderen Interessenten aus dem Haus.
Akelius brüstet sich damit, weltweit größter Spender für SOS Kinderdorf zu sein. Doch wenn Kinder kein sicheres Zuhause haben, weil Akelius damit spekuliert, und wenn sie nicht von ihren Eltern ausziehen können, weil Akelius lieber Wohnungen leer stehen lässt, als sie unter dem maximalen Profit zu vermieten, und wenn Kinder gegen Senior/innen ausgespielt werden, was soll das dann alles? Und wie trägt eine handgegossene Klinke zum besseren Leben bei, wenn deshalb eine Mieterhöhung zu befürchten ist? Die Kampagne zur Enteignung und Rekommunalisierung der Deutsche Wohnen und anderer großer börsennotierter Immobilienkonzerne ist die richtige Antwort darauf und ein echter Lichtblick auch für Akelius-Mieter/innen.


Bei Immobilienverkäufen wird zwischen Asset Deals und Share Deals unterschieden. Der direkte Erwerb einer Immobilie wird auch als Asset Deal bezeichnet und unterliegt der Grunderwerbsteuer (in Berlin 6% des Kaufpreises). Bei einem Share Deal kauft der Erwerber formal nicht die Immobilie, sondern erwirbt die Grundstücksgesellschaft. Wenn bei einem solchen Erwerb zunächst weniger als 95% der Anteile der Grundstücksgesellschaft gekauft werden und die restlichen mehr als 5% erst nach mehr als fünf Jahren, ist der Immobilienkauf von der Grunderwerbsteuer befreit. Diese grunderwerbsteuerfreien Share Deals stellen ein Steuerschlupfloch dar – mit enormen Einnahmeausfällen für die öffentliche Hand.


MieterEcho 396 / Juni 2018

Schlüsselbegriffe: Akelius, Mietenwahnsinn, Initiative, Investor, Wohnimmobilien, Immobilien, Berlin, Mieterorganisation, Organisierung, Protest, Mieterprotest, Rekommunalisierung, Gentrifizierung