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MieterEcho 391 / Oktober 2017

Senat setzt auf Privatisierung bei Schulbau und -sanierung

Landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge wird als Akteur eingespannt

Von Joachim Maiworm

Über Berlins Sanierungsstau bei den Schulen berichteten die Medien in den letzten Jahren oft und ausführlich. Zudem fehlen in der Hauptstadt nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) 75.000 Schulplätze und 70 bis 80 Schulen bis zum Jahr 2024/25. An vielen Bildungseinrichtungen sind offensichtlich die Aufnahmekapazitäten erreicht oder sogar überschritten. In der Koalitionsvereinbarung von Rot-Rot-Grün betonten die Regierungsparteien deshalb, dass in der nächsten Dekade Investitionen in die Schulinfrastruktur für sie von zentraler Bedeutung seien.

 

Wie die Investitionen in die Schulinfrastruktur angesichts der ab 2020 für alle Bundesländer geltenden Schuldenbremse erfolgen sollen, lässt sich ebenfalls in der Koalitionsvereinbarung nachlesen. Vorgesehen ist die Schaffung einer „landeseigenen gesellschaftsrechtlichen Konstruktion“, die auch die Aufnahme von Krediten in „privatrechtlicher Organisationsform“ – und damit außerhalb des Landeshaushalts – ermöglicht. Denn, so die Begründung, die (von der Politik selbst geschaffene) Schuldenbremse verbiete zukünftig Kredite im Landesetat. So sollen nach dem Willen von SPD, Linke und Grüne die Gelder für notwendige Investitionen über Umwege bei Banken beschafft werden, indem ins Privatrecht ausgelagerte Landesgesellschaften oder ihre Töchter Kredite für Bau und Sanierung der Schulgebäude aufnehmen.Warnungen ignorierend legte am 27. Juni der Senat mit dem Papier „Berliner Schulbauoffensive“ konkrete Vorstellungen auf den Tisch. Knapp fünf Milliarden Euro sollen in den nächsten zehn Jahren in die Sanierung bestehender und den Bau neuer Einrichtungen fließen. Die Einzelmaßnahmen werden dabei je nach Finanzvolumen bezirklich, bezirksübergreifend oder auf Landesebene durchgeführt. Instandhaltungs- oder Sanierungsvorhaben bis 5,5 Millionen Euro verbleiben demnach in der Verantwortung der Bezirke, Projekte zwischen 5,5 und 10 Millionen Euro können mithilfe von vier bezirksübergreifend agierenden Schulsanierungs-GmbHs – also privatrechtlich – realisiert werden. Umfangreiche Maßnahmen ab 10 Millionen Euro sollen der Zuständigkeit der Bezirke entzogen und anfangs von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen organisiert werden, um sie später auf eine – als Tochtergesellschaft der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge geplante – GmbH zu übertragen.

 


Bezirke sollen künftig Schulen von der GmbH zurückmieten

Zur Abwicklung dieser großen Projekte soll – vom Senat beschlossen und vorangetrieben von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) – eine „mittelbare landeseigene Planungs- und Projektsteuerungsgesellschaft mit eigener Geschäftsführung“ als besagte Tochtergesellschaft des landeseigenen Wohnungsunternehmens Howoge gegründet werden. Letztere ist beauftragt, die erforderlichen Finanzierungskredite am Kapitalmarkt aufzunehmen, als Vertragspartner gegenüber den ausgewählten Bauunternehmen zu fungieren und nach Beendigung der Baumaßnahmen die Gebäude an die jeweiligen Bezirke zu vermieten. Mit der Planung und Steuerung der Neubaumaßnahmen bzw. Sanierungs- und Instandhaltungsprojekte soll die Wohnungsbaugesellschaft ihr Tochterunternehmen beauftragen.Gerlinde Schermer von der privatisierungskritischen Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand“ (GiB) weist dagegen gegenüber dem MieterEcho auf noch bestehende Unklarheiten hin und insbesondere auf die vom Senat offensichtlich gewollte Kreditfähigkeit der Howoge bzw. ihrer Tochtergesellschaft. „Da der Senat über ausreichend Geld im Haushalt verfügt“, so Schermer, „gibt es kein tragfähiges Argument für die Gründung der privatrechtlichen Gesellschaft für Schulneubau bei der Howoge mit Kreditfähigkeit. Das muss aus Gemeinwohlgründen abgelehnt werden.“Dass die Bezirke zukünftig die betroffenen Schulgrundstücke von der GmbH zurückmieten sollen und damit Gelder von der öffentlichen Hand in die privatrechtliche Gesellschaft fließen, die ihrerseits Private beauftragen soll, die Schulen zu bauen, ist für Schermer nicht akzeptabel. Die Übertragung der Grundstücke für Schulneubauten von den Bezirken an die geplante GmbH sei deshalb schlicht abzulehnen. Auch der Rat der Bürgermeister tue dies. Da der Senat das wisse, wolle er die Übertragung per Erbbaurecht bzw. Nießbrauch an die Tochter der Howoge organisieren. Als Kreditsicherheit gegenüber den Banken würden insbesondere die langfristigen Mietverträge über die Schulgebäude mit dem Land Berlin in Verbindung mit Erbbaurechten dienen. Auch diese Vorgehensweise lehnt Schermer ab. Da die Kredite für Sanierung und Neubau der Schulen von der Howoge am Markt aufgenommen werden müssen, stellt sich für die Aktivistin von GiB zudem die Frage, wer für die Raten und Zinszahlungen aufzukommen hat. Die Mieter/innen oder aber die Bezirke über die langfristigen Mietverträge für ihre ehemals eigenen Schulgrundstücke? Dass die Howoge selbst bzw. deren Tochter die Höhe der Kosten für die Bezirke festlegen kann, wenn sie mit den Erbbaurechten die Schulgebäude besitzen und diese mit Krediten belasten, ist für Schermer ein einziges Horrorszenario.     

 

Für Privatisierung im Bildungsbereich instrumentalisiert

Auch in den Bezirken wird vereinzelt Widerspruch geäußert. Die Fraktion Die Linke in der BVV-Neukölln wehrt sich gegen die Auslagerung wichtiger Kernbereiche und damit gegen die Entmachtung der bisher für den Schulbau zuständigen Bezirke. Stattdessen sollten die bezirklichen Hochbauämter personell und finanziell ausreichend ausgestattet werden, um die Aufgabe der Sanierung, der Instandhaltung und des Neubaus der Schulen selbst stemmen zu können. Unterstützt wird dieser Aufruf zur Verteidigung der kommunalen Handlungsfähigkeit auch von gewerkschaftlicher Seite. Die GEW Berlin fordert beispielsweise in einem Beschluss vom Dezember letzten Jahres eine verlässliche Grundfinanzierung sowie eine personelle Stärkung der bezirklichen Schulträger und identifiziert ebenfalls die personelle Unterausstattung der Bauämter als eine wesentliche Ursache des Sanierungsstaus.
Noch aber ist der aufkeimende Protest zu schwach, um den Senat daran zu hindern, die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, die bezahlbaren Wohnraum für Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen bereitstellen sollen, für die Privatisierung der Bildungslandschaft zu instrumentalisieren. Eine öffentliche Debatte scheint dringend nötig zu sein, damit der Senat mit der Gründung von GmbHs keine schnellen Fakten schafft. 

 

 


MieterEcho 391 / Oktober 2017

Schlüsselbegriffe: Privatisierung,Schulbau, Schulsanierung, landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, Howoge, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW, Schulinfrastruktur, Schuldenbremse, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Erbbaurechte